Gelenk-/ Kardanwelle Lkw reparieren
Solange Gelenkwellen einwandfrei funktionieren, beachtet sie niemand. Im Defektfall ist allerdings schnelle Hilfe gefragt, um das havarierte Fahrzeug schnellstmöglich wieder auf die Straße zu bringen. Neben dem Teileersatz gibt es die Möglichkeit, die Welle beim Spezialisten professionell reparieren zu lassen. Bild: Georg Blenk
Die große Welle

Schäden an Gelenk- und Kardanwellen – Aus- und Einbau

Gelenkwellen bleiben lange unbeachtet. Wenn es allerdings unter dem Lkw rumpelt und schlägt, ist schnelles Handeln angesagt, um einen Fahrzeugstillstand zu vermeiden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die defekte Welle fachgerecht repariert werden kann oder ausgetauscht werden muss.

Gelenk- beziehungsweise Längs- oder Kardanwellen gehören zweifellos zu den simplen und unauffälligen Komponenten eines Lkw, und dennoch zu den wichtigsten. Sie müssen das gesamte Motordrehmoment über die Antriebsachse auf die Straße übertragen. Im Defektfall heißt es daher schnell ‚nichts geht mehr‘. Doch ein Gelenk- oder Wellenschaden bedeutet nicht zwangsläufig eine neue Welle: Über ganz Deutschland verteilt gibt es zahlreiche Spezialisten, die sich mit der professionellen Instandsetzung und Reparatur schadhafter Gelenkwellen beschäftigen. Diese Servicecenter sind auch die richtige Anlaufstelle, wenn es um Sonderkonstruktionen für Spezialanwendungen oder um Problemfälle geht, bei denen der Werkstattfachmann mit seinem Know-how an Grenzen stößt.

Kardanwelle reparieren oder ersetzen?

Die professionelle Instandsetzung von Nutzfahrzeug-Gelenkwellen gewinnt angesichts des steigenden Kostendrucks im Transportgewerbe zunehmend an Bedeutung – insbesondere dort, wo der Lkw zeitwertgerecht repariert werden soll. Denn eine defekte Gelenkwelle bedeutet in der Regel immer einen Fahrzeugstillstand.

Ein ‚fliegender Wechsel‘ des Defektteils im Austausch gegen ein Neu- oder Austauschteil steht deshalb auf der Wunschliste von Fuhrparkbetreibern ganz oben – insbesondere, wenn die Fahrzeuge quasi rund um die Uhr laufen müssen. Aufgrund der Vielfalt an Gelenkwellentypen können jedoch weder der Teileservice des jeweiligen Fahrzeugherstellers, noch der freie Teilegroßhandel, noch die Gelenkwellenhersteller eine einhundertprozentige Bevorratung leisten.

Entsprechende Gelenkwellen-Servicecenter sind jedoch in der Lage, defekte Wellen innerhalb kürzester Zeit wieder auf Vordermann zu bringen, ohne dass der Nutzfahrzeugbesitzer dabei im Vergleich zu einer Neuwelle funktionelle oder qualitative Abstriche machen muss.

Vielfach handelt es sich bei den Wellen-Profis um Servicedienstleister von OE-Wellenherstellern. Sie verwenden für die Reparatur Komponenten in Erstausrüsterqualität und verfügen über das Know-how und den Maschinenpark, um die geforderten Kriterien wie Passgenauigkeit, Qualität der Schweißverbindungen, Ausrichtung und Auswuchtung der instandgesetzten Wellen zu gewährleisten. Vielfach unterhalten die Wellen-Spezialisten für die gängigsten Wellentypen auch einen Voraustausch-Service, mit dem sich die Werkstattstandzeiten weiter minimieren lassen.

Erst diagnostizieren, dann reparieren

Verschlissene, schwergängige oder festkorrodierte Kreuzgelenke, schwergängige Schiebestücke und ausgeschlagene Gelenkwellen-Zwischenlager gehören zu den klassischen Defekten an Gelenkwellen. Typische Beanstandungen sind Vibrationen und Brummgeräusche, die meist an bestimmte Fahrgeschwindigkeiten beziehungsweise Motordrehzahlen gekoppelt sind. Doch auch schlagende Geräusche beim Anfahren und/oder bei Lastwechseln zeugen von Handlungsbedarf. Überlastschäden, etwa aufgrund von hartem Baustellen- oder Forsteinsatz, lassen sich an eingedellten oder verdrehten Wellenrohren und nicht mehr fluchtenden Zapfensternen erkennen. Eine umfassende und eindeutige Diagnose ist allerdings erst bei ausgebauter Welle möglich.

Ausbau der Kardanwelle

Nachfolgend skizzieren wir die wichtigsten Arbeitsschritte zum Ausbau der Welle, zur Fehlersuche und zum Ersatz des Zwischenlagers.

Tipp: Zum Abnehmen und Einsetzen der Welle ist ein Helfer hilfreich!

