Einstellen der Achsgeometrie an Lkw
Eine korrekt eingestellte Achsgeometrie sowie ein ‚gerader‘ Rahmen sparen Kraftstoff und minimieren den Reifenverschleiß. Ein optimales Ergebnis erhält man, wenn man ziehende und gezogene Einheit gemeinsam vermisst. Bild: Josam
Zurück in die Spur

Tipps zum Vermessen und Richten von Lkw- und Trailerrahmen

Im Transportgewerbe weht ein scharfer Wind. Damit sich das Geschäft wirtschaftlich gestaltet, kontrollieren viele Speditionen die Fahrzeugkosten ganz genau. Im Fokus stehen speziell der Kraftstoffverbrauch und die Reifenkosten. Einen wesentlichen Einfluss auf diese beiden Faktoren hat neben einer perfekt eingestellte Fahrwerks- und Achsgeometrie vor allem ein ‚gerader‘ Rahmen.

Warnzeichen

Fahren sich die Reifen an der Zugmaschine oder am Trailer ungleichmäßig ab oder verschleißt das Profil ungewöhnlich schnell? Bemängelt der Fahrer bei seinem Lkw oder Hängerzug ein seltsames Fahrverhalten und muss er permanent Lenkkorrekturen vornehmen, um in der Spur zu bleiben? Hat sich der Kraftstoffverbrauch im Laufe der Zeit aus unerklärlichen Gründen merklich erhöht? Oder ist sich der Lkw-Lenker nicht sicher, ob Sicherheitssysteme wie der Notbremsassistent oder der Spurverlassenswarner ordnungsgemäß funktionieren? Lassen sich eine oder gar mehrere dieser Fragen mit einem ‚Ja‘ beantworten, ist es höchste Zeit für eine Überprüfung der Fahrwerksgeometrie. Je nach Ergebnis kann es eventuell sogar notwendig sein, den Rahmen zu vermessen – und gegebenenfalls fachgerecht zu richten. Denn neben einer fehlerhaften Achseinstellung kann auch ein verzogener Rahmen für die obigen Beanstandungen verantwortlich sein.

Fehlerbilder Achsenfehlstände
Selbst geringe Achsenfehlstände können sich gravierend auswirken und die Fahrsicherheit beeinträchtigen. Die Grafik zeigt in der Praxis häufig anzutreffende Fehlerbilder. Bild: Josam

Die ‚goldene Mitte‘

Ob ein Rahmen krumm ist, die Achse schief steht oder sich einfach nur die Fahrwerksgeometrie – aus welchen Gründen auch immer – über die Zeit verändert hat, verrät am sichersten eine Komplettvermessung des Fahrzeugs. Bei einem Gespann sollte immer die ziehende zusammen mit der gezogenen Einheit vermessen werden.

Wie beim Pkw, wo die Vier-Rad-Vermessung üblich ist, wird auch bei Nutzfahrzeugen die Ausrichtung sämtlicher Achsen mit einem Laser- oder Kameramesssystem von der Hinterachse ausgehend geprüft, also auf Basis der Rahmenmittellinie, der sogenannten geometrischen Fahr- oder Schubachse. Neben üblichen Werten wie Spur, Sturz, Nachlauf, Spreizung, Spurdifferenzwinkel und Lenkeinschlag sollte der Werkstattfachmann je nach Beanstandung auch noch weitere Parameter, etwa die Rollrichtung der Räder und den Achsenschrägstand, ermitteln, um ein möglichst genaues Gesamtbild zu bekommen.

Erst die Achsen, dann der Rahmen

Besteht nach dem Fahrwerkscheck der Verdacht auf einen krummen Rahmen, werden für den Rahmencheck bei Laser- Messsystemen skalenbestückte Hilfslineale, bei kamerabasierten PC-Messsystemen Lineale mit reflektierenden Messtafeln (Targets) verwendet. Der Messaufbau ist bei beiden Systemen ähnlich. In regelmäßigen Abständen werden exakt auf die gleiche Länge eingestellte Messlineale entweder an die Rahmenuntergurte gehängt oder mit Magnetfüßen direkt am Rahmenprofil befestigt. Für eine erste Prognose sind Rahmenrichtprofis zufolge je nach Rahmenbauform üblicherweise drei Messstellen ausreichend, für eine exakte Diagnose aber mindestens fünf Messpunkte erforderlich. Der Soll- Ist- Vergleich erfolgt anhand der fahrzeugspezifischen Daten des Nutzfahrzeugherstellers oder des Fahrzeugbauers.

