MAN montiert im Logistikpark Dachau vollautomatisch Lkw-Reifen. Bilder: Georg Blenk
Rad/Reifen/Bremse

Wie an der Perlenkette: Die vollautomatische Reifenmontage bei MAN

MAN hat im hauseigenen Logistikpark im Münchner Norden eine hochmoderne Reifenmontagelinie installiert. Täglich werden in Dachau rund 1.200 Lkw-Reifen auf Felgen montiert. Die maximale Kapazität der Montageanlage liegt im Zweischichtbetrieb sogar bei rund 1.700 Rad-/Reifenkombinationen. Dabei läuft die Montage vollautomatisiert. Tatsächlich ist es eine technische Herausforderung, hat man es doch mit vielen unterschiedlichen Reifengrößen und Felgen zu tun. Lediglich das Einschlagen von Wuchtgewichten erfolgt nach dem ebenfalls vollautomatischen Wuchtvorgang bei Bedarf noch händisch.

Zwei Jahre Planungszeit, schneller Hochlauf

Roboter montieren vollautomatisch und beschädigungsfrei die Reifen. Dabei spielt die korrekte Montagegeschwindigkeit eine entscheidende Rolle.

Zwei Jahre Planungszeit gingen der Installation der Montagestraße 2018 voraus. Bis zu 2.000 verschiedene Rad-/Reifenkombinationen mussten berücksichtigt werden. Mit im Team waren MAN-Projektmanager Sven Banhagel und der externe Reifenexperte Michael Immler. „Bei der Montage wirken je nach Reifen/Felge immer unterschiedliche Kräfte. Das mussten wir berücksichtigen um die Anlage ausfallsicher zu machen“, so Banhagel. Nachdem die komplexen Planungen abgeschlossen waren, folgte die Installation der Fertigungsstraße von BEP Europe, die Industrieroboter stammen von Fanuc. „Dies dauerte rund ein halbes Jahr“, berichtete Christoph Gillitzer, Head of Logistics Solutions bei MAN am Standort Dachau. „Der Hochlauf selbst musste dann in kürzester Zeit (von September bis Dezember 2018) abgeschlossen werden. Der Vertrag mit unserem externen Dienstleister, der bisher die Reifenmontage bewerkstelligte, lief aus.“

Die Montagevorbereitung

Die Einsteuerung der Reifen in die Montagelinie sowie Zuordnung, erfolgt über die DOT-Nummer oder über RFID-Chips.

Die Montagevorbereitung folgt einem ausgeklügelten Prozess. Logistiker sprechen gleichsam vom Perlenketten-Prinzip. Die Reifen werden sortenrein ins Lager geliefert und zeitnah dem Montageprozess zugeführt. So minimiert MAN die Lagerhaltung und sorgt für einen permanenten Durchlauf. Gleich zu Beginn kommen die ersten Roboter zum Einsatz, die sich einzelne Reifen greifen. Die Eingangserkennung läuft über die DOT-Nummer oder einen bereits im Reifen eingebrachten RFID-Chip. Jeder Pneu ist jetzt bereits einem Lkw, einer bestimmten Felge und der jeweiligen Achse zugeordnet. „Ziel ist es komplett auf RFID-Kennung umzustellen, jedoch nicht jeder Reifenhersteller bietet momentan durchgängig die Technologie an“, so Banhagel. Nach der Reifeneingangserkennung gelangen die Pneus via Fließband in eine Pufferzone und dann in die Montagehalle, in der sie dem eigentlichen Montageprozess zugeführt werden. Hier warten bereits die zugeordneten Felgen. Sie werden ebenfalls vollautomatisch mittels Eingangserkennung auf die korrekte Größe und Ausführung hin geprüft. Die Ventile sind bereits eingeschraubt, die Montage des RDKS-Sensors erfolgt mit definiertem Drehmoment in einem weiteren Schritt.

