Stiller Begleiter: Der eActros im Praxistest bei Logistik Schmitt
Die Firma Logistik Schmitt hat ihren Hauptsitz im badischen Bietigheim. Das Familienunternehmen wurde 1948 gegründet und beschäftigt heute rund 280 Mitarbeiter. Dienstleistungsschwerpunkte sind ganzheitliche Transportlösungen, Warehousing beziehungsweise die Kontraktlogistik. Dabei stehen dem Unternehmen aktuell 76 Lkw, 77.000 m2 Lagerfläche, 26.000 Palettenstellplätze und 65 Flurförderfahrzeuge – meist elektrisch betrieben, zur Verfügung. Unter anderem liefert Schmitt ‚Just-in-time‘, Teile und Baugruppen an die Mercedes-Benz-Werke in Gaggenau und Gaggenau/Rastatt. Das Unternehmen ist laut Daimler-Trucks auch deshalb ein idealer Partner, um den eActros in der Praxis zu testen.
Erfahrungs-Werte
Bereits seit Juli 2019 befindet sich der batterieelektrische eActros in einem ausgedehnten Praxistest und ist Teil des Fuhrparks bei Logistik Schmitt. Insgesamt hat der elektrisch angetriebene Lkw im Nordschwarzwald seitdem rund 50.000 Kilometer zurückgelegt und 5.000 Touren mit insgesamt über 100.000 Ladungsträgern absolviert – 30.000 Tonnen Fracht wurden transportiert. „Zirka zehn Prozent der rund 120 Fahrer sind bereits in Hinblick auf den eActros ausgebildet, es gilt einiges zu beachten, man hat es schließlich mit Hochvolttechnik zu tun“, erzählt Rainer Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter bei Logistik Schmitt.
Aufgrund der positiven Erfahrungen setzt Schmitt den eActros bereits seit Januar dieses Jahres zusätzlich auf einer neuen Route über die B462, anstelle eines konventionellen Diesel-Lkw, ein. Die Strecke entspricht weitgehend der geplanten Oberleitungs-Strecke von eWayBW (ein Pilotprojekt des Landes Baden-Württemberg zur Erforschung von Hybrid-Oberleitungs-Lkw). Der Start des eActros auf dieser Route war ursprünglich erst für Mitte 2021 mit einer weiterentwickelten Variante des E-Lkw vorgesehen. Die Experten von Mercedes-Benz wollten jedoch die Möglichkeit nutzen, den aktuellen Prototyp auch hier gründlich zu prüfen.
Während das Ladungsgewicht des eActros bislang in der Regel bei etwa vier Tonnen lag, transportiert er auf der Zusatzstrecke nun meist ein Mehrfaches. „Die Verbrauchskosten sind in unserem speziellen Fall, auf der ersten Route, rund 30–40 Prozent niedriger als bei Lkw mit Dieselmotor“, ergänz Schmitt.
„Zudem macht es unseren Fahrern richtig Spaß den eActros zu fahren.“ Tatsächlich berichten die Lkw-Lenker von einer sehr ruhigen Fahrweise, auch aufgrund der fehlenden Schaltunterbrechungen. Das leise Dahingleiten reduziere laut Schmitt sogar den Stresslevel.
Daimler plant bereits die Übergabe des weiterentwickelten, seriennahen Prototyps an Logistik Schmitt für den Sommer dieses Jahres. Die Reichweite des bisherigen Prototyps mit einer Batterieaufladung liegt laut Daimler-Trucks bei rund 200 Kilometer, die des neuen Fahrzeugs soll diesen Wert deutlich übertreffen. Der Anlauf der Serienproduktion des eActros im Werk in Wörth ist im Übrigen noch für dieses Jahr geplant.
Flexibilität zählt
Der eActros fährt nun täglich jeweils sechs Touren à 14 km nach Rastatt sowie sechs Touren à 28 km nach Gaggenau und damit weiterhin insgesamt zwölf Touren im Dreischicht-Betrieb. Die tatsächlich zurückgelegten Kilometer belaufen sich aufgrund von Fahrten auf den Betriebsgeländen auf insgesamt bis zu 300 pro Tag. „Im Falle von gesperrten Straßen, Baustellen oder sonstigen unvorhergesehenen Ereignissen sind wir darauf angewiesen, auch flexibel über Ausweichstrecken zu fahren. Das ist mit dem eActros und seinem batterieelektrischen Antrieb möglich“, erzählt Rainer Schmitt. Aufgeladen wird der Lkw über eine mobile Ladestation zwischen den einzelnen Touren während den Be- und Entladungsvorgängen auf dem Gelände von Logistik Schmitt. Auf den Fahrten nach Rastatt transportiert der eActros Getriebegehäuse, nach Gaggenau Achskomponenten. „Im Übrigen können wir durch die deutlich reduzierte Lärmbelastung auch mehr Nachttouren, beispielsweise durch Gebiete mit starker Wohnbebauung, fahren.“
Hohe Akzeptanz
Aufgrund der neuen Technologie und der theoretischen Gefahren die sich durch ein Hochvoltsystem ergeben, hatten die Fahrer anfänglich durchaus Respekt, berichtet Schmitt. „Nach ausführlichen Schulungen legten sich jedoch anfängliche Vorbehalte. Im Gegenteil: Im Fahrerstamm haben sich die positiven Eigenschaften des eActros herumgesprochen. Die Frage lautete jetzt: Wann kann ich das Fahrzeug auch mal ausprobieren?“ Auch altgediente Fahrer zeigten laut Schmitt sehr hohes Interesse, was nicht selbstverständlich ist.
