Da Hygienemängel am Klima- und Lüftungssystem von Kraftfahrzeugen die Gesundheit der Insassen gefährden können, haben Experten des VDI und des ZDK neue Hygieneanforderungen für Klimaanlagen festgelegt. Dazu gehört auch der regelmäßige Filterwechsel. Bild: Mann-Filter
Gegen Keime und Gesundheitsgefahren

Saubere Luft in der Fahrerkabine

Gegen Krankheitserreger und Keime hilft nur regelmäßiges, gründliches Desinfizieren. Das gilt auch für die Lkw-Klimaanlage. Andernfalls mutiert sie zur Bazillenschleuder. Da längst nicht alle Reinigungsmethoden gleich effektiv sind, soll künftig eine neue Richtlinie samt Sachkundeschulung für mehr Klimaanlagen-Hygiene sorgen.

Gefährlicher Geruch

Der Blick durch das Endoskop zeigt, dass sich auf den Lamellen des Verdampfers bereits ein gesundheitsschädlicher Belag gebildet hat – die Ursache für den üblen Gestank beim Einschalten der Aircondition. Bild: Kuss

Eine verunreinigte Klimaanlage, inklusive entsprechender Geruchsbelastung, ist nicht nur während der Fahrt und in den Pausen- und Schlafzeiten unangenehm, sondern kann den Trucker auch regelrecht krank machen. Laut Dr. Dipl.-Ing. Andreas Winkens, Spezialist für Lufthygiene beim Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI), handelt es sich bei einer nicht regelmäßig gewarteten Fahrzeugklimaanlage um eine tatsächliche Gefahr für die Gesundheit. Als Folge mangelhafter Wartung und Reinigung kann es im Klima- und Lüftungssystem zu einer mikrobiologischen Besiedelung durch Bakterien, Schimmelpilze und Viren kommen. Mit der gesundheitsgefährdenden Verschmutzung der Anlage geht zudem auch eine Gefährdung des Werkstatt-Servicepersonals einher. Die Mechatroniker(innen) kommen bei Wartungsarbeiten ebenfalls mit den kontaminierten Bauteilen in Berührung.

Ursachen für die Keimbelastung

Schließt man Bedienungsfehler, etwa einen zu großen Unterschied zwischen Außen- und Innenraumlufttemperatur aus, kommen vor allem hygienerelevante Zusammenhänge in Frage. Beispielsweise fällt beim Herunterkühlen der Innenraumluft am Lamellensystem des Verdampfers aufgrund physikalischer Vorgänge Kondenswasser an. Üblicherweise tropft es in eine unter dem Verdampfer befindliche Auffangschale und gelangt von dort über einen Ablaufschlauch ins Freie. Den Schlauch sollte der Werkstattfachmann regelmäßig auf Durchgängigkeit prüfen. Andernfalls kann es zu einer Verkeimung der umgebenden Bauteile kommen.

Doch selbst bei einem ordnungsgemäß funktionierenden Kondenswasser-Ablauf verbleibt eine Restfeuchtigkeitsmenge auf der Oberfläche der Kühllamellen des Verdampfers zurück. Dieser Feuchtigkeitsfilm liefert optimale Bedingungen für eine mikrobiologische Besiedelung. In einem permanent feuchten Milieu können sich Bakterien, Viren und Schimmelpilze rasant vermehren.

Zugesetzter Filter

Lüftungsgütesensor
Mit einem Luftgütesensor lässt sich die Qualität der einströmenden Zuluft der Klimaanlage bei der Fahrzeugannahme ermitteln. ‚Rot‘ deutet auf einen dringenden Handlungsbedarf hin. Bild: Tunap

Eine weitere Ursache für eine gesundheitsgefährdende Keimbildung ist ein zugesetzter Innenraumfilter. Das verstärkt die mikrobielle Besiedlung des Verdampfers zusätzlich, weil vermehrt Staub, Pollen und andere keimfördernde Stoffe eindringen können. In Summe verteilen sich die Schadstoffe hochkonzentriert über das Lüftungssystem in der gesamten Fahrerkabine. Mit dem Luftstrom werden Winkens zufolge auch die teils toxischen Zerfallsprodukte von Bakterien (Endotoxine) und Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen (Mykotoxine) ins Wageninnere geblasen. Bereits in geringer Konzentration stellten sie ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar.

