Radlagerschäden – Ursachen, Folgen und Reparatur
Immer wieder bleiben Nutzfahrzeuge liegen, weil eine wichtige Fahrzeugkomponente ausgefallen ist. Beispielsweise ein Radlager. Dabei ist es gleichgültig, ob es an der ziehenden oder der gezogenen Einheit versagt: die Fahrt ist erst einmal zu Ende. Im besten Fall ist es mit einem neuen Radlager getan, in einem schlimmeren Fall sind weitere Komponenten im Umfeld des Radlagers betroffen und müssen ebenfalls erneuert werden. Dies ist vielfach zeitaufwändig, da die benötigten Zusatzkomponenten (Achsstummel, Achsschenkel et cetera) oft nicht vorrätig sind und erst beschafft werden müssen – was die Ausfallzeit des havarierten Nutzfahrzeugs nochmals erhöht. Im Extremfall aber kann ein plötzlicher ‚Lager-GAU‘ einen Unfall mit verheerenden Folgen verursachen.
Vorbeugen ist besser
Damit keiner der oben genannten Fälle eintritt, ist es extrem wichtig, dass der Werkstattfachmann den Radlagern regelmäßig seine Aufmerksamkeit schenkt. Nur so lässt sich ein schleichender Verschleiß und drohende Schäden frühzeitig erkennen. Die regelmäßige Kontrolle wird immer wichtiger, da die Transport- und Kilometerleistung in den vergangenen Jahren beträchtlich gewachsen ist – und damit zwangsläufig auch die Belastung der Radlager. „Das Radlager dient nicht nur als Bindeglied zwischen Rad und Fahrwerk, sondern nimmt zudem auch noch alle fahrdynamischen Kräfte auf. Es ist somit ein absolutes Sicherheitsbauteil“, konstatieren die Nutzfahrzeugspezialisten von Schaeffler Automotive Aftermarket.
Wie lange ein Radlager im Realbetrieb hält, hängt stark von den Einsatzbedingungen ab. „Die Marktanforderungen haben sich von ehemals 300.000 Kilometer Laufleistung bei Standardlagern auf über eine Million Kilometer bei Radlagereinheiten entwickelt“, berichten die Fachleute. Unter der Marke ‚FAG‘ beliefert Schaeffler sowohl die Erstausrüstung als auch den Aftermarkt mit unterschiedlichsten Lagern. Für den Ersatzmarkt hat das Unternehmen außerdem spezielle Reparaturlösungen entwickelt, die gegenüber Standard-Lagern mehr Sicherheit beim Einbau bieten und das Risiko von Einbaufehlern minimieren.
‚Lager-Killer‘ Nummer eins: Montagefehler
Lange Zeit kamen beim Radlagertausch einzelne Standard-Kegelrollenlager, im Fachjargon auch TRB (Tapered-Roller-Bearings) genannt, bestehend aus Außenring, Innenring mit Wälzkörper und Käfig, zum Einsatz. Der Austausch ist zwar simpel, aber zeit- und arbeitsaufwändig – und es gibt eine Reihe möglicher Fehlerquellen bei der Montage, beispielsweise die Wahl des Schmiermittels, der nicht fachgerechte Einbau des Dichtrings oder das fehlerhafte Einstellen der Lagerluft. Darüber hinaus können sich bei Wartungsarbeiten im Lagerumfeld, bei denen der Radkopf zu demontieren ist, weitere Probleme einschleichen, die die Lebensdauer des Lagers verkürzen: eindringender Schmutz, Fehler beim Nachschmieren und Einstellen et cetera.