  1. Sicherungsbügel der Welle am Rahmen entfernen.
  2. Welle gegen Auseinandergleiten und Herunterfallen sichern (durch hochbinden).
  3. Schrauben an Getriebe- und Differenzialflansch sowie am Zwischenwellenlager entfernen.
  4. Gelenkwelle mit Kollegenhilfe aus dem Fahrzeug abnehmen (darauf achten, dass der Flanschmitnehmer beim Abziehen nicht abkippt).
  5. Welle auf Werkbank ablegen und Schutzmanschette am Schiebestück entfernen.
  6. Sämtliche Kreuzgelenke auf Verschleiß und Schwergängigkeit, Welle auf Risse, Dellen und andere Beschädigungen prüfen. Welle gegebenenfalls mit Messuhr auf Rundlauf und Spiel im Schiebestück prüfen. Hat die Untersuchung der Welle einen Verschleiß oder Defekt ergeben, steht die Entscheidung, reparieren oder erneuern, an.
  7. Lage der Teilwellen zueinander kennzeichnen (Falscheinbau kann störende Vibrationen und Geräusche verursachen!).
  8. Gelenkwelle auseinanderziehen.
  9. Gegebenenfalls defektes Zwischenlager mit Abzieher entfernen.
  10. Welle und Wellenprofil im Schiebebereich reinigen.
  11. Neue Schutzkappe (Einbaulage beachten!) und Zwischenlager mit Presse beziehungsweise Hammer und Montagehülse montieren.
  12. Korrekten Sitz des Lagers prüfen, zweite Schutzkappe anbringen.
  13. Wellenprofil fetten, Schutzmanschette aufschieben.
  14. Gelenkwellen-Teilstücke zusammenschieben (Markierungen beachten!).
  15. Befestigungsschellen der Manschette schließen.
  16. Gelenkwelle in umgekehrter Reihenfolge inklusive Sicherungsbügel wieder ins Fahrzeug einbauen, neue Schrauben und Muttern verwenden und Drehmomente beachten!

Einbau der Kardanwelle

Um sicherzustellen, dass die instand gesetzte oder neue Welle optimal läuft und lange hält, sollte der Werkstattfachmann auch beim Einbau einige wichtige Punkte beachten:

  1. Stirnflächen der Gelenkwellen- und Gegenflansche müssen frei von Rostschutzmitteln, Schmutz, Fett und Farbe sein, um eine betriebssichere Verbindung zu gewährleisten.
  2. Gabelstellung der Welle prüfen und auf Pfeilmarkierungen achten: Sie müssen einander gegenüberliegen. Profilteile sind zueinander gepasst und dürfen nicht vertauscht werden.
  3. Transportsicherungen gegen ein Auseinanderziehen erst unmittelbar vor dem Einbau entfernen!
  4. Befestigungselemente grundsätzlich erneuern und bei Schrauben und Muttern die vom Hersteller vorgeschriebene Qualität (Zugfestigkeit/Streckgrenze) verwenden!
  5. Sämtliche Verschraubungen mit dem vorgeschriebenen Drehmoment anziehen.
  6. Bei bereits gelaufenen Wellen darauf achten, dass der Wuchtzustand nicht verändert wurde.

So wird’s gemacht!

Video-Tutorial Austausch Lkw-Gelenkwelle
Mechatronikerin Victoria zeigt im Video-Tutorial von Spicer, wie der fachgerechte Austausch einer Lkw-Gelenkwelle auszusehen hat. Screenshot: Dana/Kuss

Der Aus- und Einbau von Gelenkwellen und der Ersatz defekter Zwischenwellenlager gehören zu den Standardarbeiten in der Nutzfahrzeug-Werkstatt. Wie einfach der fachgerechte Austausch vonstatten geht, zeigen Video-Tutorials des zum Dana-Konzern gehörenden Gelenkwellenherstellers Spicer. Die aus den Schulungsvideos des ebenfalls zu Dana gehörenden Dichttechnikspezialisten Victor Reinz bekannte Mechatronikerin Victoria präsentiert im jüngsten Video von Spicer am Beispiel eines Mercedes-Benz Sprinter, wie der Austausch eines Gelenkwellenzwischenlagers Schritt für Schritt erfolgt. Das Video „So tausche ich ein Zwischenwellenlager am Sprinter“ ist neben „So ersetze ich eine Gelenkwelle“ und „So demontiere ich ein Gelenkwellenzwischenlager beim Lkw“ das dritte Schulungsvideo von Spicer. Alle drei Nutzfahrzeug-Tutorials finden Interessierte unter https://spicerparts.com/en-emear/videos.

 

Gibt es die perfekte Welle?

Aus Kosten- und Gewichtsgründen legen Nutzfahrzeughersteller Gelenkwellen meist nur auf den überwiegend zu erwartenden Einsatzzweck aus – mit der Folge, dass es in der Praxis bei extremen Anwendungen zu frühzeitigem Verschleiß und Überlastungsschäden kommt. Bei einer Reparatur können professionelle Wellen-Aufbereiter jedoch Verbesserungen vornehmen, etwa die Welle verstärken und feinstwuchten, um sie so ihrem tatsächlichen Einsatzzweck anzupassen.

Die Erfahrung zeigt aber auch, dass die Standzeit der ‚zweiten Welle‘, gleichgültig ob neu oder repariert, oftmals kürzer ist, was aus dem Zustand der Wellen-Peripherie resultiert. Deshalb sollte der Werkstattfachmann beim Wellentausch auf laufzeitbedingt erhöhtes Spiel an den achsführenden Teilen, der Motorlagerung sowie auf Verschleiß am Kupplungssystem und den Gesamtzustand des übrigen Antriebsstranges achten.

Gelenkwelle mit Ballspline-Technologie
Gelenkwellen, speziell für leichte Nutzfahrzeuge, sind High-Tech-Komponenten. Die ‚Ballspline‘-Verschiebeeinheit in der Längswelle des VW Amarok – in der rechten Bildhälfte im Schnitt zu sehen – beispielsweise ermöglicht, dass sich die Welle bei einem Crash verkürzen kann. Bild: GKN Automotive

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1/2022 der Krafthand-Truck.