Klappe, die Letzte!? – Georg Blenk im Gespräch mit Ernst Prost
Ernst Prost, langjähriger Inhaber und Geschäftsführer von LIQUI MOLY, ist ein kritischer, mitunter unbequemer, teils streitbarer Geist. Er glaubt an traditionelle Werte und ist durch und durch Unternehmer. Am 22. Februar 2022 hat er nach über 31 Jahren das Unternehmen verlassen und sich in den Ruhestand verabschiedet. Georg Blenk hat mit Prost über den Menschen, die Karriere und die Entwicklung des Schmierstoffgeschäfts gesprochen.
Herr Prost, sie absolvierten eine Lehre zum Kfz-Schlosser, sind bei Sonax durchgestartet, haben LIQUI MOLY übernommen und zur globalen Marke weiterentwickelt. Das nennt man Erfolgsstory! Sind Sie ein disziplinierter Malocher, ein brillanter Manager oder einfach nur ein ‚Wilder Hund‘?
Da haben Sie mich ganz treffend beschrieben. Von allem etwas. Zusätzlich bin ich noch ein sehr ehrgeiziger Mensch, der große Freude am Schaffen und Erschaffen hat.
Sie bezeichneten sich selbst einmal als Schlossherr, Öl-Fuzzi und Multimillionär. Kokettieren Sie da nicht ein bisschen?
Das sind die Etiketten, die mir im Laufe meines Arbeitslebens durch die Presse angeheftet wurden. Kommt nicht von mir. „Roter Kapitalist“ war auch schon dabei, „Der Ölprinz“ – und was weiß ich noch alles. Ist doch lustig. Ich nehme das nicht so ernst und amüsiere mich über diese fantasiereichen Titel, solange nichts Ehrenrühriges darunter ist.
„Ich amüsiere mich über fantasiereiche Titel“
Sie gelten als unkonventioneller Macher. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich führe durch Vorangehen. „Folgt mir“ gefällt mir besser als „Macht mal“. Ich kümmere mich um meine Leute und bin für jeden da. Deshalb vertrauen und folgen mir die Menschen. Halte ich übrigens nicht für unkonventionell, sondern im Gebaren von Profit-Maschinen und Turbo-Kapitalisten nur etwas aus der Mode gekommen. Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.
Liqui Moly hat im Jahr 2021 so viel Öl produziert wie niemals zuvor. Der Umsatz stieg gegenüber 2020 auf 733 Millionen Euro, ein Plus von 20 Prozent. Wie motivieren Sie ihre Mitarbeiter zu immer neuen Höchstleitungen?
Die Menschen sind doch grundsätzlich motiviert. Das liegt in unserer Natur. Man sollte seine Mitstreiter nur nicht demotivieren. Frust erzeugt Lust-Verlust. Die Menschen sind doch schon zufrieden und dankbar, wenn man sie anständig behandelt, fair bezahlt und geben dann schon von selbst ihr Bestes. Da muss man kein Motivations-Klimbim veranstalten.
„Man muss kein Motivations-Klimbim veranstalten“
Menschen haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Legen Sie an Ihre Mitarbeiter ebenso hohe Maßstäbe an wie an sich selbst?
Das wäre falsch. Den Fehler habe ich oft gemacht. Aber erstens sind nicht alle Menschen gleich und zweitens haben nicht alle Menschen die gleich starke Antriebsfeder, die gleichen Lebensziele, den gleichen Spaßfaktor an der Arbeit – und dem muss man Rechnung tragen. Genauso wie den Wechselfällen des Lebens, die manchen oft genug hart prügeln und aus einem Starken ganz geschwind einen Schwachen machen können. Da nützt es dann nichts zu fordern. In solchen Fällen ist Hilfe gefragt. Hilfe vom Chef und Hilfe von der Mannschaft. Mir ist nur wichtig, dass jeder sein Bestes gibt – egal wie viel das im Vergleich zu anderen ist. Manch einer möchte gerne, aber kann halt nicht. Die Schwäche des einen kann durch die Stärke des anderen ausgeglichen werden und genau dieses Mannschafts-Denken ist schon immer unsere Stärke gewesen.
Man sagt Ihnen ein unermüdliches Arbeitspensum nach. Wie gelang es Ihnen trotzdem hin und wieder abzuschalten?
Ja, ich bin ein Workaholic. Das habe ich schon sehr früh feststellen müssen. Arbeit ist für mich eine Droge. Aber ich habe schon Schlimmeres konsumiert, das weitaus weniger Nutzen für mich, meine Kolleginnen und Kollegen und die gesamte Gesellschaft gebracht hat. Von daher habe ich Frieden mit diesem Charakterzug von mir gemacht. Was soll ich mich auch gegen eine Veranlagung wehren? Tag und Nacht schaffen war mir deshalb auch keine Last, sondern eine Freude und ein Vergnügen. Mehr Hobby und Leidenschaft als missliebige Tätigkeit. Und wenn man was gerne tut, dann will man auch gar nicht abschalten. Im Übrigen bin ich da nicht der Einzige in unseren Reihen, der so unterwegs ist.
In den Jahren 2009 bis 2012 waren Sie in den Medien omnipräsent, saßen in Talkshows, ihr Konterfei war auf großflächigen Anzeigen zu sehen. Danach haben Sie sich mehr oder weniger aus den Medien zurückgezogen. War die Kommunikationsoffensive ein Fehler?