Ein halbjährlicher Wechsel des Innenraumfilters ist demnach speziell bei Lkw angezeigt. Dabei muss der Nfz-Profi auch das Filtergehäuse reinigen und desinfizieren. Zum Einsatz kommen dabei immer mehr Filter mit Aktivkohleanteil. Sie halten Gerüche, VOC (Volatile-Organic-Compounds = flüchtige organische Verbindungen) sowie schädliche Gase wie Stickoxide ansaugseitig aus dem Luftstrom zurück, bevor diese in die Fahrerkabine gelangen.

Klimaanlagen reinigen und desinfizieren

Klimaanlagen-Reinigungssysteme, bei denen das Reinigungsmittel mit Druckluft über eine handgeführte Applikationslanze direkt auf die Verdampfer-Oberfläche gesprüht wird, zählen zu den wirkungsvollsten, da sie Schmutz und schädliche Mikroorganismen mit Hochdruck wegspülen. Bild: Tunap

Um den Verdampfer zu reinigen und zu desinfizieren, gibt es die unterschiedlichsten Methoden, welche sich bei Pkw und Nutzfahrzeugen gleichermaßen einsetzen lassen. Was die Wirksamkeit der verschiedenen Verfahren betrifft, kommt es immer wieder zu Diskussionen. Mitunter sind es anbieterorientierte Tests, die die Wirksamkeit der jeweiligen Methode belegen sollen. Doch es gibt auch unabhängige Prüfungen, etwa durch die Experten des VDI, welche Werkstatt-Profis eine neutralere Orientierung bieten können.

Reinigung via Sprühlanze

Zu den weit verbreiten Reinigungssystemen gehört die Reinigung mittels Druckluft, Reinigungsmittel und Sprühlanze. Das Reinigungsprodukt wird direkt auf die Verdampfer-Oberfläche gesprüht. Die Ablagerungen werden hinausgespült, wobei die verschmutzte Flüssigkeit über den (vorher freigemachten!) Kondenswasser-Ablauf ins Freie gelangt. Je nach Systemanbieter besitzt die Lanze eine spezielle Markierung, so dass sich auf einfache Weise kontrollieren lässt, in welcher Position zum Verdampfer oder innerhalb der Luftführung sich der Sprühkopf gerade befindet. Wichtig bei dieser Methode ist, dass sich der Anwender anhand des Produktdatenblatts vergewissert, dass das eingesetzte Reinigungsmittel für Mensch, Material und Umwelt unbedenklich ist.

Reinigung mit Hilfe von Ultraschall

Weil kaum Demontagearbeiten anfallen, ist das Kaltverdampfen einer speziellen Reinigungsflüssigkeit mittels Ultraschalls ebenfalls verbreitet. Der Verdampfer wird so im Fußraum platziert, dass der Verdampfer-Ausgang direkt in die Ansaugöffnung für die Innenraumluft zielt. Bei geschlossenen Fenstern, geöffneten Ausströmern und im Umluftbetrieb, gelangt der kalte Dampf des Reinigers durch das gesamte Lüftungssystem und in die Fahrerkabine. Der Innenraumfilter sollte dabei ausgebaut sein.