Weniger Bremse, weniger Service?
Was den Verschleiß angeht, berichtet Schmitt von einem deutlich reduzierten Bremsverbrauch. „Wir hatten nur noch rund ein Drittel des Bremsverschleißes als bei herkömmlichen Lkw. Das lag natürlich auch an der Topologie des Geländes, ohne große Steigungen.“ Interessant sei jedoch, so Schmitt, dass je mehr sich die Fahrer an den eActros gewöhnten, desto besser konnten sie mit der Rekuperation umgehen. Durch den intelligenten Einsatz der Energierückgewinnung könne man deutlich die Bremse schonen. Im Ergebnis verspricht sich Schmitt allgemein weniger Werkstattaufenthalte, da auch diverse Betriebsmittel und der motorische Verschleiß wegfielen. Ein weiterer Pluspunkt sei auch die Reduzierung der Tankstellenfahrten. „Mit technischen defekten oder Unfallreparaturen haben wir bis dato noch keine Erfahrungen sammeln können. Ich denke eine Herausforderung wird in Zukunft sicherlich das komplexe Thermomanagement bei eTrucks sein.“
Rahmenbedingungen
Der Kostendruck im Transportsektor ist hoch, der Wettbewerb hart. Das Interesse an einer dekarbonisierten (CO2-freien) Fahrzeugtechnik steigt, jedoch sind am Ende des Tages die Kosten ausschlaggebend. „Die Cent-pro-Kilometer-Leistung muss vergleichbar sein, um kostendeckend zu arbeiten“, erklärt Schmitt. Die Ladeinfrastruktur sei nicht das Problem, eine Lademöglichkeit auf dem Betriebsgelände und gegebenenfalls, je nach Streckenlänge, auch beim Kunden, reiche für den Großteil der Anwendungsfälle in seinem Unternehmen aus.
Dr. Manfred Schuckert, Leiter Emissionen und Sicherheit, Daimler Nutzfahrzeuge im Bereich External Affairs ergänzt: „Um das Thema E-Mobilität, sei es batterie-elektrisch oder via Brennstoffzelle, wettbewerbsfähig zu machen, werden wir in den ersten Jahren die Unterstützung von Land, Bund und EU benötigen. Zusätzlich brauchen wir eine sukzessiv höhere CO2-Steuer auf den Diesel. Der Einsatz von batterieelektrischen Fahrzeugen muss sich auch für den Kunden lohnen.“
Wir brauchen sukzessive eine höhere CO2-Steuer auf den Diesel“, so Dr. Manfred Schuckert.
Wo geht die Reise hin?
Daimler Trucks arbeitet als Hersteller an Zukunftslösungen, die nach eigenem Bekunden auch weltweit rasch umsetzbar sind. Dies sieht das Unternehmen beispielsweise bei der Oberleitungs-Technologie nicht. Daimler Trucks setzt vielmehr auf batterie-elektrische Lkw und auf die wasserstoffbasierte Brennstoffzelle. „Wir fokussieren unsere Entwicklungsaktivitäten auf die beiden wirklich lokal CO2-neutralen, vollelektrischen Antriebstechnologien: Batterie und wasserstoffbasierte Brennstoffzelle. Mit diesen können wir jeden Anwendungsfall unserer Kunden mit voller Flexibilität bei den Routen abdecken“, so Dr. Manfred Schuckert.
Bisher zeigten die Praxistests mit dem Partner Logistik Schmitt, dass der eActros, hervorragend für den schweren, urbanen Lieferverkehr geeignet sei. Für Anwendungsfälle, bei denen höhere Reichweiten und Zuladungen erforderlich sind, plant Daimler Trucks ab 2024 den ebenfalls rein batterie-elektrischen Fernverkehrs-Lkw ‚eActros LongHaul‘ in das Serien-Angebot aufzunehmen. „Für noch anspruchsvollere Einsätze wollen wir unser Portfolio in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts zusätzlich um in Serie gefertigte Fernverkehrs-Lkw mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb ergänzen. Bei unserem Testprojekt im Nordschwarzwald sind wir mit dem Batterie-Antrieb bereits sehr gut unterwegs“, resümiert Dr. Schuckert. Auch Rainer Schmitt ist zufrieden „Der eActros hat sich im Tagesgeschäft bestens bewährt. Und vor allem haben unsere Fahrer richtig Spaß, wenn sie mit dem Stromer unterwegs sind.“
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1-2/21 der Krafthand-Truck.