niedrig-viskoses Lkw-Motorenöl
Inzwischen ist man auch bei Lkw-Motorenölen bei niedrig-viskosen Ölen ‚X-W-20‘ angelangt. Bilder: Castrol Germany GmbH
Interview

Liquid-Engineering: Was moderne Lkw-Motorenöle leisten

Ein Lkw ist ein Investitionsgut, er muss zuverlässig und dauerhaft laufen. Dies gilt vor allem für den Motor, dem Herz des Fahrzeugs. Der Dieselmotor ist dabei nach wie vor die dominierende Antriebsart und wird es noch einige Zeit bleiben. Für ihn sprechen sein hoher Wirkungsgrad, die Wirtschaftlichkeit sowie die möglichen hohen Motorleistungen.

Mit der neuesten Motorgeneration haben sich die Leistungsparameter weiter erhöht, die Einspritzdrücke stiegen auf bis zu 2.500 bar, die Drehmomente erhöhten sich um bis zu 30 Prozent. Dies führt zwangsläufig zu höheren Temperaturen und Druckbelastungen im Motor. Damit spielt auch das Motorenöl eine immer wichtigere Rolle, um den dauerhaften Betrieb sicherzustellen. Wir haben mit Robert Lehmann Technical Support Specialist bei Castrol Deutschland über die neueste Generation von Lkw-Motorenöle gesprochen.

Sehr geehrter Herr Lehmann, man mag annehmen, dass Motorenöle für Lkw nicht so hohen Anforderungen unterliegen, wie Öle für Pkw mit modernen Downsizing-Motoren. Die Hubräume sind bei Lkw deutlich größer, die Drehzahlen niedriger, die Anzahl der Lastwechsel ist geringer. Warum ist das zu kurz gedacht?

Die Belastungsunterschiede zwischen Pkw und Lkw kann folgender Vergleich sehr gut veranschaulichen: Ein 40 Tonnen schwerer und mit 480 PS ausgestatteter Lkw verfügt über 12 PS pro Tonne. Ein mit 12 PS pro Tonne motorisierter 1,5 Tonnen schwerer Pkw hätte bei gleicher Kalkulation eine Motorleistung von gerade mal 18 PS.

„Die Kombination aus niedriger Viskosität, reibungsmindernden Wirkstoffen und synthetischen Grundölen erzielt den Vorteil bei der Kraftstoffeinsparung.“

Robert Lehmann, technischer Kundendienst für Schmierstoffe bei Castrol
Robert Lehmann

Bei Lkw-Motoren spielt die Dauerhaltbarkeit eine große Rolle. Bis zu 1,6 Millionen Kilometer werden teils mit einem Aggregat gefahren. Dabei sind die Wechselintervalle überaus lang. Widerspricht sich das nicht?

Die Wechselintervalle des Motoröls sind seit einigen Jahren auf einem recht stabilen, aber hohen Niveau von bis zu 150.000 km. Die Motorentechnik ist stetig dabei sich zu modernisieren und zu verbessern. Dabei werden die Qualität und die Spezifikationen der Motorenöle ständig an die höhere Belastung der Motoren angepasst. Die höhere Qualität der Motorenöle in Kombination mit einer guten Treibstoffqualität sorgen dafür, dass weiterhin sehr lange Ölwechselintervalle gefahren werden können.

Die Viskositäten von Lkw-Motorenölen waren früher höher als bei Pkw. SAE-Klassen in den Bereichen 40, 50 oder 60 waren üblich. Mit neuen Motorengenerationen (Euro-6) kommen nun auch Leichtlauföle wie beispielsweise das Vecton Fuel-Saver 5W30 zum Einsatz. Was hat sich geändert, wo liegen die Vorteile?

Die Motoren der neuen Generationen sind auf niedrigere Viskositäten ausgelegt und können dadurch mit einem geringeren Treibstoffverbrauch betrieben werden – was auch zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen führt. Die Kombination aus niedriger Viskosität, modernen reibungsmindernden Wirkstoffen und synthetischen Grundölen erzielt hier den entsprechenden Vorteil bei der Kraftstoffeinsparung. Gerade Transportunternehmen können von den Einsparungen erheblich profitieren.

„Liquid Engineering ist der Kern der DNA von Castrol“, so Robert Lehmann.

