NOx-Sensoren sorgen für saubere Abgase
Moderne Euro-VI-Nutzfahrzeuge gehören zu den saubersten und umweltfreundlichsten Verkehrs- und Transportmitteln. In zahlreichen Tests haben sie bewiesen, dass sie sogar sauberer sind als die meisten Euro-6-Pkw. Um die ausgestoßenen Abgase zu reinigen, haben Euro-VI-Lkw und -Busse hochkomplexe Abgasnachbehandlungssysteme an Bord. Es handelt sich um kleine ‚chemische Fabriken‘, die bestimmte Bestandteile des Abgases – unter anderem die giftigen Stickoxide (NOx) weitestgehend unschädlich machen.
Leistungsstarke SCR-Systeme
Das am weitesten verbreitete Abgasnachbehandlungssystem ist das SCR-System, wobei das Kürzel ‚SCR‘ für selektive katalytische Reduktion (selective catalytic reduction) steht. Als Reduktionsmittel hat sich Ammoniak (NH3) bewährt. Es wird an Bord durch Thermo- und Hydrolyse aus ‚Adblue‘ gewonnen. Die wässrige Lösung besteht zu 32,5 Prozent aus Harnstoff und zu 67,5 Prozent aus demineralisiertem Wasser und wird in einem separaten Tank mitgeführt.
Das SCR-System wandelt durch die Zudosierung einer exakt berechneten Menge der Harnstoff-Lösung in den Abgasstrom direkt vor dem SCR-Katalysator die schädlichen Stickoxide in harmlosen (ungiftigen) Stickstoff (N) und Wasser (H2O) um. Auf diese Weise lassen sich unter optimalen Bedingungen, beispielsweise einer ausreichend hohen Abgastemperatur, die Stickoxid-Emissionen um bis zu 98 Prozent reduzieren. Manche Fahrzeughersteller koppeln das SCR-System zusätzlich noch mit einem Abgasrückführsystem (AGR), um eine maximal Abgasreinigung zu erzielen.
Sensible Sensorik
Damit die Abgasreinigung effektiv funktioniert, sind eine ganze Reihe Sensoren nötig. Der wichtigste und damit quasi das Herzstück des SCR-Systems, ist der NOx-Sensor. Entweder einzeln hinter oder als Systempaar vor- und nach dem SCR-Katalysator direkt im Abgasstrom montiert, messen die Sensoren die Sauerstoff- als auch die Stickoxid-Konzentration im Abgas. „NOx-Sensoren überwachen in Echtzeit die Funktion und Effektivität der SCR-Anlage und liefern die Messgröße, um die für einen optimalen Reduktionsprozess notwendige Menge an ‚Adblue‘ zu berechnen“, so Sascha Keller, verantwortlich für das Produktmarketing bei Febi. NOx-Sensoren gibt es allerdings nicht erst seit Einführung der Euro-VI-Abgasnorm. Vereinzelt hatten bereits Euro-V-Lkw und -Busse die Technik an Bord. Prinzipiell bestehen NOx-Sensoren aus der Sonde, einem Anschlusskabel, einem Steuermodul und einem Anschlussstecker.
Begrenzte Lebensdauer
Sensoren zählen laut Jan-Christopher Kölln, zuständig für das Produktmanagement bei Meyle, normalerweise nicht zu den üblichen Verschleißteilen eines Nutzfahrzeugs. Aber aufgrund der exponierten Position direkt im heißen Abgasstrom und den dort herrschenden Umgebungsbedingungen habe sich jedoch in der Praxis gezeigt, dass die Lebensdauer von NOx-Sensoren begrenzt ist. „Im Fahrbetrieb verrußen die Sensorköpfe, da sie direkt im Abgasstrom liegen“, berichtet der Fachmann.
