Ständig auf Zug – Der Riementrieb, alles nur keine Nebensache!
Bei modernen Lkw werden die Bauräume zunehmend enger, die Riementriebsysteme dadurch immer komplexer. Obwohl sich automatische Spannvorrichtungen um die korrekte Riemenspannung kümmern und den Wartungsaufwand minimieren, sollte der Nutzfahrzeugfachmann den Komponenten des Nebentriebs regelmäßig seine Aufmerksamkeit schenken. So erkennt er frühzeitig Unregelmäßigkeiten und vermeidet bereits im Vorfeld unnötige Ausfälle.
Rahmenbedingungen
Die Komponenten des Riementriebs moderner Nfz-Motoren arbeiten unter härtesten Bedingungen. Wenig Platz, hohe und ständig wechselnde Temperaturen, Ölnebel, Schmutz und wechselnde dynamischen Belastungen durch die angetriebenen Aggregate strapazieren nicht nur den Antriebsriemen (meist ein Keilrippenriemen), sondern auch die Spann- und Umlenkrollen, Riemenscheiben, Freiläufe und Spannelemente. Der Antriebsriemen muss sich zudem in kleineren Radien um die Rollen und Riemenscheiben schmiegen, das erhöht zusätzlich den Stress für den Riemen.
Regelmäßig prüfen
Musste der Werkstattfachmann die Riemenspannung noch vor einigen Jahren regelmäßig kontrollieren und manuell einstellen, so übernehmen diese Aufgabe mittlerweile automatische Spannvorrichtungen. Dies hat zwar prinzipiell den Vorteil, dass moderne Lkw insgesamt weniger Wartungsaufenthalte benötigen und mit deutlich längeren Serviceintervallen auskommen. Doch die Werkstattpraxis zeigt immer wieder, dass es gerade unter extremen Einsatzbedingungen – häufiger Baustellenbetrieb, Einsatz im Fernverkehr in heißen und staubigen Ländern oder in Ländern mit schlechten Fahrbahnoberflächen, extremer Kurzstreckenbetrieb mit langen Leerlaufphasen (Spezialfahrzeuge wie Müllsammler) durchaus sinnvoll sein kann, auch zwischen den offiziellen Wartungsaufenthalten einen prüfenden Blick auf den Antriebsriemen und die Komponenten des Nebentriebs zu werfen. Eine Sichtkontrolle des Riemenlaufbilds und der Rollenoberflächen im Motorstillstand sowie das ‚Klangbild‘ und das Laufverhalten im Motorlauf verraten dem Nfz-Profi viel über den aktuellen Zustand.
Vorzeitiger Riemenverschleiß
Keilrippenriemen treiben Nebenaggregate wie Kühlerlüfter, Generatoren, Klimakompressoren oder Hydraulikpumpen an. Die Ursachen für einen vorzeitigen Verschleiß liegen aber nicht ausschließlich am Riemen selbst. Tatsächlich können auch beschädigte oder verschlissene Spann- oder Umlenkrollen oder ein schadhaftes Spannelement ursächlich sein – was häufig in direktem Zusammenhang mit den Betriebsbedingungen steht. Manchmal kann es aber auch einer unzureichenden Ersatzteilqualität geschuldet sein. In solchen Fällen kann ‚günstig‘ richtig teuer werden. Gefährlich ist es allerdings auch, bei einem vorzeitigen Riemenverschleiß lediglich den maroden Riemen zu erneuern. Denn das behebt in den wenigsten Fällen das tatsächliche Problem, sondern erhöht vielmehr das Risiko, dass es in der Folgezeit zu einem neuerlichen Riemenabwurf und einem weiteren, unnötigen Werkstattaufenthalt kommt.
