Vollcalcium-Batterie richtig laden
Nicht nur die Elektronik moderner Nutzfahrzeuge wird immer komplexer. Selbst bislang simple Komponenten wie die Starterbatterie verlangen vom Werkstattfachmann zunehmend mehr Know-how. Beispielsweise, wenn es darum geht, Vollcalcium-Batterien ‚artgerecht‘ zu laden. Worauf zu achten ist, hat KRAFTHAND-Truck bei den Spezialisten des österreichischen Batterieherstellers Banner im oberösterreichischen Linz erfahren.
Über Jahrzehnte war die Starterbatterie für den Werkstattfachmann lediglich ein ‚schwarzer Würfel‘, der hin und wieder beim Service nach destilliertem Wasser verlangte, um seine Funktionsfähigkeit zu erhalten. Bei Startproblemen waren ein Belastungstest inklusive Säuredichtemessung die Mittel der Wahl, von denen sich der Kfz-Profi eine mehr oder weniger zuverlässige Auskunft darüber erhoffte, wie es um die Gesundheit des maladen Energieblocks bestellt war – oder ob er diesen nicht gleich besser ersetzen sollte.
Dieses Prozedere hat sich bis heute nicht wesentlich verändert, wenngleich es mittlerweile moderne Testgeräte gibt, die ‚batterieschonend‘ innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis liefern. Doch wie schon damals, so kommt es auch heute immer noch vor, dass eine als ‚gesund‘ diagnostizierte Batterie kurz nach dem Check dennoch ‚stirbt‘.
Stolperstein Säureschichtung
Viele Starterbatterien versagen vorzeitig ihren Dienst, weil sie der Generator aufgrund eines ungünstigen Einsatzprofils während des Betriebs nicht ausreichend mit Energie versorgen kann. Insbesondere bei extremem Kurzstreckenbetrieb und/oder langen Stillstandszeiten kann die Energiebilanz der Batterie kippen und es zu einer Tiefentladung kommen, welche den Energiewürfel dauerhaft schädigt. Die Fachleute von Banner empfehlen, in den Stillstandszeiten des Fahrzeugs den Stromspeicher regelmäßig prophylaktisch mit einem geeigneten Ladegerät nachzuladen. ‚Geeignet‘ bedeutet, dass der Lader die für den jeweiligen Batterietyp charakteristische Ladespannung liefern kann.
Moderne Blei-Säure-Batterien, zu denen auch die Vollcalcium-Typen gehören, überraschen bisweilen Fahrer und Werkstatt-Profis gleichermaßen mit einem vorzeitigen Ausfall. Verantwortlich hierfür ist laut Banner häufig eine Sulfatierung der aktiven Masse aufgrund einer Säureschichtung. „Das Phänomen der Säureschichtung tritt hauptsächlich auf, wenn die Batterie entweder stark zyklisch belastet wird, oder mit einer zu geringen Spannung geladen wird – etwa nach einer Tiefentladung, wenn der Fahrer das Licht hat brennen lassen“, so die österreichischen Batterieexperten.
Denen zufolge bilden sich aufgrund einer unzureichenden Durchmischung des Elektrolyts in den Zellen Schichten mit unterschiedlichen Säuredichten: Säure mit niedriger Dichte (z.B. 1,20 kg/l) dringt an die Batterie-Oberseite, Säure mit sehr hoher Dichte (z.B. 1,34 kg/l) indes lagert sich am Boden ab. Eine nicht geschichtete, vollgeladene Vollcalcium-Batterie dagegen weist eine gleichmäßige Säuredichte von ca. 1,285 kg/l auf, was laut Banner einer Ruhespannung von etwa 12,75 Volt entspricht.
Wird Energie abgezapft, sinkt die Säuredichte und sowohl die positive als auch die negative Masse verwandeln sich zu Bleisulfat. Beim Ladevorgang wandelt sich die positive Platte zurück zu Bleidioxid, die negative zu Blei. Dabei bildet sich hochkonzentrierte Schwefelsäure mit einer Säuredichte von etwa 1,80 kg/l. Aufgrund von Gravitation lagert sie sich am Boden ab und vermischt sich nur sehr wenig mit der in der Zelle ebenfalls vorhanden, verdünnten Säure (siehe Grafik nebenan).
