Hydro-Kultur: Schäden durch Feuchtigkeit im Kältemittelkreislauf vermeiden
Feuchtigkeit wirkt sich außerordentlich ungünstig im Kältemittelkreislauf von Klimaanlagen aus. Dort führt sie einerseits zu Funktionsproblemen, andererseits können sich zusammen mit anderen, im Kältemittelkreislauf zirkulierenden Medien, korrosive Säuren bilden, welche die Bauteile der Klimaanlage zerstören. Im Extremfall müssen teure Klima-Komponenten ausgetauscht werden.
Schädliche Feuchtigkeit
Die Gründe und Wege, warum und wie Feuchtigkeit ins Klimasystem gelangen kann, sind höchst unterschiedlich. Neben dem Klimaservice spielt vor allem das Kälte- oder Kompressor-Öl – und wie der Nutzfahrzeugfachmann im Werkstattalltag damit umgeht – eine Rolle. Aber auch ein nicht fachgerechtes Evakuieren des Kältekreislaufs beim Klimaservice oder nach einem Komponentenersatz kann massive Probleme verursachen
Den Klimatechnikexperten von Waeco zufolge ist die thermochemische Stabilität des Kältemittel-Öl-Gemischs essenziell für eine zuverlässig funktionierende Klimaanlage. Gelangt Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft in die Anlage, ist diese Stabilität gefährdet. Reagieren dann Kältemittel, Öl und Wasser chemisch miteinander, können Säuren und sogar Feststoffe entstehen, welche zu Problemen im Kältemittelkreislauf oder gar zu einem defekten Kompressor führen.
„Mangelnde Schmierung ist die zweithäufigste Ursache für Kompressorschäden“, wissen die Fachleute von Waeco. Säuren dagegen greifen neben den ‚Innereien‘ des Kompressors auch die Innenseiten der übrigen Klimakomponenten an, was schließlich zu korrosionsbedingten Undichtigkeiten (Lochfraß) und zum umweltschädlichen Kältemittelverlust führt.
Eine weitere typische Funktionsstörung bei einem ‚überfeuchten‘ Kältemittel ist das Vereisen des Expansionsventils, wodurch die Klimaanlage zeitweilig oder plötzlich ausfällt. Steht dann das Fahrzeug für kurze Zeit, taut die Motorabwärme den hinderlichen Eispfropfen weg, funktioniert die Anlage wieder wie gewohnt – zumindest bis zur nächsten Vereisung.
Achtung! Aufgrund der Korrosionsproblematik sollte man PAG-Öle niemals zum Schmieren von O-Ringen, Kompressor-Wellendichtringen oder Verschraubungen von Kältemittelleitungen einsetzen.
Wer richtig schmiert, der gut kühlt
Im freien Ersatzteilhandel gibt es ein kaum überschaubares Sortiment an verschiedensten Kompressorölen, mit unterschiedlichsten Bezeichnungen, Spezifikationen und Eigenschaften. Für den Werkstattfachmann ist es keine leichte Aufgabe, das richtige Kälteöl auszuwählen.
Ein Blick in die Serviceunterlagen des Fahrzeugherstellers und auf den Klimaanlagen-Sticker im Motorraum sollte deshalb obligatorisch sein, ebenso wie das Studium der Produktinformationen des betreffenden Schmierstoffs.
Etwas kritischer gestaltet sich die Sache, wenn der Verdacht auf ein Kältemittelöl-bedingtes Problem besteht, sich aber nicht feststellen lässt, welches Öl sich in der Anlage befindet. In einem solchen Fall ist die sicherste Lösung, das gesamte Kältemittel mit dem Klimaservicegerät (KSG) abzusaugen und anschließend das System komplett zu spülen. Daran anschließend muss der Klimafachmann die Anlage ausreichend lange evakuieren, um zuverlässig jegliche Feuchtigkeit aus dem Kältekreislauf zu eliminieren. Experten empfehlen den Vorgang mehrfach hintereinander auszuführen, mindestens 30, besser 45 Minuten lang. Erst dann sollte man den Kreislauf mit dem vom Fahrzeughersteller vorgeschriebenen Öl in der erforderlichen Menge befüllen.
Den Klimaspezialisten von Waeco zufolge gilt die Devise „Wo PAG-Öl drin ist, auch PAG-Öl auffüllen“. Außerdem empfiehlt es sich, die Spezialöle des jeweiligen Kompressorherstellers zu verwenden, weil sie am besten auf die Fahrzeugklimaanlage abgestimmt sind.
Das Kältemittel
Das Kältemittelöl schmiert den Klimakompressor. Dabei kommt es darauf an den richtigen Schmierstoff zu verwenden. Welches Kompressoröl das richtige ist, hängt unter anderem vom Kältemitteltyp ab. In Klimaanlagen von Nutzfahrzeugen und Bussen mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zirkuliert üblicherweise (noch) das Kältemittel R 134a. In der Klasse unter 3,5 Tonnen, also bei Transportern, Kleinbussen und Lieferwagen, ist auf breiter Ebene zwar ebenfalls (noch) R 134a üblich, allerdings wird es allmählich von R 1234yf abgelöst. Letzteres ist seit dem Jahr 2011, einer EU-Verordnung zufolge, bei neu typzugelassenen Fahrzeugtypen vorgeschrieben.
