Professionell Arbeiten: Nutzwertige Spezialwerkzeuge für Nfz-Profis
Spezialwerkzeuge sind für die Wartung und Reparatur von Lkw, Anhängern und Bussen unerlässlich. Zeitersparnis, Arbeitssicherheit, das beschädigungsfreie Handling und letztendlich das Arbeitsergebnis, spielen eine zentrale Rolle. Speziell für knifflige Arbeiten gibt es spezielle Tools, mit denen sich selbst schwierige Aufgaben effektiver, schneller und sicherer bewältigen lassen.
Gute Tools, gute Arbeit
Auch in Nutzfahrzeug-Werkstätten wird, was die Werkstattausrüstung angeht, nur mit Wasser gekocht. Allerdings fallen die meisten Werkzeuge aufgrund der Fahrzeugdimensionen und den damit verbundenen höheren Löse- und Anzugsdrehmomenten zwangsläufig um eine Nummer größer aus, als im Pkw-Bereich. Und weil in Nutzfahrzeug-Betrieben permanent Zeitdruck herrscht, sind vor allem Spezialtools gefragt, mit denen sich gewisse Arbeiten schneller und effektiver erledigen lassen. Nachfolgend stellen wir einige clevere Tools vor, die auf den Branchenmessen möglicherweise nicht im Fokus stehen und vielleicht auch beim Durchblättern eines Katalogs nicht sofort ins Auge springen, aber in gut ausgestatteten Nutzfahrzeugbetrieben nicht fehlen sollten.
Bremsen-Rücksteller für enge Platzverhältnisse
Nicht nur im Motorraum, sondern auch an den Achsen lassen die Konstrukteure den Mechanikern immer weniger Platz zum Arbeiten. Bei den mittlerweile weit verbreiteten Mercedes-Benz-Modellen Actros, Antos und Arocs mit Wabco-Bremssystem lassen sich die Rücksteller mit herkömmlichen Werkzeugen kaum betätigen. Die Werkzeug-Tüftler von Hazet haben sich deshalb einen Problemlöser einfallen lassen: ein spezielles Rückstellwerkzeug mit Ratschen-Funktion, mit dem sich der Rücksteller problemlos erreichen und betätigen lässt, ohne den Bremszylinder demontieren zu müssen. Herzstück des Rückstelltools ist ein integrierter Ratschenschlüssel samt Spezialeinsatz. Dank des Drei-Komponenten-Schraubendrehergriffs soll das Werkzeug gut in der Hand liegen und sich einfach betätigen lassen.
Rückenschonend heben und positionieren
Bei Wartungs- und Reparaturarbeiten am Bremssystem von Lkw und Trailern ist es häufig notwendig, den Bremssattel oder die Radnabe abzunehmen – was angesichts des Gewichts keine leichte Aufgabe ist. Um dem Werkstattfachmann ein ergonomisches und rückenschonendes Arbeiten zu ermöglichen, hat Gedore zwei Spezialaufnahmen für handelsübliche Werkstattkräne entwickelt, die ein risikoloses Heben und Positionieren der schwergewichtigen Komponenten erlauben. Unternehmensangaben zufolge lässt sich sowohl die Bremssattel-Hebevorrichtung „KL-1072-100“ (links) als auch das Radnaben-Hebewerkzeug „KL-1029-300“ (rechts) universell bei nahezu allen am Markt befindlichen Lkw, Trailern und Anhängern sowie Brems- und Achssystemen einsetzen. Beide Heber sind über ein Waagesystem exakt und stufenlos einstellbar und gestatten ein winkelgenaues Positionieren ohne die Hilfe einer zweiten Person.
Rettung für lädierte Gewinde (SAF-Holland)
Bei Arbeiten an der Bremse oder der Achse muss es oft schnell gehen. Beim hektischen Abnehmen oder Aufsetzen der Radnabe kommt es daher immer wieder zu Schäden am Gewinde des Achsstummels. Um derartige ‚Kollateralschäden‘ fachgerecht zu beseitigen, haben die Aftermarktspezialisten von SAF-Holland zusammen mit Hazet ein Spezialwerkzeug entwickelt. Mit dem Tool lassen sich lädierte Gewinde von 50 bis 110 Millimeter Durchmesser und mit einer Steigung von 1,5 Millimeter fachgerecht nacharbeiten und meist auch retten. Das Werkzeug rollt das Gewinde, es schneidet nicht nach. Laut SAF-Holland verringert das spanlose Rollen die Materialfestigkeit nicht, allerdings muss der Werkstattfachmann zuerst anhand der in der Bedienungsanleitung hinterlegten Schadensbilder beurteilen, ob eine Reparatur statthaft ist.
