„Wir sind breit aufgestellt“ – Warum Antriebs-Diversifizierung im Nutzfahrzeugbereich sinnvoll ist.
Im Rahmen der ‚Destination-Zero-Strategie‘ hat sich der US-amerikanische Nutzfahrzeug-Motorenbauer Cummins auf die Fahne geschrieben, die Verbrennungsmotoren-Technologie weiter voranzutreiben und die Effizienz sowie die Kompatibilität mit alternativen Kraftstoffen zu verbessern. Gleichzeitig möchte das Unternehmen emissionsfreie Lösungen wie die Brennstoffzellen- und Batterietechnologie weiterentwickeln, um die Evolution der Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs voranzutreiben.
Krafthand-Truck hat mit Jens Hüttner, Sales Director bei Cummins Deutschland, über die komplementäre technologische Ausrichtung, die Potenziale von alternativen Kraftstoffen, von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren sowie emissionsfreien Lkw (BEV/FCEV) gesprochen. Ein weiterer Blick galt dem angeschlossenen Nfz-Service.
Sehr geehrter Herr Hüttner, Cummins möchte sich als traditioneller Dieselmotorenbauer breiter aufstellen. Wie sieht die Strategie in Hinblick auf neue Antriebstechnologien aus?
Zur Durchsetzung der ambitionierten, globalen Klimaziele verfolgt Cummins einen technologieoffenen Ansatz was konventionelle und neuen Antriebstechnologien angeht. Wir bieten unseren Kunden schon heute eine breite Palette von unterschiedlichen Antriebstechnologien an. Angefangen bei konventionellen Dieselmotoren, die für die kommende Abgasstufe Euro-7 komplett neu entwickelt werden, über batterieelektrische Antriebstechnologien (inklusive der kompletten elektrischen Antriebsachse), bis hin zu Brennstoffzellenantrieben. Gezielte Akquisitionen der vergangenen Jahre erlauben es Cummins, sich in dieser Bandreite aufzustellen.
Ihre Kernkompetenz ist nach wie vor der Dieselmotor inklusive entsprechender Nebenaggregate. Unter welchen Umständen hat der Dieselmotor im Lkw eine Zukunftsperspektive?
Betrachten wir den globalen Lkw-Markt, gibt es Wachstumsmärkte, die von einer kompletten Dekarbonisierung noch weit entfernt sind. Diese Märkte werden auch in den kommenden Jahren moderne und fortschrittliche Dieselmotoren benötigen. Genau hier werden wir mit unseren verbrauchsgünstigen Motoren unterstützen können. Die Effizienz und Ökonomie eines modernen Dieselmotors ist hervorragend. Auf der IAA-Transportation im vergangenen September konnten wir unser neues Motorenportfolio präsentieren. Die Aggregate können maßgeblich zur Reduktion von NOx und PM (Rußpartikel) beitragen.
„Wir begrüßen als Unternehmen die neuen, strengen Abgasvorschriften Euro-7, die gerade im EU-Parlament diskutiert werden. Gemeinsam mit der nahenden Veröffentlichung der CO2-Zielvorgaben im Schwerlastverkehr werden wir eine signifikante Reduktion der Emissionen erzielen“, so Hüttner.
Diese modernen Dieselmotoren bilden aber auch die Basis unserer Fuel-Agnostic-Motorenbaureihen, die mit unterschiedlichen Kraftstoffarten betrieben werden können. Somit ist auch ein Betrieb mit grünem Wasserstoff möglich, der einer vollständigen Dekarbonisierung sehr nahekommt. In Indien haben wir in diesem Jahr die Kooperation mit Tata-Motors im Bereich der Wasserstoff-Verbrennungsmotoren (B6.7H) bekanntgegeben.
Jens Hüttner ist seit 2021 bei der Cummins Deutschland GmbH Sales Director im On-Highway-Bereich. Zuvor war er bei verschiedenen Motorenherstellern in globalen Vertriebspositionen tätig. Hüttner vertritt das Unternehmen Cummins bei der Allianz Wasserstoffmotor, einem Zusammenschluss verschiedener Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen.