Mehr Montagekomfort und -sicherheit bieten so genannte ‚Insert Units‘ (IU), eine Weiterentwicklung der TRB. Die IU wird paarweise ‚trocken‘ und üblicherweise zusammen mit den Dichtringen geliefert. Ein Sicherungsring verbindet das Lagerpaar nach der Montage, sodass diese beim Aufschieben auf die Achswelle in ihrer Position gehalten und nicht beschädigt werden. Der Ring verhindert außerdem, dass die Lager bei einer späteren Demontage der Radnabe auseinanderfallen. Eine Weiterentwicklung der IU ist die RIU (Repair-Insert-Unit), allerdings ist diese Radlagereinheit bereits einbaufertig vormontiert, abgedichtet und lebensdauergeschmiert. Zum Lieferumfang gehört ein Spezialwerkzeug, das die korrekte Montage erleichtert. Eine weitere Variante der IU ist die ebenfalls einbaufertige Truck-Hub-Unit (THU). Die geschlossene, wartungsfreie Einheit besteht aus einen gemeinsamen Außenring und zwei Innenringen mit jeweils einer Reihe Kegelrollen.
ABS-Ring
In manchen Fällen ist beim Radlagertausch auch der ABS-Sensorring zu ersetzen, entweder, weil er beim Demontageversuch beschädigt wurde, oder weil der Dichtring ersetzt werden muss und der Sensorring im Dichtring integriert ist. Anbieter wie FEBI legen daher die ABS-Ringe ihren Radlagersätzen bei.
Spezielle Reparaturlösungen
Da der Druck bei Nutzfahrzeugbetreibern, die Gesamtbetriebskosten (TCO) zu senken, stetig zunimmt, sind im freien Ersatzteilmarkt zunehmend spezielle Reparaturlösungen gefragt. Diese sind zwar auf den ersten Blick als reines Ersatzteil zunächst teurer, bieten jedoch interessante Vorteile: sie lassen sich rasch und unkompliziert verbauen und sind wenig anfällig für Montagefehler. Darüber hinaus bleiben sie stets als geschlossene Einheit zusammen – auch bei einer späteren Demontage, etwa beim Bremsenservice. Dadurch entfallen dort die sonst üblichen Verbundarbeiten wie Zerlegen, Reinigen, Nachschmieren und Einstellen, was einerseits die reparaturbedingten Standzeiten verkürzt und andererseits das Risiko montagebedingter Folgeschäden minimiert. „Dank der erhöhten Reparaturqualität und der Langlebigkeit der Komponenten verlängern sich zudem die Serviceintervalle, was sich wiederum positiv auf die TCO auswirkt“, so die Experten von Schaeffler.
Der Zulieferer hat solche Lösungen unter der Marke FAG als ‚FAG SmartSet‘ und ‚FAG Complete Hub‘ im Programm. Das einbaufertige ‚SmartSet‘ ist als Ersatz für Standard-Kegelrollenlager von Lkw, Bussen und Trailern gedacht. Die Einheit ist vormoniert, vorpositioniert und lebensdauergeschmiert, zudem enthält das Set ein Spezialwerkzeug, das den Einbau in die Radnabe vereinfacht. Da der Trend in der Erstausrüstung vermehrt zu kompakten Radlagereinheiten – so genannten Units – geht, hat Schaeffler mit dem ‚FAG-Complete-Hub‘ ein entsprechendes Produkt entwickelt. Es handelt sich dabei um eine ebenfalls einbaufertige, vormontierte Radnaben-Reparaturlösung für Lkw und Trailer, zu der serienmäßig die Aufnahme für Bremsscheibe und Radträger, eine eingepresste Radlagereinheit (je nach Anwendung RIU, THU oder SmartSet) sowie ein vormontierter ABS-Encoderring gehören. In ähnlicher Form sind solche Reparaturlösungen auch von SKF und anderen Lagerherstellern verfügbar.