Wirkt die hochkonzentrierte Säure am Boden (Säule ganz rechts) über längere Zeit, schädigt dies die Aktivmassen dauerhaft. Insbesondere die negative Masse sulfatiert stark und bildet mit der Zeit grobkristallines Bleisulfat, welches zu einem irreversiblen Strukturverlust der Masse führt. „Diese groben Bleisulfat-Kristalle im unteren Bereich der Platte sind nur noch schwer löslich, was das Laden erschwert. Ein Nachladen findet quasi nur noch im oberen, nicht sulfatierten Teil der Platte statt, sodass die Batterie ihre ursprüngliche Kapazität und Kaltstartfähigkeit nicht mehr vollständig erreicht“, erläutern die Batteriespezialisten.
Fehlerbild nur schwer erkennbar
Eine Säureschichtung lässt sich laut Banner daran erkennen, dass die gemessene Ruhespannung nicht mit der gemessenen Säuredichte übereinstimmt. Als Faustformel gilt demnach (Säuredichte + 0,84) x 6 = Ruhespannung. „Die Ruhespannung zeigt immer die Spannung bezogen auf die höchste Säuredichte an. Man nimmt dadurch an, dass die Batterie ausreichend geladen ist“, erläutern die Fachleute. „Beim Messen der Säuredichte würde man feststellen, dass die Konzentration oben deutlich geringer ist als unten. Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Säureschichtung vorliegt. Allerdings lässt sich dies nur noch bei einer Batterie mit Schraubdeckel ermitteln“, so die Experten weiter.
„Für die meisten elektronischen Schnell tester ist das Fehlerbild ‚Säureschichtung‘ ebenfalls nur schwer erkennbar. Meist weisen solche Testtools eine hohe Spannung bei etwas reduzierter Kaltstartleistung aus. Ein traditioneller Belastungstest dagegen würde eine geringe Kapazität ergeben“, so die Experten. Fatal wirke sich das ‚Phänomen Säureschichtung‘ insbesondere bei Lager-Batterien aus, denn eine Säureschichtungtäusche bei diesen eine vermeintliche Vollladung vor, was jedoch später im Fahrzeug zu Startproblemen führen könne.
Laut Banner lassen sich geschichtete Batterien in den meisten Fällen wieder in den vollen Ladezustand bringen – vorausgesetzt, die aktive Masse ist noch nicht durch Sulfatierung geschädigt und das Ladegerät bringt die batteriespezifische Ladespannung. Im Gegensatz zu herkömmlichen Blei-Säure-Ausführungen, deren eine Ladespannung (Gasungsspannung) zwischen 14,2 und 14,4 Volt genügt, verlangen Vollcalcium-Typen für eine optimale Ladung 14,8 Volt.
Richtig laden
Wichtig ist den Fachleuten zufolge, eine geschichtete Batterie über einen Zeitraum von rund 24 Stunden mit einer erhöhten Spannung von 15,8 bis 16,0 Volt bei einer Umgebungstemperatur von mindestens 15 Grad Celsius zu laden. Der Ladestrom sollte dabei mindestens 1/10 der Nennkapazität betragen. „Die hohe Ladespannung erzeugt ein Mindestmaß an Gasentwicklung, denn die aufsteigenden Gasblasen durchmischen den Elektrolyten und lösen dadurch die Säureschichtung auf, sodass man anschließend ‚normal‘ weiterladen kann“, so die Linzer Batterieexperten.
Die ‚richtige‘ Ladespannung ist auch im Fahrzeugbordnetz essenziell. Wurde beispielsweise eine herkömmliche Blei-Säure-Batterie gegen eine Voll-Calcium-Type getauscht, muss auch die Reglerspannung des Generators an die höhere Gasungsspannung (14,8 Volt) dieser Spezies angepasst werden. Üblicherweise lässt sich dies mit einem Diagnosetester erledigen. „Wer das Anpassen unterlässt, riskiert dass die Batterie während der Fahrt nur ungenügend nachgeladen wird und es insbesondere bei einer starken zyklischen Beanspruchung zu einem vorzeitigen Ausfall durch Säureschichtung und Lademangel kommt. Kommt dann auch noch eine Tiefentladung dazu, lässt sich die Batterie nie mehr ordnungsgemäß vollladen“, warnen die Linzer Batteriefachleute.
Literatur zum Thema
Das Fachbuch ‚Grundlagen der Fahrzeugelektrik‘ von Martin Frei finden Sie im Krafthand-Shop.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1/20 der Krafthand-Truck.