Radarsensoren und Multifunktionskameras sind die elektronischen ‚Argusaugen‘ moderner Fahrerassistenzsysteme. Doch nur wenn die Umfeldsensoren korrekt justiert und die FAS-Steuergeräte vorschriftsmäßig kalibriert sind, können Sicherheitssysteme ordnungsgemäß funktionieren. Bild: ZF
Assistenzsysteme

Komplexes Zusammenspiel: Sensoren intelligent handhaben

Schadhafte oder defekte Sensoren führen dazu, dass in Steuergeräten Fehlercodes abgelegt werden, Systeme nicht mehr richtig funktionieren oder gar ausfallen. Sie stehen deshalb bei Fehlersuch- und Diagnoseaufgaben besonders im Fokus. In modernen Lkw und Bussen können mittlerweile 50 und mehr unterschiedliche Sensoren verbaut sein.

Die elektronischen Fühler eines Nutzfahrzeugs

Sensoren wandeln aufgenommene Messwerte in verwertbare Signale für elektronische Steuergeräte (SG) oder visuelle Anzeigen um. Sie lassen sich – je nach Messprinzip – in verschiedene Gruppen einteilen. Wichtige Sensoren, die in einem Nutzfahrzeug verbaut sind, sind beispielsweise: Drehzahl- und Geschwindigkeitssensoren, Positions-, Temperatur- und Drucksensoren, Beschleunigungssensoren, Kraft- und Drehmomentsensoren, Durchflussmesser, Gas- und Konzentrationssonden und Umfeldsensoren wie Radar- und Lidarsensoren sowie Kamerasysteme.

Intelligente Multifunktionskameras sind nicht nur das Herzstück von FAS wie Notbremsassistent oder Abstandsregeltempomat, sondern können auch Verkehrszeichen erkennen oder intelligente Frontlichtsysteme steuern. Zudem kommen sie bei Spiegelersatzsystemen zum Einsatz. Bild: Bosch

Drei Sensortypen

Prinzipiell existieren drei unterschiedliche Sensortypen: passive, aktive und intelligente. Ein typischer passiver Sensor ist der Kühlmitteltemperatursensor. Er wandelt die erfasste Temperatur in einen Widerstandswert um. Ein aktiver Sensor, beispielsweise der Luftmassenmesser, dagegen besitzt in seinem Gehäuse einen elektrischen Schaltkreis, der die gemessene physikalische Größe in einen Spannungswert umwandelt. Er wird deshalb vom Systemsteuergerät mit Spannung versorgt. Ein aktiver Sensor kann aber auch ein eigenes Steuergerät besitzen, welches die Messwerte aufbereitet, bevor sie via CAN-Bus ins Systemsteuergerät gelangen. Ein typisches Beispiel ist der NOx-Sensor. Für die Fehlersuche an aktiven Sensoren ist neben einem leistungsfähigen Diagnosetool und einem Multimeter auch ein Oszilloskop empfehlenswert, um die gemessenen Signale sichtbar zu machen.

Radarsensoren liegen häufig im unfallgefährdeten Bereich direkt an der Fahrzeugfront. Nach einem Austausch müssen sie mit Hilfe eines optischen Einstellwerkzeugs justiert und anschließend mit dem Diagnosetester kalibriert werden. Bild: ZF Aftermarket

Die jüngsten Mitglieder in der Sensorfamilie sind intelligente Sensoren, etwa Radar-, Lidar- und Kamerasensoren von Fahrerassistenzsystemen (FAS). In ihnen steckt nicht nur hochkomplizierte Elektronik: Sie müssen nach dem Austausch mit einer speziellen Prozedur im Systemsteuergerät angelernt und die Systeme neu kalibriert werden. Erst dann funktioniert das FAS wieder ordnungsgemäß. Für die System-Neukalibrierung ist zusätzliches Equipment, etwa ein optisches Vermess- und Einstellsystem, notwendig.

Beispiel 1: Der ABS-Sensor

Leuchtet im Cockpit eine Warnleuchte auf, bringt das bordeigene Infosystem eine Fehlermeldung oder beanstandet der Fahrer eine Fehlfunktion, ist der erste Schritt der Scan mit dem Diagnosetester. Empfehlenswert ist ein Komplettscan aller Systeme und Steuergeräte (SG). Bei den meisten Diagnosetools gehört diese Funktion zum Serienumfang.