Praxistipp: Radlager korrekt anstellen
Unter dem Anstellen eines Radlagers versteht man das definierte Verspannen der äußeren und der inneren Lagereinheit, indem man den Lagerring der beiden spiegelbildlich eingebauten Kegelrollenlager auf seiner Sitzfläche so weit verschiebt, bis das gewünschte Spiel beziehungsweise die vorgeschriebene Vorspannung erreicht ist. Beim Einstellen ändern sich die radiale und axiale ‚Lagerluft‘ (Spiel) gleichzeitig in einem bestimmten Verhältnis, welches wiederum direkt vom Druckwinkel des Lagers abhängt. Beim Einstellen muss der Werkstattfachmann das Rad entgegen der Drehrichtung des Festziehens drehen, sodass die Rollen ihre korrekte Position einnehmen können. Die große Stirnseite der Rollen muss dabei am Führungsbord anliegen. Quelle: Schaeffler Automotive Aftermarket
Schmierung, Fremdkörper
Den Fachleuten von Schaeffler Automotive Aftermarket zufolge sind über 50 Prozent aller Wälzlagerschäden auf eine fehlerhafte Schmierung zurückzuführen. Das Fatale dabei ist, dass aufgrund der Mangelschmierung nicht nur das Lager ‚stirbt‘, sondern vielfach auch weitere Komponenten im Lagerumfeld in Mitleidenschaft gezogen werden. Zudem lassen sich Schäden an der Peripherie nicht immer auf den ersten Blick als Folgeschaden erkennen.
Zu den Lagerkillern‘ gehören ungeeignete oder verunreinigte Schmiermittel sowie eine nicht korrekte Fettmenge. Beides kann einen vorzeitigen Verschleiß verursachen. Eine Mangelschmierung führt an den Kontaktstellen zwangsläufig zu Ermüdungsschäden oder zum Heißlaufen – was schließlich zu einem verfrühten Lagertod führt. Hinzu kommen feste und flüssige Verunreinigungen. Feste Fremdkörper im Schmierfettwirken abrasiv und verschleißfördernd.
Unterschätzt wird die schädigende Wirkung flüssiger Verunreinigungen. „Selbst reines Wasser ohne zusätzliche aggressive Medien hat ein sehr hohes Schädigungspotenzial“, warnen die Experten von Schaeffler.
Welche Eigenschaften müssen Radlagerfette haben?
Korrekt geschmiert? Warum der Einsatz des richtigen Radlagerfetts eine wichtige Rolle spielt
Speziell Radlager sind in Lkw hohen Belastungen ausgesetzt. Zudem müssen Sie auch bei höheren Temperaturen funktionieren. Um die Funktion dauerhaft aufrechtzuerhalten, kommen spezielle Fette zum Einsatz. Wir haben bei Samuel Braun, Produktmanager Heavy Commercial Vehicles bei Schaeffler Automotive Aftermarket nachgefragt, was moderne Lagerfette leisten müssen. … weiter
Alarmanlage für das Radlager
Verschleiß ist die Hautpursache für Radlagerprobleme. Eine frühzeitige Verschleißerkennung könnte jedoch Komponentenausfälle verhindern, sagen die Lagerexperten von SKF. Sie haben deshalb den ‚Wheel-End-Monitor‘ entwickelt, der Laufbahn-Abschälungen in Nutzfahrzeug-Radlagern praktisch ohne Zeitverzug erkennen soll. Das Gerät dient damit quasi als Alarmanlage gegen Lagerausfälle und soll das Risiko ungeplanter ‚Liegenbleiber‘ minimieren. Sachgemäß eingesetzt und regelmäßig kontrolliert soll der Sensor im Alarmfall ausreichend Spielraum für zeitnah planbare Instandhaltungsarbeiten schaffen. Durch die engmaschige Überwachung der Lager müssen diese laut SKF erst ersetzt werden, wenn die Gebrauchsdauer erreicht ist. Unnötige Instandhaltungsarbeiten ließen sich so vermeiden. Die Möglichkeit, drohende Lagerprobleme frühzeitig zu erkennen, soll zudem Schäden an anderen Radlagerkomponenten verhindern und den Instandhaltungsaufwand reduzieren, wodurch sich wiederum die Flottenkosten verringern lassen sollen. Den Technikern von SKF zufolge passt der Wheel-End-Monitor ohne Radwechsel zu vorhandenen Radlagerungen.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4/21 der Krafthand-Truck.