Die Handhabung des Gewinderetters ist einfach: Zuerst werden die passenden Rollen in den Werkzeugbügel eingebaut und fixiert, dann das Werkzeug auf das zuvor gründlich gereinigte Gewinde aufgesetzt, wobei die Rollen exakt auf den Gewindeflanken anliegen müssen. Anschließend zieht man die Spannschraube an und rollt das Gewinde so lange nach, bis man die Achsmutter wieder problemlos per Hand aufschrauben kann. Lässt sich diese einwandfrei mit 900 Nm anziehen und wieder lösen, ist das Gewinde nach Unternehmensangaben wieder uneingeschränkt einsatzbereit.
Lecksuche mit Ultraschall
Undichtigkeiten am Druckluftsystem kommen in der Praxis häufig vor. Sie können nicht nur gefährliche Systemstörungen verursachen, sondern auch teuren Kraftstoff kosten, weil der Kompressor häufiger aktiv werden muss, um den Druckverlust auszugleichen. Das Aufspüren solcher Lecks gehört allerdings zu den eher ungeliebten Aufgaben in der Nfz-Werkstatt, weil sich speziell Kleinstleckagen mit nur minimalem Luftverlust mit der klassischen Seifenblasen-Methode oder einem schäumenden Lecksuchspray sehr schlecht und zeitintensiv ermitteln lassen. Deutlich schneller und zielsicherer kommt der Nutzfahrzeugprofi mit dem Ultraschall-Lecksuchsystem ‚USM 20128‘ des Messtechnikspezialisten Romess-Rogg ans Ziel. Das Gerät besitzt einen modulierenden Sender, der nach eigenen Angaben vor allem bei Mikro-Leckagen punkten soll, da der Anwender damit das gesamte Frequenzband scannen kann. Mit dem Ultraschall-Sucher lassen sich aber nicht nur undichte Druckluftkomponenten, sondern auch Leckagen an Klimaanlagen, Turboladern, Bremskraftverstärkern und dem Motoransaugsystem ausfindig machen. Den Produktinformationen zufolge kann das ‚USM 20128‘ Luft-, Dampf- und Gasleckagen mit Querschnitten bis hinunter zu 0,1 Millimeter noch sicher lokalisieren.
Der richtige Dreh beim Bremsenservice
Das Überprüfen, ob die Nachsteller in den Bremssätteln der Scheibenbremse noch einwandfrei funktionieren, gehört zu den Basics beim Bremsenservice. Die Nachsteller sind dafür verantwortlich, dass der Abstand zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe – das sogenannte Lüftspiel – immer optimal im Mittel liegt. Es darf nicht zu klein sein, weil sonst der Belag permanent an der Scheibe anliegt, was zur Überhitzung und zu erhöhtem Verschleiß führt. Ist der Abstand zu groß, setzt die Bremswirkung verzögert ein – im Extremfall muss der Fahrer/die Fahrerin sogar ‚Pumpen‘. Außerdem kann sich der Bremsweg deutlich verlängern. Auf der diesjährigen Automechanika hat Knorr-Bremse TruckServices einen pfiffigen Werkzeugsatz vorgestellt, mit dem sich schnell und unkompliziert ermitteln lässt, ob das Lüftspiel korrekt ist. Die Handhabung ist simpel: Den passenden Indikator aus dem Satz auswählen und auf den Nachsteller stecken, anschließend die Bremse fünf- bis zehnmal betätigen (lassen) und anhand der Bewegung des pfeilförmigen Indikators beurteilen, ob die Nachstellfunktion korrekt arbeitet. Das ist der Fall, wenn sich der Indikator bei jeder Bremsbetätigung einen kleinen Schritt weiterdreht. Mit zunehmender Anzahl der Betätigungen sollte die schrittweise Bewegung des Indikators abnehmen. Wenn sich der Indikator nur bei der ersten Betätigung oder überhaupt nicht dreht oder sich bei jeder Betätigung vorwärts und rückwärts bewegt, ist der Nachsteller defekt und der Bremssattel möglicherweise zu ersetzen. Der Werkzeugsatz besteht aus fünf farblich unterschiedlichen Indikator-Typen, mit denen sich nicht nur die Scheibenbremssysteme von Knorr-Bremse, sondern auch von anderen Herstellern überprüfen lassen. Jeden Indikator-Typ gibt es zweimal, sodass sich beide Bremssättel einer Achse in einem Durchgang testen lassen.
Zwillingsräder schonend trennen
Speziell bei Baustellen- und Winterdienstfahrzeugen setzen sich mit der Zeit die Felgen bei Zwillingsrädern durch ständigen Spritzwassereinfluss an der Nabe fest. Um die quasi ‚bombenfest‘ miteinander verbundenen Felgen zu trennen, ist häufig viel Zeit, Mühe und Kraft notwendig. Hansewerkzeug hat deshalb ein praktisches Zwillingsrad-Lösewerkzeug im Programm, welches sich nicht nur für den Werkstatteinsatz, sondern auch als Ergänzung für das Bordwerkzeug und die Ausstattung von Notdienstfahrzeugen eignet. Das Lösewerkzeug besteht aus einer robusten Drehspindel, einem Felgenhorn-Stützstück und zwei im Durchmesser verschieden großen Abdrückstücken für die Gegenseite. Nach dem Einführen und Ansetzen des Werkzeugs durch ein Felgenloch lässt sich die Spindelmutter per Schlagschrauber betätigen. Bei besonders hartnäckigen Fällen empfiehlt die Bedienungsanleitung, das Trenntool in einem weiteren Felgenloch auf der gegenüberliegenden Seite einzusetzen. Anbieterangaben zufolge lassen sich nicht nur Zwillingsräder trennen, sondern auch innenliegende Felgen bei entsprechender Abstützung an der Bremstrommel lösen.
