

Service und Fehlersuche am AdBlue-Einspritzsystem
Seit der Einführung der Euro-Abgasnormen 4 und 5 sowie der Euro VI im Jahr 2014, steigt die Zahl der Nutzfahrzeuge, die mit einem Harnstoff-Einspritzsystem ausgestattet sind, kontinuierlich. Heute verfügen die allermeisten Lkw über eine SCR-Anlage. Die von Bosch entwickelte und 2005 erstmals in einen Lkw eingebaute ‚Denoxtronic‘ gehört zu den am weitesten verbreiteten Systemen. Gestartet mit der Version 1.1, schlägt mittlerweile bereits die Generation 6.5 beziehungsweise 6-HD in den Nutzfahrzeug-Werkstätten auf. Verbaut ist die Denoxtronic bei zahlreichen Modellen der ‚Big Seven‘.
Steigender Service- und Reparaturbedarf

Wie alle Systeme, bei denen Filter verbaut sind und wo es um eine absolut zuverlässige Funktion geht, benötigen auch Harnstoff-Dosier- und Einspritzanlagen wie die Denoxtronic regelmäßig die fachkundige Hand eines Nutzfahrzeug-Profis. Da mittlerweile eine beträchtliche Zahl an Lkw mit SCR-Anlage eine hohe Kilometerleistung aufweist, steigt der Service- und Reparaturbedarf. Die Nachfrage nach kostengünstigen, zeitwertgerechten Instandsetzungsmöglichkeiten steigt.
Bosch hat beispielsweise für den Aftermarket ein spezielles Denoxtronic-Serviceprogramm, die so genannte ‚Feldinstandsetzung‘, entwickelt. Das Konzept soll nach eigenem Bekunden den Betreibern von Nutzfahrzeug-Werkstätten ein interessantes Umsatzpotenzial ermöglichen.
Der Ablauf der Denoxtronic-Feldinstandsetzung umfasst die Prüfung der Komponenten nach Herstellerkriterien, den Austausch oder die Reparatur defekter Teile sowie die Ausgangsprüfung zur Absicherung der Funktion.
Mit den erforderlichen Werkzeugen und Diagnosetools sowie dem zugehörigen Know-how soll jeder Nutzfahrzeug-Profi den Austausch defekter Module sowie umfangreiche Diagnose- und Reparaturaufgaben an den Denoxtronic-Komponenten vornehmen können.

Regelmäßige Systemwartung notwendig
Die Harnstoff-Einspritztechnik gilt zwar prinzipiell als zuverlässig, dennoch ist regelmäßig eine gewisse Wartung notwendig. Das kilometer- beziehungsweise betriebsstundenabhängige Intervall gibt der jeweilige Fahrzeug- beziehungsweise Motorenhersteller vor.
Bei einem Service am AdBlue-System muss der Nutzfahrzeug-Fachmann je nach Vorgabe, unter anderem den Vor- sowie den Fein- beziehungsweise Hauptfilter wechseln. Der Vorfilter befindet sich in der Zulaufleitung zum Pumpenmodul und hält gröbere Verschmutzungen (>100 µm) zurück, beispielsweise Schmutz, der beim Nachfüllen in den Harnstofftank gelangt ist. Der Hauptfilter dagegen sitzt direkt im Pumpenmodul. Er ist für die Feinst-Filtrierung zuständig und kann Partikel bis zirka 10 µm zurückhalten.
Zusätzlich muss im Rahmen des Filterwechsels das System gespült und entlüftet werden. Hinzu kommen weitere Prüfungen, um sicherzustellen, dass nach dem Service alles wieder ordnungsgemäß funktioniert.
Grundsätzlich ist bei allen Arbeiten an der SCR-Anlage auf äußerste Sauberkeit und exaktes Vorgehen zu achten. Bereits kleinste Schmutzpartikel oder nicht korrekt verbaute Dichtungen können Undichtigkeiten hervorrufen. Das liegt an der geringen Viskosität von AdBlue und an der Neigung zur Kristallisation in Verbindung mit Sauerstoff. Die Experten von Bosch empfehlen eine saubere, separate Arbeitsfläche, um das Risiko von Verschmutzungen und Undichtigkeiten, etwa an O-Ringen, bereits im Ansatz zu vermeiden.
Wann die Harnstoffpumpe tauschen?

