Scheibenbremsen gelten beim Trailerbau als erste Wahl. Trommelbremsen spielen in ausgewählten Einsatzbereichen jedoch ihre Vorteile aus. Bild: Georg Blenk
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Trailer-Bremsen: Scheibe oder Trommel?

Die Scheibenbremse gilt im Trailerbau als die der Trommelbremse überlegene Technologie. Ein Marktanteil von rund 80 Prozent in Europa zugunsten der Scheibenbremse stützt die Behauptung. „Doch regional gibt es immer noch Unterschiede“, weiß BPW Produktmanager Thorsten Grahl. So gilt England als ‚Trommelbremsen-Land‘, während Ost- aber auch Südeuropa zunehmend auf Trailer mit Scheibenbremsen setzen. Ist die Trommelbremse nur eine Marotte der Engländer? Nein, nach wie vor gibt es dem Experten von BPW zufolge gute Gründe, bei der Anschaffung eines Trailers auch die Ausstattung mit Trommelbremse in die Überlegungen einzubeziehen.

Robustes System bringt Vorteile

Die Trommelbremse ECO Drum von BPW ist robust und servicefreundlich, was sich positiv auf die Kosten über den gesamten Lebenszyklus hinweg auswirkt. Bild: BPW

Die Trommelbremse spielt überall dort ihre Stärken aus, wo ein robustes System vorteilhaft ist. Bauartbedingt sind die Bremskomponenten in der geschlossenen Trommel (inklusive Abdichtsystem) versteckt, was sie vor Schlamm, Staub und anderem Schmutz schützt. „Für Fahrzeuge, die überwiegend auf Baustellen oder abseits befestigter Straßen unterwegs sind (Kippsattel und -anhänger oder Tieflader), macht es Sinn, sie mit trommelgebremsten Achsen auszurüsten“, so Grahl. Das gelte umso mehr, wenn die Trailer nur zu bestimmten Zeiten eingesetzt werden und lange stillstehen. Der Grund: Die Bremsbeläge von Scheibenbremsen drohen bei zu geringer Beanspruchung und während langer Stillstandzeiten zu verglasen. Zudem kann die Bremsscheibe mit der Zeit Rost ansetzen, da sie Wind und Wetter ausgesetzt ist. Das kann abgesehen von Baufahrzeugen auch bei Trailern der Fall sein, die für land- und forstwirtschaftlicher Transporte eingesetzt werden. Tatsächlich wurde Verglasung und Rost auch bei Aufliegern beobachtet, die im multimodalen Verkehr zum Einsatz kommen. Sie legen weite Strecken auf der Schiene oder dem Schiff zurück, nur kurze Strecken auf der eigenen Achse.

Eine Trommelbremse verzeiht Einiges

Eine Trommelbremse erweist sie sich oftmals auch gegenüber mäßiger Pflege als widerstandsfähig. Der Grund ist ebenfalls die hohe Robustheit. Und: „Kommt ein Auflieger in Verbindung mit wechselnden Zugmaschinen zum Einsatz oder solchen, die ebenfalls eine Trommelbremse haben, so zeigt sie sich als die besser geeignete Variante. Die Scheibenbremse dagegen erfordert eine gute Zugabstimmung, damit der Trailer im Lastzug nicht überbremst. Das würde zu einem ungleichmäßigen Verschleiß an den Bremsbelägen führen und die Reibpaarung würde folglich nicht das theoretische Maximum an Lebenszeit erreichen“, erklärt Grahl.

Scheibenbremse ist erste Wahl im Standard-On-Road Einsatz

Die BPW Scheibenbremse ECO Disc TS2: Ihr ‚Compact Design‘ reduziert das Achsgewicht, und macht die Demontage des Bremssattels beim Scheibenwechsel überflüssig. Bild: BPW

Befestigte Straßen sind dagegen laut Grahl die natürliche Umgebung für Trailer mit Scheibenbremsen. Nachdem sich diese Technologie im On-Road-Einsatz zunächst im Truck durchgesetzt hat, ist sie heute auch im Trailer Standard. Ist die Abstimmung mit der Zugmaschine gut, berichten Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer häufig von einer besseren Bremsperformance. Grund dafür ist auch das andere Konstruktionsprinzip der Scheibenbremse, welches bei sehr starker Beanspruchung in der Bremswirkung weniger anfällig auf Überhitzung reagiert. „Ein Fading wie es bei der Trommelbremse der Fall ist, gibt es hier nicht“, so Grahl. In Kombination mit den anderen Vorteilen sind der internationale Fern- und der innerstädtische Verkehr in der Regel eine Domäne der Scheibenbremse.