Keine Chance für ‚festgeschweißte‘ Felgen
Je länger eine Stahlfelge nicht mehr von der Radnabe genommen wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Anlageflächen stark korrodiert sind und das Rad schließlich wie ‚festgeschweißt‘ hält. Mit etwas Glück lässt es sich durch starke Prellschläge mit dem Vorschlaghammer lösen, was aber nicht ganz ungefährlich ist und zu Verletzungen von Mechaniker und Beschädigung der Felge führen kann. Schneller und professioneller lassen sich Felgen mit dem universell verstellbaren Demontage-Werkzeug ‚7FAZ01‘ von Kunzer lösen. Aufgrund des 1.600 Millimeter langen Hebels kann man hohe Lösekräfte aufbringen. Dank eines verstellbaren Abzughakens lassen sich Flach- und Tiefbettfelgen gleichermaßen beschädigungsfrei abnehmen. Um zu verhindern, dass das Rad plötzlich von der Nabe springt, dreht der Werkstattfachmann die Radmuttern nur etwas heraus, setzt dann den U-förmigen Druckadapter an den Radbolzen an und hängt den Zughaken an einer geeigneten Stelle ein. Durch Heben und Senken des Hebels wird schließlich die Felge gelöst. Die Prozedur wird gegebenenfalls an anderen Radbolzen so lange fortgesetzt, bis die Felge rundum frei ist.
Achsschenkelbolzen stressfrei ausbauen
Achsschenkelbolzen, auch ‚Kingpins‘ genannt, haben nicht nur die Eigenart, mit der Zeit zu verschleißen, sondern häufig auch im Achsschenkel fest zu rosten und sich gegen den Ausbau zu wehren. Selbst mit Vorschlaghammer-Schlägen lässt sich wegen der engen Platzverhältnisse in den wenigsten Fällen etwas ausrichten, zudem besteht das Risiko teurer ‚Kollateralschäden‘. Eine praktische Lösung, speziell für Nutzfahrzeugwerkstätten, bei denen der Tausch des Achsschenkelbolzens nicht zum Tagesgeschäft gehört, hat Josam Richttechnik mit dem Universalausbausatz des schwedischen Werkzeugspezialisten Wallmek im Programm. Nach eigenem Bekunden lassen sich damit die meisten am Markt befindlichen Kingpins (auch konische) direkt an der Achse ohne weitere Demontagearbeiten auspressen und montieren.
Das Werkzeug soll sich einfach anwenden lassen und ist auch für schwer zu erreichende Bolzen und Buchsen geeignet. Beim Einsatz zusammen mit dem empfohlenen 45-Tonnen-Hydraulikzylinder mit integrierter Schlagfunktion sowie dem als Zubehör erhältlichen Schlagkörper lassen sich beim Ausbau lösende Hammerschläge in Druckrichtung des Zylinders auf den Bolzen einbringen. Laut Josam ist diese Schlagfunktion äußerst effektiv. Mit speziell angepassten Ergänzungssätzen lässt sich das Werkzeug für alle gängigen Nutzfahrzeugmarken erweitern.
Ergonomisch und rückenschonend arbeiten
Speziell in Nutzfahrzeugwerkstätten spielt der Gesundheitsschutz eine große Rolle, hat man es doch Teils mit großen Massen und belastenden Arbeitspositionen zu tun. Speziell ein rückenschonendes Arbeiten ist ein wichtiges Thema für Nutzfahrzeugprofis. Spezielle Arbeitshilfen wie der ‚Ergo Seat CP87029‘ von Chicago Pneumatic entlasten den Mechaniker nicht nur, sondern tragen auch dazu bei, dass er seine Arbeit schneller erledigen kann. Bei dem ‚Ergo Seat‘ handelt es sich um einen ergonomischen Sitz, der dem Monteur eine ideale Arbeitsposition erlaubt. Die Kombination aus seilzugbetätigtem Balancer zur Werkzeugaufnahme und einer Druckluft-Wartungseinheit fördert laut Chicago Pneumatic ein ergonomisches Arbeiten. Der Balancer nimmt schwere Druckluftwerkzeuge auf, die integrierte Wartungseinheit versorgt die Werkzeuge mit Druckluft und reduziert das Schlauchgewirr. Der Monteur sitzt bequem mit freier Sicht auf die Verschraubungen vor dem Rad, wobei der Balancer das Werkzeug automatisch und quasi ‚schwebend‘ auf der korrekten Arbeitshöhe hält.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4-2022 der Krafthand-Truck.