Eher weniger habe ich mich zurückgezogen. Auch in den nachfolgenden Jahren dieses kommunikativen Trommelfeuers habe ich dieser Firma, dieser Marke ein Gesicht gegeben, eine Persönlichkeit und den Menschen hinter all den Produkten und Konzepten – nämlich mich – beleuchten lassen. Das ist alles andere als ein Fehler. Ganz im Gegenteil, die Menschen – wozu auch Kunden gehören, wollen wissen, mit wem sie Geschäfte machen, bei wem sie kaufen und wie der Typ tickt. In dieser anonymisierten Wirtschaft bekommt man ja kaum mehr einen Verantwortlichen zu fassen. Anrufbeantworter, Hotlines, Callcenter. Wo bleibt da der Mensch mit seinem Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Kommunikation und Beziehung? Die Personifizierung von Firmen und Leistungen ist schon richtig – man muss nur einiges aushalten können und ein dickes Fell haben und zusätzlich ein erhöhtes Arbeitspensum für diese direkte Form der Kommunikation aufbringen. Aber wenn ich das nicht für meine Kunden mache als Chef, für wen dann?
„Wo bleibt der Mensch mit seinem Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Kommunikation und Beziehung?“
Vor welchen Herausforderungen steht die Schmierstoffbranche in Zeiten des Wandels hin zu alternativen Antrieben und vor dem Hintergrund des Klimaschutzes?
Vor gewaltigen Herausforderungen, denen wir uns aber schon lange stellen und auf Teufel komm raus diversifizieren und internationalisieren um im Technologie-Wandel nicht unterzugehen, sondern ihn für zukunftsfähige Produkte und Geschäfte zu nutzen. Man muss sich schon anpassen – keine Frage – aber das mussten die Generationen vor uns auch.
Wie stehen Sie generell zu batterieelektrischen Fahrzeugen oder beispielsweise Lkw mit Brennstoffzelle?
Naja, gewünscht oder gar bestellt habe ich diese Entwicklung nicht. Gemütlicher wäre es schon geblieben, wenn wir nach wie vor, bis in alle Ewigkeit Schmierstoffe für allerlei Verbrenner entwickeln, produzieren und verkaufen hätten können. Aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert und die Innovationen im Fahrzeugbau geben uns den Takt für eigene Innovationen vor.
In einem offenen Brief an die Belegschafft, sprachen Sie im Juli 2021 davon, dass „Herzblut und Qualen dicht beieinander liegen, das Aufhören schwerfällt“. Wird sich das im Ruhestand legen?
Ich hoffe sehr, dass meine Qualen nachlassen. In der Tat. Es ist jetzt nicht so sehr die Bürde des Amtes, die immer mit der Würde gemeinsam daherkommt, die mich Jahr für Jahr niederdrückt. Ich habe nie gelernt einen gesunden Abstand und eine auskömmliche Distanz zu allem Unerfreulichem, Traurigem, Schrecklichem und Tragischem, was den Menschen um mich herum so passiert, einzunehmen. Ich bin halt kein Bruder Leichtfuß. Und so fühle ich manchmal – bildlich ausgedrückt – die Last der ganzen Welt auf meinen Schultern. Die Arbeit mit meiner Stiftung beschert mir darüber hinaus auch jeden Tag die Begegnung mit Elend, Leid, Not und Tod. So gesehen ist mein Rückzug nicht nur ein Sprung in die Freiheit, sondern möglicherweise sogar eine Art Flucht zurück in mein eigenes Leben.
„Mein Rückzug ist möglicherweise sogar eine Art Flucht zurück in mein eigenes Leben“
Herr Prost, Sie bezeichneten sich selbst immer wieder als ‚Chef-Teilchen‘, Teil des großen Ganzen. Sollte man sich im Berufsleben auch als Führungskraft immer etwas zurücknehmen und einfach andere machen lassen?
Ja selbstverständlich. Erstens ist einer alleine sowieso nichts und zweitens muss man Freiräume schaffen und zwar ganz aktiv, damit andere Geister zur Entfaltung kommen können. Unterschiedliche Lösungen für die gleiche Problemstellung gibt es nur, wenn man Vielfalt zulässt, Kreativität fördert und Vertrauen in die Menschen hat. Zurücknehmen heißt ja nicht die Sache laufen lassen oder die Karre gar an die Wand fahren. Aber eben nicht meinen, man selbst hätte die Weisheit mit Löffel gefressen und ringsherum gebe es nur Erfüllungsgehilfen. Solches Denken ist uns fremd in unserer LIQUI-MOLY– Familie.
Zur Person
Ernst Prost wurde am 14. Februar 1957 in Altötting als Sohn eines Maurers und einer Fabrikarbeiterin geboren. Er besuchte die Volksschule in Kissing und anschließend die Realschulen in Friedberg (Bayern) und Wertingen. In Donauwörth machte er eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser. 1978 begann er beim Autopflegemittel-Hersteller SONAX in Neuburg an der Donau als Junior-Verkäufer und stieg bis zum Marketingleiter auf. 1990 wechselte er als Vertriebschef zur LIQUI MOLY GmbH nach Ulm. Schrittweise übernahm er von der Gründerfamilie Henle das Unternehmen. 1998 kaufte Prost die letzten Anteile und war bis zum Verkauf seiner Anteile an die Würth-Gruppe 2017 geschäftsführender Gesellschafter. Seitdem ist er angestellter Geschäftsführer. Prost ist zum 22.02.2022 bei Liqui Moly ausgeschieden und seitdem im Ruhestand, den er unter anderem in den oberbayerischen Alpen genießen möchte. Seine Nachfolge als alleiniger Geschäftsführer hat Günter Hiermaier übernommen.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 1/2022 der Krafthand-Truck.