Reinigung mittels Ozon

Dank seiner Sensoren erkennt AIR2SAN die richtige Ozonmenge, die verteilt werden soll. Die Rückumwandlung des Ozons in Sauerstoff am Ende des Verfahrens ist wichtig, um eventuell auftretende Gerüche oder Atemwegsreizungen zu vermeiden. Bild: TEXA

Die Reinigung des Klimakreislauf (und die Fahrerkabine) mit Ozon (O3) ist eine weitere Möglichkeit und wird zur Desinfektion eingesetzt. Bei Ozon handelt es sich um einen chemisch hochreaktiven Sauerstoff, welcher von einem Ozongenerator aus der Umgebungsluft gewonnen wird. Bei entsprechend hoher Konzentration tötet Ozon sämtliche Mikroorganismen ab. Ozon kann jedoch bereits in geringer Konzentration die Lungenfunktion stören und Atemwege schädigen. Zudem ist Ozon nach der Technischen Regel für Gefahrenstoffe TRGS 905 als krebs-erzeugend, Kategorie 3, eingestuft. Da man nach einer Ozonbehandlung selbst durch intensives Lüften nicht zuverlässig garantieren kann, dass das gesamte Ozon aus der Fahrgastzelle verschwunden ist, raten manche Klimatechnik-Spezialisten von dieser Methode ab. Allerdings gibt es auch ‚intelligente‘ Ozon-Erzeuger, die den Ozon am Ende des Verfahrens in Sauerstoff rückumwandeln oder den Anwender per App informieren, sobald die Restkonzentration im Fahrgastraum unbedenklich ist.

 

Sauber Arbeiten

Die Wirksamkeit der Reinigungsmethoden hängt gezielt davon ab, wie sorgfältig der Werkstattfachmann arbeitet und ob er die Gebrauchsanweisung des Systemanbieters befolgt. Ist der Verdampfer gut erreichbar? Auch das spielt für den Reinigungserfolg eine Rolle!

 

Anforderungen und Sachkunde

Zu einem fachgerechten Hygieneservice an der Klimaanlage gehört neben der Reinigung des Verdampfers auch eine Behandlung des Lüftungssystems. Bild: Herth+Buss

Da Hygienemängel am Klima- und Lüftungssystem von Kraftfahrzeugen die Gesundheit der Insassen gefährden können, haben Experten des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) gemeinsam neue Hygieneanforderungen für Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen festgelegt. Sie wurden in der technischen Richtlinie ‚VDI/ZDK 6032, Pkw/Lkw‘ zusammengefasst, die im Juni 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Passend dazu bietet die Akademie Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (TAK) eine entsprechende ‚Sachkundeschulung für Klimaanlagen-Hygiene in Kraftfahrzeugen‘ mit abschließendem ZDK/VDI-Zertifikat an. Laut TAK kombiniert das Seminar theoretisches Grundlagen- mit praktischem Anwenderwissen. Der Teilnehmer erhält umfassendes Wissen über die Ursachen hygienischer Mängel und die Einhaltung von Hygieneanforderungen in der Lüftungstechnik von Pkw und Lkw. Zudem lernt er Baugruppen und deren Bedeutung für die Hygiene/Luftqualität im Fahrzeug kennen.

Handlungsempfehlungen zur Technischen Richtlinie 6032. Bild: VDI/ZDK

Weitere Themen sind die Grundlagen der Reinigung und Desinfektion sowie die unterschiedlichen Reinigungsverfahren und deren Auswirkungen auf die Luftqualität sowie der fachgerechte Austausch von Innenraumluftfiltern inklusive Wartung und Reinigung des Lüftungssystems. Hinzu kommen Sicherheitsvorkehrungen für Mechatroniker, die hygienische Wartungs- und Reinigungsarbeiten an Lüftungssystemen durchführen.

Die Verantwortung liegt beim Arbeitgeber!

Auch die DGUV Information 215-530 ‚Klima im Fahrzeug‘ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung weist im Rahmen des Gesundheitsschutzes auf die mögliche Gefährdung durch Keime, Schimmelpilze, Sporen und Bakterien in der Zuluft hin. Außerdem empfiehlt die Information explizit die notwendige, regelmäßige und professionelle Wartung und Reinigung des Klimasystems. Die Verantwortung liegt beim Arbeitgeber und ist im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungs-Beurteilung manifestiert.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1-2025 der Krafthand-Truck.