Die elektrische Harnstoffpumpe gehört zu den wichtigsten Komponenten einer SCR-Abgasreinigungsanlage. Sie fördert das Adblue vom Tank zum Einspritzmodul. Die Pumpe ist im Gehäuse des Fördermoduls untergebracht, ebenso wie der Harnstofffilter, das komprimierbare Ausgleichselement, das Heizelement sowie einen Drucksensor. Letzterer ist dafür verantwortlich, dass der Systemdruck gleichmäßig ist und die Pumpe die richtige Menge Adblue an das Einspritzmodul liefert, damit dieses die Reduktionslösung optimal und fein dosiert in den Abgasstrom spritzen kann. Da die Pumpe im Betrieb starken Vibrationen und Temperaturunterschieden ausgesetzt ist, sollte sie der Nutzfahrzeug-Fachmann bei der Systemwartung auf Funktion und eventuelle Mängel prüfen.
Einige Umstände können zum vorzeitigen Verschleiß oder zum Defekt und damit zum Ausfall der Pumpe führen. Ein Beispiel ist, ein mit Kraftstoff, Feinstaub oder anderen Verunreinigungen kontaminiertes Adblue. Dies kann die Funktion der Pumpe erheblich beeinträchtigen und sie zum Blockieren bringen. Darüber hinaus können elektrische Probleme und ein betriebsbedingter Verschleiß zu einem Leistungsverlust der Pumpe bis hin zum Totalausfall führen. Sobald die Pumpe nicht mehr zuverlässig den erforderlichen Druck aufbauen kann, muss man sie ersetzten.
Ein weiterer K.O.-Punkt ist die Kristallisation der AdBlue-Lösung innerhalb der Pumpe. Dies passiert, wenn sie nach dem Abstellen des Motors den notwendigen Spülzyklus nicht vollständig ausführt. Speziell bei geringen Außentemperaturen kommt es aufgrund der chemischen Zusammensetzung des Adblue (Wassergehalt 67,5 Prozent) rasch zu einer Kristallbildung. Blockieren Adblue-Kristalle die Pumpe, arbeitet sie nicht mehr.
Achtung Fehler-Alarm

Als abgasrelevantes Fahrzeugsystem wird die Harnstoffeinspritzung von der OBD überwacht. Bei Funktionsstörungen und Defekten erhält der Fahrer zunächst einen Hinweis per Warnleuchte oder Klartext im ‚Mäusekino‘. Je nach Fehlerschwere kann das Motorsteuergerät aber auch in ein Notlaufprogramm schalten, wobei es unterschiedliche Eskalationsstufen gibt. Üblich ist, dass das Motormanagement in einer ersten Stufe das Drehmoment deutlich reduziert. Wird der Fehler nicht zeitnah behoben, ist schließlich eine Weiterfahrt nur noch im Schritttempo möglich. Im Extremfall verhindert das Steuergerät den Wiederstart des Motors.

