Umstellung auf das Kältemittel R1234yf
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Waeco

Cool-Change: Die Umstellung auf das Kältemittel R1234yf nimmt Fahrt auf

Was im Pkw-Bereich bei Neufahrzeugen seit dem 1.1.2017 vorgeschrieben ist, hält jetzt auch Einzug in Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen. Die Rede ist vom Kältemittel R1234yf. Es verfügt über ein weitaus günstigeres Treibhauspotenzial. Obwohl gesetzlich nicht verpflichtet, stellen Lkw-Hersteller wie Volvo um und liefern in Kürze Fahrzeuge mit R1234yf-Klimaanlage aus. Weitere dürften folgen. So ist Mercedes-Benz Trucks bis auf Weiteres mit dem Klima-Kältemittel R134a unterwegs, prüft jedoch einem Unternehmenssprecher zufolge, intensiv eine mögliche Umstellung auf R1234yf. Wir haben mit Guido Sasse, Head of Workshop Equipment EMEA bei Dometic, über das neue Kältemittel und die Implikationen für Nfz-Werkstätten gesprochen.

Herr Sasse, das Kältemittel R1234yf kommt jetzt schrittweise auch im Lkw-Bereich zum Einsatz. Geschieht dies aus der Not heraus?

Bedingt durch das sogenannte ‚Phase out Szenario‘ der Europäischen Kommission wird die Verfügbarkeit des ‚alten‘ Kältemittels R134a bewusst reduziert. Auch wenn die Verordnung nur für die Fahrzeugkategorien N1 und M1 gelten, also nicht für Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen, so sind Lkw und Busse auch indirekt von der ‚künstlichen Verknappung‘ betroffen. Um bei den betreffenden Fahrzeugen die Produktionssicherheit zu gewährleisten, stellen auch die Lkw-Hersteller nun nach und nach auf Kältemittel 1234yf um. Die Nfz-Werkstätten müssen sich darauf einstellen.

Was ist beim Umgang mit dem Kältemittel R1234yf in der Nfz-Werkstatt zu beachten?

Man muss wissen, dass R1234yf ein sogenanntes A2L-Kältemittel ist (R134a = A1). Die Grenze der Selbstentzündung ist niedriger, R1234yf kann sich bei einem hohen Sättigungsgrad bereits bei einer Temperatur von 405 Grad entzünden (R134a bei 743 Grad). Dieser Umstand zieht entsprechende Sicherheitsmaßnahmen sowohl in der Fahrzeugentwicklung als auch in der Entwicklung von Klimaservicegeräten nach sich. Häufig beschreiben Fahrzeughersteller in ihrer Literatur, dass ein Absaug- und Füllprozess nur bei kaltem Motor durchzuführen ist. Entsprechende Leitungen im Motorraum werden isoliert und mit einem gewissen Abstand von heißen Motorkomponenten verlegt. Wir als Hersteller von Klimaservicegeräten sind angehalten, beispielsweise jegliche Zündquellen innerhalb eines R1234yf-Klimaservicegeräts zu vermeiden, technisch kein Problem.

Guido Sasse, Head of Workshop Equipment EMEA bei Dometic
„Die Nfz-Werkstätten werden noch lange Zeit mit dem Kältemittel R134a zu tun haben“, so Guido Sasse. Bild: Dometic Germany GmbH

Was unterscheidet ein Klimaservicegerät für R1234yf von einem für R134a?

Allgemein ist beim Kauf eines Klimaservicegerätes, das man für R1234yf-Klimaanlagen nutzen will, darauf zu achten, dass das Gerät für diese Anwendung tatsächlich auch zugelassen ist. Es gelten spezielle Vorgaben, die Geräte müssen eindeutig gekennzeichnet sein, um versehentliche Verwechslungen zu vermeiden. Die Serviceanschlüsse unterscheiden sich ebenfalls. Das ist quasi als mechanische Verwechslungssperre gedacht. Das Anschließen eines R134a-Klimaservicegerätes an eine R1234yf-Anlage soll damit verhindert werden – und umgekehrt. Zusätzlich werden spezielle Kompressor-Öle und UV-Additive benötigt. Abgesehen davon, lässt sich grundsätzlich sagen, dass die Ablaufprozesse im Rahmen eines Klimaservices weitestgehend identisch sind. Wir haben in unseren R1234yf-Geräten jedoch als extra Sicherheitsmerkmal das ‚Pre-Filling‘ vorgeschaltet. Das bedeutet, es werden zunächst nur zirka zehn Prozent der Originalfüllmenge eingefüllt, um festzustellen, dass zum Beispiel nach einer Reparatur, wirklich alle Schraub- und Leitungsverbindungen ordnungsgemäß festgezogen wurden. So vermeiden wir, dass ungewollt (teures) Kältemittel R1234yf ausströmen kann.

