Fahrzeuge in einer Autowerkstatt
Transporter sind die ‚Lastesel der Nation‘ und nicht erst seit der Corona-Pandemie im Aufwind. Service und Reparatur dieser leichten Nutzfahrzeuge sind ein interessantes Geschäft, das viel Potenzial birgt – nicht zuletzt, weil sie bei Paketdienstleistern, Kurierfahrern, Handwerkern und Gewerbetreibenden auch in ihrem zweiten und dritten Lebenszyklus noch stark beansprucht werden. Bild: Schaeffler
Antrieb

Lebensverlängernde Maßnahmen

Sie sind die ‚Lastesel der Nation‘ – und als Folge der Corona-Pandemie mehr im Einsatz als jemals zuvor. Die Rede ist von der Transporter-Fraktion. Permanenter Zeitdruck und häufig wechselnde Fahrer führen zu extremen Belastungen des Antriebsstrangs und setzen speziell dem Kupplungssystem stark zu. Um dieses vor Überlastungsschäden zu schützen und vorzeitige Fahrzeugausfälle zu vermeiden, hat Schaeffler den so genannten ‚Impact Torque Limiter‘ (ITL), eine Spezialversion des Zweimassenschwungrads (ZMS) entwickelt. Er entschärft zerstörerische Spitzenmomente im Antriebsstrang. Wie das funktioniert und worauf beim Kupplungswechsel zu achten ist, hat KRAFTHAND-Truck von den Kupplungsspezialisten von Luk aus Langen erfahren.

Transporter sind gefragt wie nie. Bereits geraume Zeit vor der Corona-Pandemie prognostizierten die Branchenkenner des Zulieferers Schaeffler ein Marktwachstum von jährlich acht Prozent. Damit stellen leichte Nutzfahrzeuge das am stärksten wachsende Fahrzeugsegment und bilden zudem das Rückgrat des gewerblichen Transportgeschäftes. Und das mit steigender Tendenz, denn die Beliebtheit des Onlineh andels hat aufgrund der aktuellen Situation rasant zugenommen. Schon vor der Krise schätzten die Experten von Schaeffler Automotive Aftermarket, dass bis 2025 bis zu 20 Prozent des Einzelhandels über Online-Kanäle erfolgen und das Wachstum des Dienstleistungssektors weiter kontinuierlich zunehmen werde. „Eine ungeheure Dynamik, die den Transporter-Markt weiter antreibt. Leichte Nutzfahrzeuge werden zum unverzichtbaren ‚Arbeitspferd‘ für Flotten und Einzelbetriebe. Selbst im hohen Fahrzeugalter und mit stattlichen Laufleistungen werden sie in ihrem zweiten und dritten Lebenszyklus weiterhin eine hohe Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung haben“, so die Fachleute aus Langen.

Interessante Zusatzgeschäfte

Laut Schaeffler verbirgt sich hinter dieser Entwicklung ein beträchtliches Reparaturpotenzial, denn die Fahrzeuge der Paketdienstleister, Kurierfahrer, Handwerker und Einzelhändler ‚erleiden‘ Untersuchungen zufolge täglich bis zu 120 Stopps. Auch Jahreslaufleistungen von über 100.000 Kilometer seien keine Seltenheit. „Unter ständigem Termindruck geht es durch Schlaglöcher und über Bordsteinkanten, hinzu kommt extremer Kurzstreckenverkehr, so dass hoher Verschleiß und der damit verbundene Reparaturaufwand nicht ausbleiben“, wissen die Aftermarkt-Spezialisten.

Das boomende Transporter-Geschäft berge vor allem für freie Nutzfahrzeug-Werkstätten ein beträchtliches Potenzial und eröffne diesen interessante – und vor allem auch lukrative – neue Geschäftsmodelle. Demnach könnten Nutzfahrzeug-Werkstätten an diesem stetig wachsenden Markt partizipieren, indem sie ihren bisherigen Kundenstamm um gewerbliche Transporter-Kunden erweiterten und entsprechende, ‚transporterspezifische‘ Serviceleistungen anböten – und so den Verkauf von zusätzlichen Werkstattleistungen und Ersatzteilen ankurbeln, was wiederum mehr Werkstattauslastung schafft und gute Voraussetzungen bietet, sich als Transporter-Spezialist zu positionieren.