Da viele Systeme miteinander vernetzt sind, liefern manche Sensoren ihre Informationen bei mehreren Steuergeräten ab, was im Defektfall auch in mehren Steuergeräten einen Fehlereintrag verursacht. Ein Beispiel sind Raddrehzahl-Sensoren: Über sie erkennt das Steuergerät des ABS-Systems nicht nur, dass einzelne Räder blockieren und es regulierend eingreifen muss, sondern Raddrehzahl-Signale…

  • aktivieren beim Überschreiten einer bestimmten Schwellgeschwindigkeit die automatische Verriegelung der Türen,
  • sind für das ESP-Steuergerät wichtig, damit dieses über eine geeignete Regelstrategie das Fahrzeug am Ausbrechen hindern und in der Spur halten kann,
  • liefern dem Navigationssystem in Tunnels Ersatzsignale, wenn keine Verbindung mehr zum GPS-Satelliten besteht,
  • lassen die elektronische Anfahrhilfe (ASR) oder die elektronische Differenzialsperre (EDS) erkennen, wenn ein oder mehrere Räder durchdrehen,
  • liefern der Adaptiven Geschwindigkeitsregelung (ADR) beziehungsweise dem Abstandsregeltempomaten (ACC) die nötigen Informationen zur Geschwindigkeit,
  • lassen Reifendruck-Kontrollsysteme (RDKS) ohne Ventilsensoren einen Fülldruckverlust durch Drehzahlunterschiede (aufgrund des geringeren Abrollumfangs am undichten Rad) erkennen.

Im Regelfall sind bei einem defekten ABS-Sensor also in mehreren Steuergeräten entsprechende Fehlercodes abgelegt, welche allerdings nicht zwingend denselben Wortlaut haben müssen: Während das eine eindeutig ‚ABS-Sensor vorne rechts defekt‘ als Fehlercode ausweist, schreibt ein anderes ‚Raddrehzahlsignal vorne rechts fehlt‘ in den Fehlerspeicher. Ein drittes erkennt ein ‚unplausibles Wegstreckensignal‘.

Aufgrund der Systemvernetzung gilt vergleichbares auch für andere Sensoren, etwa denen des Motomanagements: Ein fehlerhaftes Kühlmittel-Temperatursignal kann bei einem Automatikgetriebe zu einem ‚komischen‘ Schaltverhalten und bei der Klimaanlage zu einer ‚unorthodoxen‘ Innenraumtemperatur-Regelung führen. Beim Motor ist das Resultat ein schlechtes Startverhalten und ein zu hoher Kraftstoffverbrauch. Last but not least kann es zu AU-relevanten Problemen bei der Abgasnachbehandlung kommen.

Beispiel 2: Der NOx-Sensor

NOx-Sensoren gehören zur Gruppe der intelligenten Sensoren. Sie verfügen über ein eigenes Steuergerät mit eigener Software. Dieses erfasst nicht nur den Stickoxid- und Restsauerstoffgehalt des Abgases, sondern kompensiert gleichzeitig auch Spannungs- und Temperatureinflüsse. Die Kommunikation mit dem Motor-Steuergerät erfolgt via CAN-Bus. Bild: Meyle

SCR-Abgasnachbehandlungssysteme sind mit einem oder mehreren NOx-Sensoren ausgestattet. Der NOx-Sensor (Stickoxid-Sensor) ist ein typischer aktiver Sensor und ermittelt neben den Stickoxidwerten auch den Restsauerstoffgehalt im Abgas. Um die Messwerte unverfälscht beim Motorsteuergerät abliefern zu können, besitzt er ein eigenes Steuergerät. Es erfasst nicht nur die Messwerte, sondern kompensiert gleichzeitig auch Spannungs- und Temperatureinflüsse. Die Kommunikation mit dem Motor-Steuergerät erfolgt via CAN-Bus.

Da NOx-Sensoren permanent vom heißen Abgas umspült sind, ist ihre Lebensdauer begrenzt. Im Defektfall setzt die OBD eine Fehlermeldung und legt einen entsprechenden Fehlercode ab. Ignoriert der Fahrer die Information und fährt weiter, schaltet das Motorsteuergerät nach einer gewissen Fahrstrecke in ein Notlaufprogramm, welches stufenweise das Motodrehmoment und die Fahrgeschwindigkeit reduziert.

Bei der Diagnose und dem Austausch des NOx-Sensors sind folgende Punkte zu beachten:

  • Die Software des Diagnosetools muss auf dem aktuellen Stand sein.
  • Es müssen alle Steuergeräte ausgelesen werden, um Fehler im Umfeld des NOx-Sensors zu erkennen.
  • Da minderwertiges Adblue die Funktion des NOx-Sensors beeinträchtigen kann, sollte man die Qualität mit einem Refraktometer prüfen (Sollwert ca. 32,5 Prozent).
  • Verkabelungs- und Kontaktprobleme (Marderbisse, Schmorschäden, Kontaktkorrosion) müssen ausgeschlossen werden.
  • Ist der Sensor stark verrußt, durch Adblue verunreinigt oder durch hohe Abgastemperaturen blau verfärbt, muss die Ursache ermittelt und beseitigt werden.
  • Die Sensorgewinde müssen im Bedarfsfall nachgearbeitet werden (beschädigte Gewinde können zu Undichtigkeiten und zu falschen Messwerten führen).
  • Die korrekte Artikelnummer muss ermittelt, die richtige Einbauposition (vor oder nach dem SCR-Kat) beachtet werden.
  • Der fahrzeugseitige Softwarestand muss überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Passen Softwarestand von Fahrzeug und Sensor nicht zusammen, wird möglicherweise der neue Sensor nicht erkannt oder dessen Messwerte von der OBD als ‚unplausibel‘ beanstandet.
  • Muss der NOx-Sensor angelernt werden, ist dabei die fahrzeugspezifische Routine zu beachten.