Lkw-Rahmenvermessung
Mit einer professionellen Rahmenvermessung lässt sich feststellen, ob und wo die Rahmenträger verformt sind. Bei computerunterstützten Vermesssystemen kann der Richtprofi den Reparaturerfolg sogar in Echtzeit verfolgen. Bild: Haweka

Eine gängige Vermessungs-Reihenfolge ist, den Rahmen zuerst auf seitliche und senkrechte Verbiegungen zu prüfen und dann eine eventuelle Verdrehung zu ermitteln. Danach wird die Diagonalverschiebung mit einem 90-Grad-Stahlwinkel und einem Messschieber gecheckt. Mit einem sogeannten Richtscheit oder einem Stahllineal lassen sich schließlich noch Knicke, Ausbeulungen, Eindellungen und Aufschübe lokalisieren. Gefundene Schadstellen werden mit Fettkreide markiert. Damit lässt sich kontrollieren, ob die Richtarbeiten an den betreffenden Stellen den gewünschten Effekt erzielen. Beim Richten kann der Richtprofi die Messvorrichtung am Rahmen belassen, sodass er den Richterfolg quasi ‚in Echtzeit‘ kontrollieren kann.

Gerade oder krumm – die Grund-Schadensarten

Auch wenn Nutzfahrzeuge bald autonom fahren werden: Als Chassis dient immer noch der traditionelle ‚Leiterrahmen‘, über den auch schon 1896 der erste Motor-Lastwagen der DMG (Daimler Motoren Gesellschaft) verfügte. Allerdings haben bei modernen Nutzfahrzeugen längst Rahmen in Leichtbauweise und aus speziellen Sonderstählen Einzug gehalten, um die Nutzlast und den Treibstoffverbrauch zu optimieren. Außerdem sind die Rahmenlängsträger nicht mehr unbedingt nur gerade und durchgehend gleich dick, sondern auch gekröpft und die Wandstärke den auftretenden Belastungen angepasst – was dem Nutzfahrzeugfachmann die Antwort auf die Frage „Liegt überhaupt ein Rahmenschaden vor?“ nicht gerade erleichtert.

Grundsätzlich gilt bei Leiterrahmen, dass sich alle Träger und Bauteile unter entsprechend hoher Belastung mehr oder weniger verformen können. War die aufgebrachte Last nicht zu groß, gehen die betroffenen Teile nach dem Belastungsende aufgrund ihrer Elastizität wieder in ihren Ursprungszustand zurück.

In der Praxis werden die Schadensformen grob in fünf Grundtypen eingeteilt, wobei erfahrungsgemäß häufig Mischformen vorliegen:

  • Seitliche Verbiegung: Sie gehört zu den häufigsten Schadensbildern. Hauptursache sind seitlich und/oder diagonal einwirkende Kräfte, wie sie typisch bei einem asymmetrischen Aufprall oder einem ‚Umfaller‘ sind. Aber auch beim Betrieb eines unsachgemäß montierten Ladekrans oder beim unprofessionellen seitlichen Abkippen können sich einzelne Querträger aus ihrer rechtwinkligen Lage verschieben. Die Verformung an den Querträgerbefestigungen ähnelt einer Diagonalverschiebung. Seitliche Verbiegungen treten häufig zusammen mit senkrechten Verbiegungen auf.
  • Diagonalverschiebung: Dabei sind üblicherweise alle Querverbindungen aus ihrer rechtwinkligen Lage verschoben und ihre Anbindungen am Längsträger deformiert. Eine Diagonalverschiebung kommt häufig bei Kippern vor, die beim Rückwärtsabkippen umgefallen sind.
  • Senkrechte Verbiegung: Die Ursachen sind große, senkrecht einwirkende Kräfte, wie sie bei einem überladenen Kipper oder dem Versuch, die noch verriegelte Kippmulde zu leeren, auftreten. In solchen Fällen verformen sich die Längsträger meist in nahezu gleichem Maße. Häufig geht senkrechten Verbiegungen eine Verdrehung voraus.
  • Verdrehung: Die Querträger sind noch gerade, allerdings liegen sie nicht mehr in einer Flucht. Jene Querträger, die am weitesten vom Verdrehzentrum entfernt sind, verformen sich dabei am stärksten. Offene Profile nehmen Drehkräfte besser auf und geben aufgrund ihrer Elastizität nach. Vielfach gehen sie nach der Belastung von selbst wieder in ihren Ursprungszustand zurück.
  • Punktuelle Verformung: Dazu zählen Knicke, Aufwerfungen und Wellen. Sie treten auf, wo Anbauteile (zum Beispiel Sattelkupplungen) Kräfte in die Rahmenprofile einleiten. Die Befestigungen dieser Bauteile sind separat und gründlich auf Brüche und/oder Risse zu inspizieren.