Damit es gar nicht erst zu einem (unnötigen) Liegenbleiber kommt, muss der Nutzfahrzeug-Profi beim regelmäßigen Service eine Systemprüfung mit dem Diagnosetester vornehmem. Dazu gehören unter anderem das Auslesen des Fehlerspeichers, die Abfrage aller relevanten Steuergeräte-Parameter und ein Stellgliedtest. Anhand der Istwert-Auslese lässt sich der Druckaufbau im System, die Dichtigkeit oder der Einspritzvorgang des Dosierventils beurteilen. Beim Stellgliedtest dagegen lassen sich Komponenten wie die Membranpumpe des Fördermoduls oder das elektromagnetische Ventil im Dosiermodul über die Prüfsoftware des Diagnosetools ansteuern. Das Motorgeräusch der Pumpe oder das Klicken des Ventils weist darauf hin, dass die Komponente zumindest prinzipiell funktioniert.
Wichtig ist auch die Funktionsprüfung des Heizsystems. Harnstoff gefriert bereits bei Temperaturen unterhalb von -11 °C. Ist zudem Schmutz ins System eingedrungen, lässt es sich mit Hilfe des Diagnosetesters entleeren und spülen, um den Schmutz wieder zu entfernen.
SCR-Technologie mit Doppeldosierung

Stickoxide (NOx) sind giftig und schaden sowohl der Gesundheit als auch der Umwelt. Die Schadstoffreduktion, insbesondere der Stickoxide, ist ein Dauerthema bei Motorenentwicklern. Der Spagat dabei ist, dass, je sparsamer und effizienter der Motor den Dieselkraftstoff verbrennt, desto mehr NOx entsteht aufgrund der höheren Brennraumtemperaturen.
Um den Ausstoß wirksam zu reduzieren, haben die Ingenieure von Bosch die SCR-Technologie mit Doppeldosierung entwickelt. Zusammen mit einem leistungsfähigen Temperaturmanagement lässt sich der NOx-Ausstoß im Vergleich zu herkömmlichen SCR-Systemen noch einmal deutlich senken. Das auf der bewährten Denoxtronic basierende Doppel-Dosiersystem spritzt abhängig von der Fahrsituation Harnstoff sowohl in einen motornahen als auch in einen motorfernen Katalysator ein. Ein großer Vorteil der Doppeldosierung ist, dass das System bereits kurz nach dem Kaltstart, aber auch bei klassischen Niedriglast-Situationen, die NOx-Emissionen runterbringt. Gleichzeitig stößt der Motor weniger schädliches CO2 aus. Außerdem verbessern sich durch die zusätzlichen Sensoren die Diagnosemöglichkeiten der Katalysatoren.
Spezielle Tests, mit speziellem Equipment

Allerdings lassen sich nicht alle notwendigen Prüfungen mit dem Diagnosegerät alleine bewerkstelligen. Es dient vor allem dazu, das System zum Filterwechsel drucklos zu machen, den Fehlerspeicher und die Istwerte auszulesen sowie verschiedene Prüf- und Einstellroutinen vorzunehmen. Gilt es beispielsweise im Zuge einer Fehlersuche die Einspritzmenge oder das Spritzbild des Dosierventils genauer zu beurteilen oder dessen Dichtigkeit zu überprüfen, ist Spezialwerkzeug notwendig. Entsprechende Prüfkoffer sind entweder über die Serviceorganisation des Fahrzeugherstellers oder des Systemlieferanten erhältlich. Universell einsetzbare und mehrmarken-taugliche Werkzeuge bieten zum Beispiel Lehnert-Tools oder Autotestgeräte Leitenberger an.
Die Prüfkoffer enthalten alles Notwendige, beispielsweise modellspezifische Anschlusskupplungen und Prüfschläuche, Verlängerungskabel, Messbecher, eine elektronische Waage sowie diverses Haltezubehör. Ein spezielles Öltest-Papier, um festzustellen, ob das Harnstoffsystem etwa mit Dieselkraftstoff oder Motoröl kontaminiert ist, ergänzt den Inhalt. Um die Qualität des Harnstoffs beurteilen zu können, empfiehlt sich zusätzlich ein Refraktometer. Mit dem Inhalt eines Prüfkoffers lassen sich weiterführende Tests schnell und direkt am Lkw erledigen, teilweise sogar in eingebautem Zustand.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1-2025 der Krafthand-Truck.