Immer besser alles
Bei einem Riementausch sollte der Werkstattfachmann sein besonderes Augenmerk auf sämtliche automatische und hydraulische Spannvorrichtungen und Spannarme, auf die diversen Spann- und Umlenkrollen sowie den Generatorfreilauf legen und die Bauteile genauestens auf Beschädigungen und die einwandfreie Funktion untersuchen. Speziell bei Kunststoffrollen gilt es auf Anzeichen wie Ausbrüche oder Risse zu achten. „Sofern der Fahrzeughersteller in seinen Serviceunterlagen keine andere Vorgehensweise beschreibt oder abweichende Wechselintervalle vorgibt, sollte der Werkstattfachmann bei einem Keilrippenriemenwechsel immer auch alle Spann- und Umlenkrollen ersetzen“, rät Sascha Keller, Technical Marketing Manager beim Nfz-Teile-Spezialisten Febi. „Außerdem sollte der Mechaniker, um störende Laufgeräusche nach dem Riementausch zu vermeiden, unbedingt auch den Zustand sämtlicher Riemenscheiben, beispielsweise an der Kurbelwelle, am Generator und den übrigen angetriebenen Komponenten des Nebentriebs überprüfen. Denn nicht nur der Keilrippenriemen verschleißt, sondern auch die Oberfläche und das Rillenprofil der Riemenscheiben“, berichtet Sven Becker, Vertriebsleiter Automotive IAM beim Riemenhersteller Optibelt, im Gespräch mit Krafthand-Truck.
Korrekte Spannung, richtige Ersatzteile
Neben der Qualität des Keilrippenriemens und der Riementriebs-Komponenten hat vor allem deren fachgerechter Einbau einen wesentlichen Einfluss auf die dauerhafte Funktion des Riementriebsystems. Eine der Grundvoraussetzungen ist die korrekte und zudem dauerhafte Riemenspannung. „Ein zu großer Schlupf und unzulässige Schwingungen des Riemens können zu einem vorzeitigen Ausfall führen. Zudem müssen die Spannelemente Toleranzen durch Wärmedehnung, Riemenlängung und Verschleiß ausgleichen. Damit stellt der Riementrieb einerseits hohe Anforderungen an die Qualität und Passgenauigkeit der Ersatzteile – und setzt gleichzeitig auch ein entsprechendes Know-how für den fachgerechten Einbau beim Mechaniker voraus, speziell auch bei der Auswahl und Beschaffung der „richtigen“, sprich: der motorspezifischen Ersatzteile“, so Keller. Als Beispiel nennt der Nutzfahrzeugteile-Fachmann automatische Riemenspanner, welche die Riemenspannung durch selbsttätiges Nachregeln über die gesamte Betriebsdauer konstant halten. Demnach gibt es unterschiedliche Spanner, welche äußerlich scheinbar absolut identisch sind, jedoch erhebliche Unterschiede in der Vorspannkraft aufweisen. Eine weitere Besonderheit bei Lkw-Motoren sei der Riemenhochtrieb, welcher über einen speziellen Riemenspanner verfüge. „Ob ein Fahrzeug einen Riemenhochtrieb besitzt, ist aus der Sonderausstattungsliste oder der Fahrgestellnummer abzulesen“, ergänzt Keller. Er rät, solch wichtige Komponenten immer anhand der Fahrzeugdaten zu identifizieren.
Hilfreiches Spezialwerkzeug
Ein geringer Bauraum und schlechte Zugänglichkeit führen in der Praxis dazu, dass sich der Zustand des Antriebsriemens mit klassischen Werkstattmethoden nicht mehr zuverlässig prüfen lässt. Die Riemenspezialisten von Optibelt empfehlen deshalb für einen fachgerechten Riemenservice sowohl entsprechende Spannungs- und Fluchtprüfgeräte als auch Spezialwerkzeuge zu verwenden. Um beispielsweise die Riemenspannung zuverlässig zu ermitteln, bietet das Unternehmen das Frequenz-Messgerät ‚Optibelt TT-A‘ an. Zum exakten Ausrichten der Spann- und Umlenkrollen – insbesondere, wenn dieser gegenüber dem Serienaufbau modifiziert wurden – und zur Kontrolle der Riemenflucht, raten die Fachleute zu einer Vorrichtung wie dem ‚Laserpointer II‘ mit magnetischen Zieltafeln. „Damit kann den Mechaniker schneller und genauer arbeiten als mit dem herkömmlichen Richtfaden“, so die Experten.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4-2022 der Krafthand-Truck.