Richtig richten

Bei den Rahmen-Richtverfahren unterscheidet man prinzipiell zwischen Kalt- und Warmrichten. Kaltrichten allein kann dazu führen, dass die eingebrachten Streck- und/oder Stauchspannungen auch nach dem Richten noch im Material vorhanden sind, was sich negativ auf die Dauerfestigkeit auswirken kann. Um einen gerichteten Rahmen wieder in den Urzustand zurück zu versetzen, werden die in den Reparaturbereichen entstandenen Spannungen durch gezieltes Erwärmen mit der Gasflamme oder einem Induktionserhitzer gelöst.

Beim Warmrichten dagegen nutzt der Richtprofi den Effekt, dass das erwärmte Material an Festigkeit verliert und sich ausdehnt, während die umgebenden kalten Partien dem entgegenwirken. Kühlt das Material ab, wird es quasi wieder in seine ursprüngliche Form zurückgestaucht, zudem erlangt es seine anfängliche Festigkeit wieder. Die zulässigen Richttemperaturen sind unter anderem abhängig von der Materialgüte des Rahmens und der Freigabe des Herstellers. Die Temperaturkontrolle erfolgt punktgenau mit spezieller ‚Temperaturkreide‘ oder einem Infrarot-Thermometer.

Für die Reihenfolge beim Richten gilt folgende Faustregel: Immer mit der größten Verformung beginnen, Punktverformungen gleichzeitig mit angrenzenden Schäden bearbeiten. Zudem sollte man möglichst spannungsfrei richten und dazu Schraub verbindungen an Achsen, Traversen und Aufbauteilen lösen. Da bei modernen Lkw hochfeste Schrauben und Drehwinkelanzug üblich sind, ist deren Wiederverwendbarkeit nach Herstellervorgabe zu prüfen. Verbogene Schrauben sind in jedem Fall zu erneuern.

Niemals ohne Justieren und Kalibrieren

Seit 2016 sind bei neu zugelassenen Lkw und Bussen über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht zahlreiche kamera- und radarbasierte Fahrerassistenzsysteme (FAS) wie Notbremsassistent, Spurverlassenswarner oder Abstandsregeltempomat gesetzlich vorgeschrieben. Der Werkstattfachmann kommt auch bei klassischen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten mit diesen Systemen in Berührung, selbst wenn er nicht direkt daran arbeitet. Vor der Rückgabe des Fahrzeugs an den Kunden müssen die entsprechenden Sensoren und Kamerasysteme fachgerecht justiert und kalibriert werden.

Während den meisten Nutzfahrzeugfachleuten bei typischen Werkstattarbeiten wie dem Tausch der Windschutzscheibe oder dem Ersatz eines beschädigten Radarsensors das Einstellen des Sensors und das Kalibrieren als Zusatzarbeit durchaus plausibel ist, erscheint das Prozedere bei anderen Arbeiten, etwa dem Tausch einer Lenk- oder Spurstange oder der Änderung des Fahrniveaus, auf den ersten Blick ungewöhnlich. Prinzipiell gilt, dass alle Werkstattarbeiten, welche die ‚Blickrichtung‘ des Sensors verändern, ein Neukalibrieren der betroffenen FAS, zumindest aber eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit, zwingend erforderlich machen.

 

Sprit- und Reifenkosten im Griff

Die Frage, wie viel Geld sich mit einer optimalen Fahrwerkseinstellung sparen lässt soll der ‚Kraftstoff- und Reifensparrechner‘ von Josam Richttechnik beantworten. Mit dem interaktiven Tool können Interessierte das zu erwartende Einsparungspotenzial anhand ihrer betriebsindividuellen Daten berechnen und sich das jährliche Einsparpotenzial ausweisen lassen. Standardmäßig sind in dem Tool branchenübliche Werte voreingestellt, die individuellen Parameter lassen sich per Schieberegler anpassen.

 

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3/21 der Krafthand-Truck.