Wie sehen Sie den Einsatz von Biodiesel und hydriertem Pflanzenöl (HVO)? Es gibt ja durchaus Kritiker was die Verfügbarkeit und die Umweltbilanz angeht.
Cummins-Motoren sind heute schon für den Betrieb mit HVO (HVO100) und Biodiesel (B20) freigegeben. Wir betrachten dies als eine sinnvolle Ergänzung im Bereich der grünen Kraftstoffe. In Zukunft wird es eine Vielzahl verschiedener Antriebskonzepte, Kraftstoffe und Technologien geben, die jeweils auf ihren Anwendungsfall, den regionalen Besonderheiten und den Kosten optimiert werden. Dieser Diversifikation was den Antriebsstrang betrifft und den dazugehörigen Kraftstoffen tragen wir mit unserem Angebot Rechnung.
Interessant ist der Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Die Anpassungen an den Aggregaten sind überschaubar. Es sollte sich jedoch um ‚grünen‘ Wasserstoff handeln. Hinzu kommt die entsprechende Betankungs-Infrastruktur. Gibt es da nicht zu viele Abhängigkeiten?
In der Tat stellt die Wasserstoff-Infrastruktur im Moment global eine Herausforderung dar. Besonders in Europa sind wir aber auf einem guten Weg dieses Problem zu lösen und eine flächendeckende Betankungsinfrastruktur bereit zu stellen. Schon in wenigen Jahren werden wir ein Netzwerk von Wasserstofftankstellen haben, das es erlauben wird, ein Fahrzeug ohne Nutzungseinschränkung, mit schnellen Betankungszyklen, zu betreiben. Um ‚Netto-Null‘ zu erreichen, müssen alle Parteien zusammenarbeiten. Die Regierungen müssen Anreize für Null-Emissions-Lösungen schaffen, um deren Einführung zu fördern. Außerdem brauchen wir Investitionen für den Aufbau und die Dekarbonisierung der Infrastruktur, die für diese Null-Emissions-Lösungen erforderlich ist. Wir werden unsere Partnerschaften mit unseren Lieferanten, unseren Kunden und anderen Interessengruppen nutzen, um diesen Wandel herbeizuführen. Dafür bauen wir Kooperationen mit namhaften OEMs sowie Endkunden aus und tätigen erhebliche Investitionen mit Fokus auf neue Technologien und Infrastrukturen. Zu diesem Zweck ist Cummins im vergangenen Jahr der Allianz Wasserstoffmotor beigetreten.
„Ich sehe den Wasserstoffverbrenner komplementär zur Brennstoffzelle, beide Technologien werden im Markt benötigt.“
Gerade das Konzept des Wasserstoffverbrennungsmotor erfährt sehr viel Zuspruch von Flottenbetreibern und Endnutzern, weil es bestechend einfach und vergleichbar mit bestehenden Technologien ist. Dieses Momentum muss genutzt werden, um möglichst schnell diese Technologie in den Markt zu bringen, damit das Henne-Ei-Problem der Infrastruktur gelöst werden und der Transportsektor seinen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann. Insofern sehe ich den Wasserstoffverbrenner komplementär zur Brennstoffzelle, beide Technologien werden im Markt benötigt.
Cummins ist auch im Bereich batterieelektrische Antriebe und Brennstoffzellen aktiv. Wie sieht das Engagement konkret aus?
