Vom Prüfstand auf die Straße: Keyou rüstet Dieselmotoren auf Wasserstoff um
Die Umstellung auf alternative Antriebe und die deutliche Reduzierung der Schadstoffemissionen sind eine der größten Herausforderungen im Nutzfahrzeugsektor. Die Lkw-Hersteller forcieren deshalb die Entwicklung von batterieelektrischen Zugmaschinen (BEV) sowie von Fahrzeugen mit Brennstoffzelle (FCEV). Das macht Sinn, doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Der Einsatz von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren. Die Aggregate sind verfügbar, alltagstauglich, umweltfreundlich und wirtschaftlich. Bestands-Lkw können um-, neue Fahrzeuge mit H2-Motoren ausgerüstet werden. Krafthand-Truck hat sich beim Münchner Spezialisten für Wasserstoff-Verbrennungsmotoren Keyou und CEO Thomas Korn zur Technik und den Potenzialen erkundigt.
Herr Korn, der Wasserstoff-Verbrennungsmotor gilt als wirtschaftliche und umweltfreundliche Alternative zum Dieselmotor. Wie sehen die Einsparpotenziale aus?
In der Betrachtung der Gesamtkosten profitieren Fahrzeuge mit Wasserstoffmotor von der vorhandenen und ausgereiften Produktinfrastruktur und den etablierter Lieferketten, die aufgrund der Unabhängigkeit von seltenen oder teuren Rohstoffen sehr stabil sind. Die KEYOU-Inside-H2-Technologie bietet einen betriebswirtschaftlichen Lösungsansatz, um Schadstoffe und das Klimagas CO2 kostengünstig und ohne Nutzungseinschränkungen effizient zu vermeiden. Und: Fahrzeuge mit Wasserstoffmotoren können Dieselfahrzeuge am schnellsten ersetzen.
Die erste Plattform des Keyou-Wasserstoffmotors ist ein Deutz-Motor. Wie hoch ist der technische Aufwand, den Motor auf die Einblasung von gasförmigem Wasserstoff umzustellen?
Unsere Keyou-Inside-Technologie wird mit dem Ziel entwickelt, den Änderungsaufwand zur Anpassung von Dieselmotor-Plattformen auf ein Minimum zu reduzieren und gleichzeitig maximale Performance zu erzielen. Was die Deutz-Motorplattform betrifft, konnten wir die Auflösung des Zielkonflikts bereits 2018 das erste Mal zeigen. Die Umrüstung auf Basis weiterer Dieselmotor-Plattformen (andere/weitere Hersteller) ist aktuell in Arbeit.
Sie integrieren in den H2-Motor eine spezielle Zünd- und Kraftstoffanlage sowie einen speziellen Wasserstoff-SCR-Kat?
Ja, denn die sehr speziellen Brenneigenschaften des kohlenstofffreien Kraftstoffs Wasserstoff müssen bei der Entwicklung der Motorkomponenten berücksichtigt werden. Nur dann können wir das Potenzial von Wasserstoffmotoren hinsichtlich hoher Leistung und Wirkungsgrad bei nahezu stickoxidfreiem Betrieb realisieren.
Inwieweit müssen Systemkomponenten, wie der Turbolader oder die Abgasrückführung, angepasst werden?
Der unterschiedlichen Verbrennungsenthalpie von Wasserstoffmotoren muss auch bei der Anpassung und Entwicklung von Auflade-Technologien Rechnung getragen werden. Die intelligente AGR-Steuerung nimmt im Keyou-System eine Schlüsselrolle ein und erlaubt hohe Mitteldrücke ohne Verbrennungsanomalien. Im Übrigen betrifft dies auch die Motorsteuerung, sie ist für das KEYOU-Inside-System elementar.
Wie sieht es mit der Reichweite und der Leistungsentfaltung der H2-Motore aus?
Wasserstofffahrzeuge punkten im Vergleich zu Elektrofahrzeugen mit deutlich höheren Reichweiten. Fahrzeuge mit Wasserstoffmotoren haben einen 5- bis 10-prozentigen höheren Kraftstoffverbrauch als Brennstoffzellenfahrzeuge, benötigen aber keine Pufferbatterien und können den benötigten Bauraum für zusätzliche Wasserstoffspeicher nutzen. Die H2-Motoren zeichnen sich ebenfalls durch höhere, spezifische Leistungsdichten aus. Im Übrigen: Die Dauerhaltbarkeit sowie die Serviceaufwendungen sind vergleichbar mit Dieselfahrzeugen. Das Serive-Personal muss – ähnlich wie bei bei bei Erdgasfahrzeugen – speziell geschult werden.
Es existieren aktuell zwei Prototypenfahrzeuge mit der Keyou-Technologie. Sie rüsten die Fahrzeuge um?
Ja, wir entwickeln eine Umrüsttechnologie für Dieselmotor- und Fahrzeugplattformen, sind aber kein Motor- oder Fahrzeughersteller. Wir können Neumotoren auf Dieselbasismotoren aufbauen, unterstützen somit den OEM bei der Entwicklung von Wasserstoffmotoren. Das größte Potenzial sehen wir aber bei der Umrüstung von Bestandsflotten von Dieselfahrzeugen. Es können aber auch Neumotoren auf Basis von Dieselgrundmotoren für Märkte angeboten werden, in denen Motorhersteller noch keine Wasserstoffmotoren anbieten. Die Entwicklung des Keyou-Inside-Systems für drei Motorplattformen ist 2024 abgeschlossen.
H2-Motoren: Großes Potenzial
Die Anzahl der Lkw die sich 2021 alleine auf Deutschlands Straßen bewegten, belief sich laut Kraftfahrt-Bundesamt auf rund 3,4 Millionen Fahrzeuge. Davon verfügten rund 3,2 Millionen über einen Dieselmotor. Etwa 148.900 der Lkw waren mit Benzin betrieben, über einen alternativen Antrieb verfügten nur etwa 65.200. Der Straßengüterverkehr ist damit zu rund einem Viertel für die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor in Deutschland verantwortlich.
Aus Überschussstrom, Wind-, Biogas- und Sonnenkraftanlagen sowie als Nebenprodukt der Industrie stehen laut Keyou in Deutschland theoretisch rund 2 Milliarden Kilogramm Wasserstoff zur Verfügung. Mit dieser Menge könnten rund 400.000 Busse und Lkws betrieben werden. Ausgestattet mit der ‚Keyou-Inside-H2-Technologie wäre so eine jährliche Entlastung der Umwelt um rund 25 Millionen Tonnen CO2 möglich.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1/2022 der Krafthand-Truck.