Laut Kölln könnte man zwar prinzipiell den Sensor ausbauen, freibrennen und wieder einbauen, was aber ein zeitaufwändiges Unterfangen mit nur begrenzter Wirksamkeit wäre. Dem Nutzfahrzeugspezialisten zufolge sind alle Fahrzeughersteller von dem Sensorproblem betroffen. Die jeweilige Standzeit hängt von den jeweiligen Fahrbedingungen ab: häufiger Kurzstrecken- und innerstädtischer Stop-and-Go-Betrieb begünstigen aufgrund der geringeren Abgastemperaturen die Verrußung des Sensorkopfs.
Notlauf-Betrieb
Das Abgassystem wird von der Onboard-Diagnose (OBD) in Echtzeit überwacht. Beispielsweise werden ‚AdBlue‘-Tankinhalt, -Qualität und -Verbrauch, das Eindüsungssystem sowie die NOx-Werte kontrolliert. Bei einem Defekt in der SCR-Anlage oder Abweichungen von den Sollwerten erhält der Fahrer eine Warnung im Armaturen-Display. Reagiert er nicht, geht das Fahrzeug in den Notlauf.
Allerdings gibt es den Teilefachleuten von Hofmeister + Meincke zufolge unterschiedliche Meldestufen. Es wird zwischen ‚Warnschwelle‘ und ‚Schwelle für Drehmomentbegrenzung‘ unterschieden. Ist die Warnschwelle erreicht, werden die NOx-Grenzwerte überschritten: Die MI-Leuchte blinkt und die OBD legt entsprechende Fehlercodes ab. „Fährt der Fahrer weiter und der NOx-Ausstoß überschreitet die Schwelle von 7,0 g/kWh oder wird die Reduktionsmittel-Zufuhr unterbrochen, schreitet der Drehmomentbegrenzer ein. Eine Weiterfahrt ist dann nur noch mit einem um 25 beziehungsweise 40 Prozent reduzierten Drehmoment möglich.
Sensoren für den IAM
„Lange Zeit waren Ersatz-NOx-Sensoren nur über die Hersteller zu bekommen. Das hat sich geändert“, berichtet Oliver Gravemann, Verkaufsleiter D-A-CH beim dänischen Abgastechnikspezialisten Dinex. Das Unternehmen präsentierte auf der Automechanika 2018 seinen ‚DinSensor‘ speziell für den freien Ersatzteilemarkt. Seitdem hat sich die Zahl der Sensoren-Anbieter beträchtlich erhöht. Zu den bekanntesten Anbietern gehören neben Dinex unter anderem auch Auger, Bosch, Continental, Denso, DT-Diesel-Technic, Febi, Meyle oder PE Automotive.
Tipps zum Sensortausch
Die Experten von DT-Diesel-Technic empfehlen vor dem Ausbau die Verkabelung auf Schäden und Kontaktprobleme (Übergangswiderstände) zu prüfen. Zudem sollte man sichergehen, dass die Abgasanlage weder beschädigt noch undicht ist, was zu Fehlmessungen führen würde.
Funktioniert ein neuer Sensor direkt nach dem Austausch nicht (Warnleuchte im Fahrerdisplay oder Fehlerspeichereintrag), liegt dies den Ersatzteilespezialisten von Winkler zufolge meist daran, dass ein falscher Sensor verbaut wurde. Es können aber auch Software-Probleme bei der Kommunikation mit dem Fahrzeug beziehungsweise zwischen den Sensoren auftreten. Das Diagnosegerät liest dann Fehlercodes wie „Kommunikation mit NOx ½ nicht möglich“, „Messwerte nicht plausibel“, „Checksumme falsch“ oder ähnliche Meldungen aus, berichten die Teileexperten. Zudem sollte der Werkstattfachmann prüfen, ob der verbaute Sensor zum Datenstand des Motorsteuergeräts passt oder ob eventuell ein Software-Update nötig ist.
Zusätzlich muss man beim Austausch eines NOx-Sensors auf die Bezeichnung und die Einbauposition vor oder hinter dem Katalysator achten.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4/21 der Krafthand-Truck.