PAG-Öle
Bei beiden Klimaanlagen-Varianten zirkuliert üblicherweise ein PAG-Öl in der vom Fahrzeug- oder Kompressorhersteller vorgeschriebenen Viskosität mit dem Kältemittel durchs System. Hinter dem Kürzel PAG verbirgt sich ein vollsynthetischer, künstlich hergestellter Schmierstoff auf Polyalkylenglykol-Basis. PAG-Öl hat allerdings einen Nachteil: Es wirkt hygroskopisch, das heißt, es zieht Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft an und lagert sie ein. Klima-Profis, die bei PAG-Ölen bezüglich Säurebildung auf Nummer sicher gehen möchten, empfehlen die Experten von Waeco ein sogenanntes ‚Double-End-Capped‘-Öl wie etwa das ‚Daphne Hermetic‘. Im Vergleich zu herkömmlichen PAG-Ölen, welche durch Verkappen nur eines Endes der Hauptkohlenstoffkette formuliert werden, sind die Schmierstoffe der ‚Daphne Hermetic‘-Serie an beiden Enden geblockt und damit chemisch inaktiv und sehr stabil.
PAO-Öle
Darüber hinaus gibt es vollsynthetische PAO-Öle auf Basis von Polyalphaolefinen. Auch sie sind vollsynthetisch, lassen sich aber nur bei R 134a-Anlagen einsetzen. Im Gegensatz zu PAG-Ölen sind PAO-Öle nicht hygroskopisch und nehmen deshalb keine Feuchtigkeit auf. Bezüglich ihrer Verwendbarkeit gehen die Meinungen allerdings auseinander. Während die Spezialisten bei Mahle ihre PAO-Öle ‚PAO-Öl 68‘ und ‚PAO-Öl 68 Plus‘ (mit UV-Lecksuch-Additiv) als Universalöle bezeichnen, welche unterschiedliche PAG-Öl-Typen ersetzen können, ohne dass negative Auswirkungen auf die Komponenten des Klimasystems oder des Klimaservicegeräts zu befürchten seien, weisen die Klimatechniker von Waeco darauf hin, „dass es keine Freigabe von Kompressorherstellern gibt“.
Demgegenüber spricht Mahle aufgrund von „mehr als 20 Jahren Praxiserfahrung“ und gibt die „volle Gewährleistung bei Verwendung von ‚PAO-Öl 68‘ und ‚PAO-Öl 68 Plus‘“ in Mahle-Kompressoren. Laut Mahle lassen sich die Öle quasi als Nachfüllöl problemlos mit anderen PAO-Ölen mischen oder auch als Ersatz der gesamtem Systemfüllmenge verwenden.
„Aufgrund der Molekularstruktur und Dichte mischt sich „PAO-Öl 68“ zwar bis zu einem gewissen Grad mit anderen Ölen, trennt sich jedoch im Ruhezustand wieder von ihnen und geht somit keine dauerhafte Verbindung ein“, erklären die Klimafachleute von Mahle. Demnach verschwindet die Entmischung, sobald die Anlage wieder läuft.
POE-Öle
Und schließlich bekommen es die Klima-Profis auch in Nutzfahrzeug-Werkstätten zunehmend mit einer dritten Ölvariante zu tun: den ebenfalls vollsynthetischen Polyolesterölen, kurz POE-Öle. Sie wirken elektrisch isolierend und sind deshalb in Nutzfahrzeugen mit Elektro- und Hybridantrieb sowie elektrisch betriebenem Klimakompressor zu finden.
POE-Öle zeichnen sich zwar durch ihre hohe chemische und thermische Beständigkeit aus, sind aber ebenfalls hygroskopisch – was letztendlich bedeutet, dass gerade bei elektrischen Nutzfahrzeugen der regelmäßige Klimaservice einen noch höheren Stellenwert als bei Verbrennern bisher bekommt.
Feuchtigkeitseintrag im Ansatz vermeiden
Im Normalbetrieb sorgt ein Filtertrockner (auch Akkumulator genannt) dafür, dass im Kältemittelkreislauf zirkulierende Feuchtigkeit in einem Granulat zurückgehalten und gebunden wird. Allerdings ist der Filtertrockner – wie alle Filter im Nutzfahrzeug – ein Verschleißteil, das regelmäßig zu ersetzen ist.
Doch Feuchtigkeit kann nicht nur ‚auf normalem Weg‘, also aus der Umgebungsluft über die Kältemittelschläuche und die Dichtringe in die Anlage gelangen, sondern auch beim Klimaservice ‚eingeschleust‘ werden. Etwa, wenn das Kompressoröl nicht in einem dampfdicht verschlossenen Gebinde gelagert wurde oder der Behälter für das Kompressoröl-Management am Klimaservicegerät selbst nicht hermetisch dicht ist, was bei älteren Klimaservicegeräten häufig der Fall ist.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 2/2022 der Krafthand-Truck.