Bei Lkw kommt es immer wieder zu Turbolader-Schäden. Auch Nebenaggregate wie der Turbo werden über den Ölkreislauf geschmiert. Welche Faktoren, die das Motoröl betreffen, wirken sich negativ auf die Bauteile aus?

Die Grundvoraussetzungen für die Funktionalität eines Turboladers sind ein korrekter Ölstand, die Einhaltung der Wartungsintervalle und eine zum Fahrzeug passende Ölqualität. Dabei sollte die thermische und oxidative Beständigkeit des Motorenöles von sehr hoher Qualität sein. So werden ölunlösliche Ablagerungen, die sich negativ auf den Turbolader oder andere Bauteile auswirken können, so gering wie möglich gehalten.

Auch Öleindickung durch Rußpartikel oder Alterung können zu einer eingeschränkten Ölversorgung des Turboladers führen. Ein hochwertiges, modernes Motorenöl sorgt dafür, dass etwaige Rußpartikel im Öl so klein wie möglich und fein verteilt bleiben. So können eine übermäßige Öleindickung, eine Ölverschlammung des Motors sowie Ruß-bedingter Motorenverschleiß verhindert werden. Diese Parameter werden auch in Motortestläufen geprüft.

Inwiefern kann ein Motorenöl zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Abgasemissionen beitragen und dabei trotzdem einen hohen Verschleißschutz und eine geringe Oxidationsneigung bieten?

Castrol Vecton Fuel-Saver 5W30: HC-Synthese-Motorenöl
Castrol Vecton Fuel-Saver 5W30: HC-Synthese-Motorenöl für bessere Kraftstoffeffizienz bei aktuellen Euro-6-Dieselmotoren europäischer Lkw-Hersteller.

Einen niedrigeren Kraftstoffverbrauch erzielt ein Motorenöl durch eine niedrigere Viskosität und reibungsmindernde Wirkstoffe. Gleichzeitig bietet die Low-SAPS-Formulierung von Castrol – mit einem niedrigen Gehalt an Sulfatasche, Phosphor und Schwefel – eine Schonung der Abgasnachbehandlungssysteme im Vergleich zu herkömmlichen Motorenölen. Das führt dazu, dass die Funktion und Lebensdauer von Abgasnachbehandlungssystemen positiv beeinflusst wird.

Darüber hinaus führt der niedrigere Aschegehalt des Motorenöles zu weniger Rückstand im Dieselpartikelfilter und bietet dadurch einen geringeren Gegendruck im Abgastrakt – das begünstigt ebenfalls einen niedrigeren Treibstoffverbrauch. Eine moderne Additivierung in Kombination mit synthetischen Grundölen bewirkt einen hervorragenden Schutz vor Verschleiß, geringe Oxidationsneigung und eine lange Motorenlebensdauer.

Wie definieren Sie den Begriff Liquid-Engineering? Inwieweit arbeiten Sie in dem Zusammenhang mit den Motorenherstellern/OEM zusammen?

„Liquid Engineering“ ist der Kern unserer Castrol-DNA. Wenn der OEM einen neuen Motor entwickelt, ist Castrol von Anfang an dabei und konzipiert in enger Zusammenarbeit die individuellen und anforderungsgerechten Produktspezifikationen für das Motorenöl. Es wird als „konstruktives Bauteil“ im Prozess der Motorenentwicklung mit einbezogen.

Das bedeutet, dass die Produkte im Zuge der Entwicklung auf den jeweiligen Motorentypen explizit ‚engineered‘ – also zugeschnitten – werden. Dahinter verbirgt sich natürlich ein großer Aufwand, doch nur so kann das Optimum an Lebensdauer und Leistung für den OEM und Lkw-Besitzer sichergestellt werden.

Anm.d.Red.: Die Fachbroschüre zum Thema ‚Motoren- und Getriebeöle‘ finden Sie im Krafthand-Shop!

Zur Person

Robert Lehmann ist seit 30 Jahren für die BP/Castrol-Gruppe tätig. Er war sechs Jahre im Vertrieb von Nutzfahrzeug- und Industrieschmierstoffen bevor er in den technischen Kundendienst für Kfz-/Nfz- und Industrieschmierstoffe wechselte.

 

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1/2022 der Krafthand-Truck.