Die Hochzeit

Auch bei der Reifenmontage spricht man von Hochzeit, der richtige Reifen wird auf die richtige Felge montiert. Dafür sorgen drei Roboter, die sich die richtigen Reifen und Felgen greifen. Der Montagevorgang (der Reifen wird ins Tiefbett gedrückt) wird ebenfalls vollautomatisch von Robotern erledigt.

Führten durch die Montagehallen (v.l.n.r.): Michael Immler, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Vulkaniseur u. Reifenmechaniker, Christoph Gillitzer, Head of Logistics Solutions und Sven Banhagel, Mitarbeiter Logistics Solutions, Planning, Projects im MAN-Logistikzentrum.

„Der Prozess folgt einer voreingestellten Routine und definierten Rahmenbedingungen. In der Halle hat es immer 20°C, je nach Rad-/Reifenkombination müssen die Montagekräfte sowie die Montagegeschwindigkeit exakt stimmen“, erklärt Michael Immler. Vorher wird, wie bei der manuellen Montage, ein geeignetes Schmiermittel aufgebracht. Auch hier ist die Menge exakt definiert. „Die Montage erfolgt komplett ausfall- und beschädigungsfrei. Der Prozess ist stets reproduzierbar. Es ist keine Falschmontage möglich. Sollten doch einmal die Montagekräfte außerhalb des definierten Fensters liegen (sie werden permanent von Sensoren gemessen), was jedoch faktisch kaum vorkommt, schaltet die Anlage ab“, ergänzt Banhagel. „Dann justieren wir nach.“

Befüllung und RDKS-Station

Die Befüllung mit Luft erfolgt mit Hilfe einer Luftglocke, die mit einem Reifendichtring ausgestattet ist. „Müssten wir jeden einzelnen Reifen über das Ventil befüllen, würde das viel zu lange dauern. Mit der Befüllglocke bringen wir die rund neun bar (mit entsprechendem Überdruck) in Sekunden ein. Der Pneu dichtet sofort über die Wulst ab. Auch bei diesem Prozess ist der notwendige Luftdruck individuell auf die Rad-/Reifenkombination abgestimmt“, erklärt Christoph Gillitzer. Der korrekte Sitz des Reifen wird im Nachgang, ebenfalls automatisch, mit Umlauf-Niederdrückern sichergestellt. Nun erfolgt an einer weiteren Station das Anlernen des RDKS-Sensors an das jeweilige Fahrzeug, ebenfalls vollautomatisch.

Wuchten und Ausliefern

Zuletzt erfolgt das Wuchten der Räder an der automatischen Auswuchtstation. Lediglich das Einschlagen von Wuchtgewichten erfolgt bei Bedarf noch von einem Mitarbeiter. Nach erfolgreicher Prüfung und dem ‚OK‘ der Anlage erfolgt die Auslieferung. Lkw-individuell werden die Reifenpakete gebündelt, entsprechend verladen und zu den Produktionsstätten von MAN nach München oder Salzgitter verbracht. Dort werden sie ‚just-in-sequence‘ auf das jeweilige Fahrzeug montiert.

Weiterentwicklung und Schulung

„Wir sind stolz auf unsere hochmoderne Montagelinie hier am Standort“, ergänzt Christoph Gillitzer. „Wir werden jedoch in einer weiteren Evolutionsstufe noch Dinge verbessern. So ist beispielsweise die vollständige Umstellung auf die RFID-Erkennung ein Thema.“ Im Übrigen: Um die Belegschaft auf Stand zu halten, führt Michael Immler einmal jährlich Mitarbeiterschulungen durch. Auch sonst ist er öfter vor Ort und unterstützt das Team um Sven Banhagel. „Die Reifenmontage wird immer anspruchsvoller. Zum Beispiel werden die Reifenflanken steifer, was höhere Montagekräfte nach sich zieht. Auch die Rad-/Reifenkombinationen gestalten sich immer vielfältiger“, so Immler. Perspektivisch dürften also noch mehr und kompliziertere Montagevorgänge auf die Lkw-Reifenprofis zukommen. Mit der Anlage sicher kein Problem.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3-2023 der Krafthand-Truck.