Intelligente Umfeldsensoren

Multifunktionskameras sind typische ‚intelligente‘ Sensoren. Mittlerweile sind sie auch im freien Reparaturmarkt als Ersatzteile erhältlich. Damit sie korrekt funktionieren, müssen sie je nach Herstellervorgabe statisch oder dynamisch im FAS-Steuergerät kalibriert werden. Bild: ZF Aftermarket

Umfeldsensoren wie Radar- und Lidarsensoren sowie Multifunktionskameras (MFK) sind die elektronischen Argusaugen von Fahrerassistenzsystemen, wie beispielsweise des Notbremsassistenten (AEBA), des Abstandsregeltempomaten (ACC) oder des Spurverlassenswarners (LDW). Als intelligente Sensoren sind sie die Herzstücke der FAS. Voraussetzung, dass die ADAS bestimmungsgemäß funktionieren, ist, dass beteiligte Sensoren korrekt justiert und die Systeme ordnungsgemäß kalibriert sind. Bereits geringe Abweichungen aus der Soll-Lage können Fehlfunktionen hervorrufen oder die Systeme außer Kraft setzen.

Speziell die exakte Ausrichtung zur Fahrzeug-Längsachse ist bei Radarköpfen und Multifunktionskameras (MFK) essenziell. Ist beispielsweise der Radarsensor des ACC-Systems horizontal verstellt, lassen sich die Positionen der vorausfahrenden Fahrzeuge nicht korrekt bestimmen, das System kann die Fahrspuren nicht mehr exakt zuordnen. Eine Fehlstellung des Sensors von nur einem Winkelgrad kann auf die Messdistanz eine Abweichung von mehreren zig-Metern bedeuten. Im Extremfall wählt das ACC-System ein vorausfahrendes Fahrzeug auf der benachbarten Fahrspur als Bezugspunkt und regelt die Distanz falsch ein. Im Extremfall beschleunigt oder bremst der Lkw bei aktivem ACC-System plötzlich aus unerfindlichen Gründen, was zu gefährlichen Situationen führen kann. Ist der Radarsensor dagegen vertikal verstellt, wirkt sich dies auf die Reichweite der Radarstrahlen aus: Steht er zu tief, sinkt die Reichweite, was speziell bei hohen Geschwindigkeiten zu gefährlichen Situationen führen kann, weil das System vorausfahrende Fahrzeuge zu spät erkennt.

Sind alle Einstellarbeiten der statischen Kalibrierung erledigt, beziehungsweise war die Kalibrierfahrt für die dynamische Kalibrierung erfolgreich, schließt der Werkstattfachmann den Vorgang mit einem Klick auf ‚Bestätigen‘ ordnungsgemäß ab. Bild: TEXA

Vergleichbares gilt für die MFK: ‚Schielt‘ sie zu einer Seite oder liegt ihr Fokus zu nah oder zu weit vor dem Lkw, stimmen die Bewertungsgrundlagen für den Bremsassistenten nicht mehr. Auch hier kann es zu ‚brenzligen‘ Situationen und gefährlichen Fahrmanövern kommen. Aus diesem Grund müssen Umfeldsensoren wie Radarköpfe und MFK zunächst mit Hilfe eines optischen Vermess- und Einstellsystems statisch exakt auf die geometrische Fahrachse des Nutzfahrzeugs hin justiert und anschließend mit dem Diagnosetool im FAS-Steuergerät kalibriert werden.

Um kamerabasierte FAS zu kalibrieren gibt es prinzipiell zwei unterschiedliche Methoden: statisch oder dynamisch. Welches ‚das richtige‘ Verfahren ist, legt grundsätzlich der Fahrzeughersteller fest. Das statische Kalibrieren erfordert das oben genannte optische Messequipment und ein Diagnosegerät. Die Software führt den Anwender herstellerkonform durch die Kalibrierprozedur. Beim dynamischen Kalibrieren handelt es sich quasi um einen Selbsttest, den das betreffende FAS während einer definierten Probefahrt selbst erledigt. Auch hierfür ist ein geeignetes Diagnosetool notwendig, um den Kalibrierprozess zu Beginn der Probefahrt im FAS-Steuergerät anzustoßen und bei Erkennen aller Prüfpunkte, am Ende abzuschließen.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 2-2024 der Krafthand-Truck.