Müssen Lkw-Werkstätten künftig zwei Klimaservicegeräte vorhalten?

Wir empfehlen auf jeden Fall ein separates Klimaservicegerät für R1234yf. Erstens ergeben sich durch ein Dualsystem in einem Gerät bauartbedingte Nachteile, die die Nutzbarkeit einschränken: Sie können zum Beispiel immer nur an einem Fahrzeug arbeiten. Und falls die R1234yf-„Seite“ einmal in Reparatur sein sollte, steht Ihnen auch die Funktion für R134a nicht zur Verfügung. Zweitens kann die sortenreine Arbeit erschwert sein. Im Übrigen darf man die Umstellung nicht mit der früheren Umstellung von R12 auf R134a gleichsetzen. R12 wurde seinerzeit klar verboten. Das ist bei R134a keineswegs der Fall. Die Nfz-Werkstätten werden noch lange Zeit parallel auch an Fahrzeugen mit R134a arbeiten. Dementsprechend ist die Weiterentwicklung von R134a-Geräten auf unserer Seite auch noch nicht abgeschlossen.

Wie bekomme ich das Thema Kältemittelverlust (bei R134a und bei R1234yf) in den Griff?

Die Fahrzeug-Industrie hat da schon umfänglich vorgearbeitet und das Auftreten von Vibrationsleckagen, die früher zum Beispiel durch Schraubverbindungen verursacht wurden, deutlich verbessert. Aus unserer Sicht sind jetzt die Gerätehersteller am Zug, umweltfreundliche und dem neuen Kältemittel angepasste Konzepte zu entwickeln, um Serviceemissionen zu verhindern.

‚WAECO Low-Emission-Concept‘
Mit dem ‚WAECO Low-Emission-Concept‘ möchte Dometic sicherstellen, dass im Rahmen des Absaugprozesses kein Kältemittel mehr verloren geht. Bild: Dometic Germany GmbH

Dometic hat bereits frühzeitig mit der Entwicklung der Waeco Low-Emission Technologie gestartet. Diese ist für beide Kältemittel erhältlich und bietet mit Blick auf die Kältemittel-Ressourcen den Vorteil der Nachhaltigkeit. Das bedeutet im Werkstattbetrieb gleichzeitig Kostenersparnis. Gerade bei R134a ist der Umweltaspekt sehr wichtig. Wir haben von neutraler Stelle den Nachweis erhalten, dass die Waeco Low-Emission Technologie im Rahmen des Absaugprozesses praktisch kein Kältemittel an die Umwelt verliert. Andere Geräte verlieren teils erhebliche Mengen Kältemittel durch die offene Seite der Vakuumpumpe und über den Altölablass. Nun ist das entweichende Kältemittel hier bei weitem nicht so ozonschädigend. Hier müssen die Serviceemissionen trotzdem möglichst niedrig gehalten werden, um die im erweiterten Sicherheitsdatenblatt vorgeschriebenen maximalen Arbeitsplatzkonzentration nicht zu überschreiten. Diese ist dauerhaft mit nicht mehr als 900 mg/m³ angegeben. Jeder Werkstattbetreiber muss eine entsprechende Risikobewertung seines Betriebes durchführen.

Was muss ich bei der Lagerung des Kältemittels beachten?

Die Kältemittelflaschen dürfen nicht der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden. Die wenigsten Betreiber von Nfz-Werkstätten wissen, dass dies auch für vermeintlich leere Behältnisse gilt. Es bleibt jedoch immer eine gewisse Restmenge enthalten. Zusätzlich können sehr hohe Temperaturen unter Umständen die Eigenschaften des Kältemittels beeinflussen. Eine sachgemäße Lagerung der Pfandflaschen ist also dringend geboten.

Herr Sasse, haben Sie vielen Dank!

Die Fragen stellte Georg Blenk.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1-2/21 der Krafthand-Truck.