„Das Zusatzgeschäft entsteht dadurch, dass einst reine Lkw-Flotten vermehrt leichte Nutzfahrzeuge in ihre Flotte aufnehmen, um das ‚Last Mile‘-Geschäft abzudecken. Mit dieser neu entstandenen ‚Mischflotte‘ bleiben die Flottenbetreiber oft aus Gewohnheit bei ihrer gewohnten Lkw-Werkstatt und erwarten dort auch die Reparatur ihrer Transporter. Ein relativ dankbares Geschäft für diese Betriebe, denn sie können mit geringen baulichen Maßnahmen alle gängigen leichten Nutzfahrzeuge reparieren. Zudem sind sie mit den Anforderungen von Gewerbekunden bereits bestens vertraut“, konstatieren die Fachleute von Schaeffler.

Für Flottenbetreiber zählen demnach vor allem schnelle und verlässliche Reparaturen, um die Fahrzeuge zügig und langfristig wieder einsetzen zu können. „Stillstand ist teuer: Bis zu 1.000 Euro kann ein Ausfalltag kosten. Hinzu kommen die Kosten für die Reparatur“, rechnen die Langener vor. Transporter müssen daher so lange wie möglich laufen, zudem gelte es, die Standzeiten zu minimieren – und im Schadensfall muss es dann zügig gehen. „Genau hier setzt Schaeffler mit einfach und schnell einzubauenden Reparaturlösungen wie dem ‚LuK RepSet DMF mit Überlastschutz‘ an“, so ein Unternehmenssprecher.

Zerstörerische Spitzenmomente

Leichte Nutzfahrzeuge, speziell Transporter, müssen extreme Belastungen aushalten: maximale Beladung, ein besonders langer und damit empfindlicher Antriebsstrang (bei Hecktrieblern) sowie ein Fahrerverhalten, das geprägt ist von immensem Kosten- und Zeitdruck. Hinzu kommen häufige Fahrerwechsel und extremer Stop-and-go-Betrieb. Insbesondere das Kupplungssystem leidet unter solchen harschen Bedingungen. Um den Antriebsstrang dennoch vor Überlastung – und das Fahrzeug vor einem vorzeitigen Ausfall zu schützen – haben die Kupplungsspezialisten von Schaeffler mit dem so genannten ‚Impact Torque Limiter‘ (ITL) einen speziellen Mechanismus für das Zweimassenschwungrad (ZMS) entwickelt, der die Spitzenmomente im Antriebsstrang begrenzt und teure Folgeschäden verhindert.

Solche schädlichen Spitzenmomente, welche um ein Vielfaches höher als das maximale Motordrehmoment sein können, entstehen, wenn zwischen den rotierenden Massen des Motors und jenen des Antriebsstrangs schlagartig hohen Drehzahldifferenzen auftreten. Dies ist nach den Erkenntnissen der Fachleute immer dann der Fall,

  • wenn der Fahrer beim Anfahren vom Kupplungspedal abrutscht und dadurch der Motor abwürgt,
  • wenn der Fahrer den Motor mit eingelegtem 1. Gang und angezogener Handbremse startet,
  • wenn bei schwerwiegenden Schaltfehlern schlagartig eingekuppelt wird.

Besonders Antriebe mit handgeschaltetem Getriebe leiden unter solchen Bedienungsfehlern. Bei Fahrzeugen mit vollautomatischem beziehungsweise automatisiertem Getriebe dagegen besteht diese Gefahr den Fachleuten zufolge nicht, da derartige Spitzenmomente aufgrund von Sicherheitsschaltungen in der Motor- und Getriebesteuerung erst gar nicht entstehen können.

Bei einem herkömmlichen ZMS wird das Motordrehmoment von der Kurbelwelle auf die Primärmasse übertragen und gelangt über Bogenfedern auf die Flanschflügel zum Flansch und von dort aus zur Sekundärmasse. Diese leitet das Drehmoment über die Kupplung zum Getriebe und zum nachgeschalteten Antriebsstrang weiter. Im Fahrbetrieb arbeitet ein ZMS innerhalb seiner Dämpfungskapazität, d.h., die Bogenfedern kompensieren Drehungleichförmigkeiten innerhalb ihres Federweges. Dabei verdreht sich die Sekundär- gegenüber der Primärmasse in einem bestimmten Winkelbereich, auch Verdrehwinkel genannt.

