MAN: Erste Probefahrten mit eTruck – bereits 20 Prototypen gebaut.
Im Rahmen der MAN eMobility Experience ermöglichte der Münchener Lkw-Bauer nun erste öffentliche Testfahrten mit dem neuen eTruck. Der Elektro-Löwe, der auch auf der IAA Transportation gezeigt wurde, soll 2024 an die ersten Kunden ausgeliefert werden. Das Fahrzeug ist bereits für künftiges Megawatt-Laden vorbereitet. Das soll den neuen eTruck dank hoher Ladeleistungen bei kurzen Ladezeiten auch tauglich für den schweren Fernverkehr mit Tagesreichweiten zwischen 600 und 800 Kilometern machen – perspektivisch laut MAN sogar bis zu 1.000 Kilometern.
Zusammen mit niedrigen Betriebskosten und einer Energienutzung von Tank zu Rad, die rund zweimal so effizient sei wie im Vergleich zu heutigen Verbrenner-Lkw (aber auch zu Brennstoffzellen Lkw), bieten die batterieelektrischen Fahrzeuge laut MAN die geeignetste Technologie für künftige CO2-freie Nutzfahrzeugflotten. Auch bei der Anwendungsvielfalt und möglichen Aufbaukonzepten soll künftige der MAN eTruck dem heutigen Diesel-Lkw in Nichts nachstehen. Ob als klassischer Sattelzug im Ferntransport von gekühlten Lebensmitteln, als wendiges Drei-Achs-Chassis in der geräuscharmen und abgasfreien Abfallentsorgung in der Stadt oder im vollelektrischen Transport von Materialien zur Baustelle mit Chassis und Anhänger.
Flexible Mischproduktion
20 Prototypen des künftigen eTruck hat MAN in seinem eMobility Center im Münchner Hauptwerk bereits aufgelegt. Die geplante Mischserienfertigung mit konventionellen Trucks wird damit bereits unter realen Bedingungen erprobt. Zum Hintergrund: MAN hat für den Hochlauf der Elektromobilität im schweren Nfz-Segment seine Produktion flexibilisiert, sodass auf einem Band – trotz unterschiedlicher Komponenten, je nach Bedarf der Kunden, Diesel- oder Elektro-Lkw gefertigt werden können. Auch die Belegschaft ist vorbereitet und zu großen Teilen bereits für die neue Elektrotechnologie geschult. Bis Ende 2023 werden alle relevanten Fachkräfte der Lkw-Produktion für die Serienproduktion von E-Lkw qualifiziert sein.
Batteriepacks in hauseigener Fertigung
Investiert wird – neben einer Förderung durch den Freistaat Bayern – auch in das Nürnberger MAN Werk. Hier sollen ab 2025 jährlich rund 100.000 Batteriepacks in hauseigener Großserienfertigung hergestellt werden. Im neuen MAN eTruck kommt bereits die dritte Generation der MAN Aktionsbatterien zum Einsatz. Ausgiebige erste Erfahrungen sammelte MAN mit der ersten Generation in der Kleinserie des MAN eTGM, der sich seit 2019 in zahlreichen europäischen Ländern im Praxisalltag bei Transportunternehmern mittlerweile über 1,5 Millionen Kilometer bewährt hat. Mit der zweiten Generation der Batterien im Stadtbus MAN Lion’s City E konnte zudem ein Reichweitenrekord im Praxiseinsatz über 550 Kilometer mit einer Batterieladung aufgestellt werden. Neben der Reichweite stehen bei der Batterieentwicklung von MAN Crashsicherheit, Haltbarkeit sowie Vibrations- und Temperatur-Widerstandsfähigkeit im Vordergrund.
„Bis 2030 soll die Hälfte unserer in der EU verkauften Fahrzeuge einen emissionsfreien Antrieb haben. Dafür muss aber die Ladeinfrastruktur da sein, in Deutschland und in Europa. Heute hat die deutsche Bundesregierung den Masterplan Ladeinfrastruktur II beschlossen – zum ersten Mal ist auch der Aufbau der Ladeinfrastruktur für batterie-elektrischen Lkw enthalten. Das ist ein wichtiger, erster Schritt, doch müssen die Ziele für Ladestationen und den erforderlichen Flächen- und Energiebedarf konkreter werden“, so Alexander Vlaskamp, Vorstandsvorsitzender von MAN Truck & Bus.
Im Übrigen: Detaillierte Eindrücke zu den Testfahrten gab MAN nicht bekannt.
Ladeinfrastruktur: zentrale Voraussetzung für Elektro-Lkw
Als Teil der Produktentwicklung engagiert sich MAN in zentralen Förderprojekten zur Ladetechnologie für schwere Elektro-Lkw. Eines davon ist ‚HoLa‘ (Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr), das die Auslegung, Installation und den Betrieb von Lkw-Hochleistungsladestationen anhand von vier Pilot-Standorten entlang der Bundesautobahn A2 untersucht. Stärkeren Fokus auf die Ladetechnologieentwicklung legt das Projekt ‚NEFTON‚ (Nutzfahrzeugelektrifizierung zur Transportsektoroptimierten Netzanbindung). MAN Truck & Bus analysiert dabei gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie das System aus vollelektrischem Lkw, Ladesäule und Netzanbindung sowie deren Auslegung für verschiedene Use Cases im Fernverkehr. Zentrales Ziel von NEFTON ist die Demonstration des Megawatt Charging Systems (MCS) von MAN mit einer Ladeleistung von über 2 Megawatt. Damit soll der neu spezifizierte MCS-Ladestandard früh erprobt werden. Auch das bidirektionale Laden im Megawattbereich, durch das der Lkw zusätzlich als Energiespeicher für das Stromnetz fungieren kann, wird im Projekt untersucht.
Über die Ladetechnologie und ihre Anwendung hinaus engagiert sich MAN zudem für den Ausbau der Ladeinfrastruktur: Die TRATON Group hat mit weiteren Industriepartnern ein Joint Venture gegründet, um gemeinsam mindestens 1.700 Hochleistungs-Ladepunkte an oder in der Nähe von Autobahnen sowie von Logistik-Hubs in ganz Europa zu errichten. Die Partner investieren dafür insgesamt 500 Millionen Euro.
Für die künftige Vollelektrifizierung des europäischen Fernverkehrs bedarf es darüber hinaus allerdings einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Schätzungen des Branchenverbands ACEA zufolge werden 42.000 Ladestationen benötigt. Daher begrüßt MAN den Masterplan „Laden“ der deutschen Bundesregierung, der in Kürze verabschiedet werden soll. Die Verkehrswende zu CO2-freien Transportlösungen im Nutzfahrzeugbereich wird nur gemeinsam gelingen. Bei angenommenen 350.000 Elektro-Lkw auf europäischen Straßen bis 2030, würde eine Ladeleistung von 37 Terawattstunden pro Jahr auf Basis erneuerbarer Energien benötigt. Dies entspricht der mittleren Jahresstromerzeugung von rund 6.000 Windkraftanlagen.