Für die Scheibenbremse spricht ein weiterer Vorteil: Ihr geringeres Gewicht. Bei BPW bietet beispielsweise die ECO Disc (TS2 4309, ET 120) im Dreiachs-Aggregat gegenüber der Trommelbremse einen Gewichtsvorteil von dreißig Kilogramm. Bei der ECO Disc TS2 3709 mit Einpresstiefe 0 sind laut Grahl sogar bis zu 90 Kilogramm mehr Nutzlast drin. Somit ist die Scheibenbremse ideal für Transporte, bei denen jedes Kilogramm Nutzlast zählt, etwa für Tank-Silo-, aber auch für Coil-, Papier- und Getränketransporte.

Preise und der Betriebskosten

„Die Entscheidung für oder gegen ein Bremssystem ist individuell abhängig von mehreren Faktoren, wie den Standzeiten der Verschleißteile, den Ersatzteilpreisen, der Haltedauer des Fahrzeugs und ob man beispielweise eine eigene Werkstatt hat oder auf Fremdwerkstätten angewiesen ist“, so BPW Produktmanager Thorsten Grahl. Bild: BPW

Nicht zuletzt hängt die Entscheidung pro oder kontra Scheibenbremse laut Grahl auch vom Preis ab. Dabei spielen viele Flotten-individuellen Bedingungen eine Rolle. „Bei der Anschaffung müssen zwischen Scheiben- und Trommelbremse keine großen Preisunterschiede liegen. Ob das allerdings tatsächlich der Fall ist, hängt maßgeblich von der Preispolitik des jeweiligen Fahrzeugherstellers ab“, so Grahl. Ähnliches gilt für den Preis von Verschleiß- und Ersatzteilen. Auch hier spielt die individuelle Preispolitik der Trailer-Hersteller oder der Anbieter des freien Teilehandels eine Rolle. Flotten mit eigenem Servicebetrieb profitieren von einer hohen Transparenz, während alle anderen auf die Informationen der Werkstätten angewiesen sind.
Zudem ist der Wartungsaufwand bei Scheibenbremsen häufig geringer, da wesentliche Verschleißteile durch die offene Bauweise leicht zugänglich sind und der Tausch somit theoretisch weniger Arbeitszeit beansprucht. Kommt es jedoch zu einem größeren Schaden und muss der Bremssattel getauscht werden, sind die Wartungskosten schnell deutlich höher als bei der Trommelbremse. Bei BPW hat man deshalb die Service- und Reparaturfreundlichkeit beider Bremstechnologien erhöht. Durch das patentierte ECO-Prinzip ist eine schnelle Demontage und Montage über eine zentrale Achsmutter möglich. Beide Varianten punkten durch einen zeitsparenden Wechsel von Scheibe, Trommel und Belägen. Ein systembedingter nachteiliger Wartungsaufwand bei Trommelbremsen ergebe sich laut Grahl allerdings durch das regelmäßige Abschmieren der Lagerung von Nockenwelle und Automatischem Gestängesteller.
Trommelbremsen müssen also regelmäßiger gewartet werden, dafür halten Verschleißteile wie Bremsbeläge und Trommel länger als Bremspads und Bremsscheiben

Restwert und Feinstaubemissionen

Schlussendlich spricht der tendenziell höhere Restwert des Trailers häufig für die Scheibenbremse. Mit steigender Laufleistung relativiert sich dieser Posten laut Grahl jedoch. Und im Übrigen: Mit Einführung der Abgasnorm Euro VII ab Juli 2027 regelt der Gesetzgeber erstmals auch die Partikelemissionen unter anderem durch den Abrieb von Bremsbelägen. Bei der Trommelbremse ist heute der Verschleiß geringer, dadurch entstehen weniger Partikelemissionen. Zudem ist es einfacher, die unerwünschten Staubpartikel einzufangen, so dass sie gar nicht erst an die Luft gelangen. Auch für Scheibenbremsen wird es geeignete Lösungen geben, die aber einen größeren Aufwand erfordern könnten.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3-2023 der Krafthand-Truck.