Zweimassenschwungrad mit dem Spitzenmomentbegrener ‚Impact Torque Limiter‘ ITL
Schaeffler bietet das Zweimassenschwungrad mit dem Spitzenmomentbegrener ‚Impact Torque Limiter‘ ITL neben diversen anderen speziellen Reparaturlösungen insbesondere für leichte, im Flottenbetrieb hochbelastete Nutzfahrzeuge wie Ford Transit und Iveco Daily an. Der ITL baut schlagartig auftretende Spitzenbelastungen im Antriebsstrang ab. Bild: Schaeffler

Tritt bei einem Standard-ZMS ein Spitzenmoment auf, übersteigt dies die Dämpfungskapazität der Bogenfedern, wodurch diese so stark zusammengepresst werden, dass ihre Windungen aufeinandertreffen und quasi eine starre Verbindung entsteht. Dadurch treffen diese hohen Kräfte ungedämpft auf den Flansch, sodass dessen Belastungsgrenze weit überschritten wird. Je nachdem, wie häufig solche Momente auftreten, verformt sich der Flansch, bis im Extremfall schließlich ein Flanschflügel bricht und das ZMS ausgetauscht werden muss. Diese Spitzenmomente stellen aber nicht nur für das ZMS eine außerordentliche Belastung dar, sondern auch für alle nachgeschalteten Baugruppen des Antriebs (Kupplung, Getriebe, Kardanwelle, Differenzial und Antriebswellen) und auch alle vorgeschalteten Baugruppen des Motors (Steuertrieb, Nebentrieb), welche den Spezialisten zufolge ebenfalls Schaden nehmen können.

Die Lösung: der ‚Impact Torque Limiter‘

Um die Standfestigkeit des Antriebs zu erhöhen, haben die Kupplungsexperten von Schaeffler den ‚Impact Torque Limiter‘ (ITL) entwickelt, quasi eine Sonderbauform des ZMS-Flansches. Das auf Reibung basierende System kompensiert die schädlichen Drehmomentspitzen und schützt so den gesamten Antriebsstrang vor deren zerstörerischen Auswirkungen. Der ITL besteht aus zwei Halteblechen, die mit jeweils einem Reibbelag versehen sind, und dem zentral angeordneten Flansch, der als Tellerfeder dient. Die Feder kraft des Flansches generiert durch die Vernietung beider Haltebleche eine Vorspannung, was eine klar definierte Reibkraft innerhalb des Systems bewirkt.

Die gesamte Einheit wiederum ist mit der Sekundärmasse des ZMS verbunden. Prinzipiell gleicht der Aufbau einer Rutschkupplung, die Überbelastungen ohne schädigende Wirkung abbauen kann: Tritt ein Spitzenmoment auf, verdreht sich der Flansch in den Halteblechen bis der Drehmomentüberschuss über die Reibungsenergie abgebaut ist. „Dadurch werden schädigende Belastungen an den Flanschflügeln und den restlichen Komponenten des Antriebsstrangs vermieden“, versprechen die Antriebstechnik-Spezialisten von Schaeffler.

Der Spitzenmomentbegrenzer wird nur bei kritischen Belastungsspitzen wirksam. Beim Auslösen verdreht sich die Sekundär- gegenüber der Primärmasse um einige Winkelgrade und bleibt dann schließlich in dieser Position stehen. In manchen Fällen lassen sich die ZMS-Schrauben bei der Kupplungsreparatur dann nicht mehr über die Verschraubungsbohrungen erreichen. „Dies deutet jedoch nicht grundsätzlich auf einen Defekt hin. Es zeigt lediglich, dass der Antrieb einem oder mehreren Spitzenmomenten ausgesetzt war“, erläutern die Antriebstechnik-Spezialisten von Schaeffler.

Für eine sichere ZMS-Diagnose empfehlen sie das eigens entwickelte ‚Luk‘-Prüfwerkzeug. Zudem weisen sie darauf hin, dass sich die Sekundärmasse mit Werkstattmitteln nicht in ihre ursprüngliche Position zurücksetzen lässt. „Um beim Ausbau an die ZMS-Schrauben zu kommen, muss der Werkstattfachmann gegebenenfalls die Stege zwischen den Verschraubungsbohrungen entfernen. Danach darf das ZMS allerdings nicht wiederverwendet werden!“, so die Experten.

r Impact Torque Limiter
Bild: Schaeffler

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3/20 der Krafthand-Truck.