In den letzten zehn Jahren hat Cummins durch verschiedene Akquisitionen und Joint Ventures eine breite Expertise aufbauen können, welche den Weg zu null Emissionen unterstützt. Schon 2019 hat das Unternehmen Hydrogenics aus Kanada übernommen. Hydrogenics verfügt am deutschen Standort Herten über ein eigenes Werk in dem Brennstoffzellen in Serie gefertigt werden. Hier liegt das europäische Kompetenzzentrum für Brennstoffzellen von Cummins in Europa. Durch das seit 2020 bestehende Joint Venture mit der Firma NPROXX, erweitert Cummins zusätzlich sein Produktportfolio um Karbonfasertanks zur Speicherung und zum Transport von Wasserstoff bis 700 bar. Am Standort Milton Keynes in Großbritannien befindet sich zudem ein Batterieentwicklungszentrum von Cummins. Dort werden Batterielösungen für den Schwerlastverkehr sowie den Off-Highway-Bereich entwickelt.
Im August 2022 hat Cummins den Antriebstechnik-Spezialisten Meritor übernommen. Was versprechen Sie sich mit der Akquisition?
Die Akquisition von Meritor ist ein logischer Schritt in der Erweiterung des Produktportfolios im Lkw-Segment. Wir wollen unseren OEM-Kunden die Möglichkeit bieten, unterschiedliche Komponenten aus einer Hand zu erwerben. Gleichzeitig werden die Komponenten besser aufeinander abgestimmt, sodass die Effizienz des gesamten Antriebsstrangs weiter zunimmt.
Meritor ist hierfür der ideale Partner, da das Unternehmen über ein sehr gutes Portfolio an elektrifizierten Achsen verfügt und diese sich hervorragend mit Brennstoffzellen und Batterien in einem Antriebsstrang kombinieren lassen. Insgesamt zahlt die Meritor-Akquisition auf Cummins Destination-Zero-Strategie ein, indem es Schlüsselkomponenten dem Portfolio hinzufügt, die für eine Net-Zero-Zukunft benötigt werden.
Am Ende des Tages geht es den Nfz-Werkstätten um die professionelle Handhabung der neuen Antriebstechnik, aber auch um die Teileversorgung. In wieweit unterstützt Cummins zukünftig dahingehend die Betriebe?
Cummins ist der weltweit größte unabhängige Anbieter von Antriebslösungen, unter anderem für Nutzfahrzeuge. Dies geht einher mit einem leistungsfähigen After-Sales-Netzwerk und einer Ersatzteillogistik, die in jedem Winkel der Erde funktioniert. Alle Cummins-Motoren sind selbstverständlich mit neuesten Telematikdiensten und Diagnoseschnittstellen ausgestattet, um einen reibungslosen Serviceablauf zu gewährleisten. Diese Features unterstützen sowohl den Kunden wie auch die Nfz-Werkstätten dabei den Wartungsaufwand zu minimieren und Standzeiten zu reduzieren.
Geben Sie uns einen Ausblick auf das Jahr 2030. Wie wird aus Ihrer Sicht der optimale und vor allem realistische Antriebsmix für Nfz – was Deutschland und die EU angeht – aussehen?
Die europäische CO2-Richtlinie wird ganz konkrete Vorgaben machen, wie der Mix an Antriebstechnologien aussehen wird. Diese Vorgaben müssen von den OEMs eingehalten werden, da es anderenfalls zu Strafzahlungen kommt. Ich glaube wir werden im Jahr 2030 eine der modernsten Lkw-Flotten überhaupt auf unseren Straßen vorfinden. Der Anteil an ZEVs (Zero-Emission-Vehicles) wird sich signifikant erhöhen. Dies führt zu einem Innovationsschub in der gesamten Branche. Welche Antriebstechnologie am Ende die Nase vorne hat, wird der Markt entscheiden. Es gibt keine klaren Sieger, sondern ein stark auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmtes Kaufverhalten. Es ist spannend zu sehen, welche Signale vom Markt ausgesendet werden und inwiefern es eine Bereitschaft gibt, neue Technologien in die Flotten aufzunehmen. Cummins hat sich deshalb in allen strategischen Technologiefeldern und Schlüsselmärkten aufgestellt. Wir möchten jeweils die vom Markt nachgefragte Technologie anbieten können.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1-2023 der Krafthand-Truck.