Elektrisch auf Achse: Der BAX 7.5 und die Technik dahinter
Im Oktober 2021 wurde der neue batterieelektrische BAX 7.5 der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Der Lkw, der beispielsweise mit Kofferaufbau bis zu drei Tonnen und mehr zuladen kann ist für den städtischen Lieferverkehr konzipiert.
Das Besondere am BAX 7.5 ist die Antriebseinheit von BPW, die aus zwei getrennt-angesteuerten Elektromotoren auf der Hinterachse besteht. Auch Torque-Vectoring ist möglich, was die Wendigkeit deutlich verbessert. BPW gibt für den BAX 7.5 je nach Batteriegröße eine Reichweite von 200 Kilometern an. „Wir nennen eine im Kundeneinsatz realistische Reichweite, die immer umsetzbar ist. Der WLTP-Standard hilft uns und unseren Kunden nicht weiter. Im täglichen Einsatz muss die Reichweite stimmen“, so Paul Joshua Gran, Produktmanagement & Strategischer Vertrieb Elektromobilität bei BPW.
BPW ist nicht nur für die komplette Antriebseinheit verantwortlich, sondern steuert als Systempartner die Produktentwicklung, die Markteinführung sowie den Vertrieb des BAX 7.5. Auch der Aufbau eines Vertriebs- und Service-Netzwerks gehört dazu. Zudem liefert BPW neben der Antriebsachse ‚eTransport‘ noch weitere Technologien wie beispielsweise die Telematik (inklusive Remote-Support) der Unternehmenstochter idem telematics.
Aktueller Stand
Laut BPW liegen bereits zahlreiche Kundenbestellungen vor, die ersten Fahrzeuge werden gerade ausgeliefert. Das Fahrzeug selbst wird in enger Kooperation von Paul Nutzfahrzeuge im niederbayerischen Vilshofen an der Donau montiert. Das Unternehmen, das auf Spezialumbauten spezialisiert ist, ist auch eingetragener Hersteller und gilt auch als verlängerte Werkbank von Daimler-Trucks.
„Wir arbeiten mit Paul Nutzfahrzeuge an der EU-weiten Homologation des BAX 7.5. Der komplexe und langwierige Prozess ist in Kürze abgeschlossen“, erklärt Alexander Wolter, Leiter Vertrieb und Produktmanagement Elektromobilität bei BPW.
Im Übrigen wird der Kauf eines BAX 7.5 mit einer Summe von bis zu 80.000 Euro (im Vergleich zum Mehrpreis eines vergleichbaren Verbrenners) gefördert. Der eigentliche Basispreis hat letztes Jahr rund 75.000 Euro betragen (Der Preis hat sich laut BPW durch die allgemeine Teuerung im Bereich der Komponenten etwas erhöht.). Hinzu kommen mitunter kundenindividuelle Aufbauvarianten. „Der BAX 7.5 bietet mit dem Alleinstellungsmerkmal der BPW-Achse ‚eTransport‘, dem emissionsfreien und leisen Antrieb, der vergleichsweise hohen Zuladung und der Varianz was die Aufbauten angeht, zahlreiche Vorteile. Letztendlich muss sich aber der Einsatz eines BAX 7.5 für unsere Kunden lohnen“, ergänzt Gran.
Die Plattform stammt von Isuzu
Der BAX 7.5. sitzt auf einem Chassis von Isuzu. „Es ist von Haus aus sehr robust und dennoch leicht“, ergänzt Wolter. Auch die Fahrerkabine und das Interieur stammen vom japanischen Fahrzeughersteller. Die Telematik oder das Touchdisplay kommen zusätzlich aus dem Hause BPW. „Wir arbeiten bei der Entwicklung des BAX 7.5 eng mit Isuzu zusammen. Dies betrifft vor allem die Systemintegration, wie beispielsweise die Implementierung der Sensorik. Sie ist für Fahrerassistenzsysteme wie den Spurhalte-, den Notbrems- oder Abbiegeassistenten verantwortlich“, so Gran.
Der Antrieb
Hauptgeschäft von BPW ist der gezogene Bereich, also komplette Achssysteme unterschiedlichster Ausführung. Aus dieser langjährigen Baugruppen-Expertise heraus entstand die Antriebsachse ‚eTransport‘. Die e-Achse überzeugt durch ihre kompakte Bauweise und flexible Integrierbarkeit.
BPW arbeitet mit zwei E-Motoren, die unabhängig voneinander angesteuert werden. Dabei generiert eine einzelne e-Maschine bis zu 3.290 Nm Drehmoment. Ein aktives elektronisches Differenzial sorgt für eine optimale Kraftverteilung, ein Achsgetriebe entfällt. Die Gesamtleistung des BAX beträgt 100kW (136 PS). Der Antrieb verfügt über Energie-Rückgewinnung sowie eine aktive Lenkunterstützung (Torque-Vectoring). Letzterer verbessert die Wendigkeit des BAX 7.5 enorm.
Die Verkabelung
Im Übrigen hat sich BPW auch dem Thema Verkabelung angenommen. Die funktions- und sicherheits-relevanten Hochvoltkabel sind sicher und servicefreundlich verlegt. „Wir haben unser Konzept zur Kabelverlegung in Hinblick auf kritische Radien, Zugbeständigkeit und EMV-Verträglichkeit entwickelt und weiter optimiert. Zahlreiche Rütteltests haben uns dabei wertvolle Erkenntnisse geliefert. Die Mechatroniker in den Lkw-Werkstätten bekommen einen optimierten Kabelverlegungs-Plan sowie Spezialwerkzeuge an die Hand“, so Alexander Wolter.
Der BAX wird bei Paul Nutzfahrzeuge in Vilshofen produziert.
Batteriepacks
Die Batterien stammen von BMW. Der bayerische Autobauer hat seit der Einführung des i3 im Jahr 2013 hinlänglich Erfahrung mit hochwertiger Batterietechnik. BMW übernimmt auch das Batterierecycling (second-life) sowie die Garantie für das Inverkehrbringen. „Wie beispielsweise bei Mobiltelefonen sind auch die Batterien beim BAX (126 kW) anfänglich nicht vollumfänglich freigegeben, so wird eine lange qualitativ hohe Durchschnittskapazität über die Lebenszeit erreicht“, erklärt Paul Joshua Gran.
Im Übrigen: Der BAX verfügt über drei Batterieblocks, jeder Block hat 96 Einzelzellen, die bei Bedarf getauscht werden können. So könne der Optimal-Zustand laut Gran jeder Zeit aufrechterhalten werden. Zusätzlich sorgt beim BAX ein kombinierter Kühl-/Heizkreislauf für ein optimales Temperaturfenster, was die Lebensdauer der Batterien zusätzlich erhöht.
Die Ladetechnik
Der BAX kann sowohl mit 22 kW AC oder auch 100 kW DC geladen werden, je nachdem welche Ladeinfrastruktur vorgehalten wird und welche Anzahl von Fahrten der Kunde einplant. Mit 100 kW DC lädt der BAX im Ladefenster von 20 Prozent auf 80 Prozent (SoC = State of Charge/Ladezustand) in bis zu 40 Minuten. Im Mehrschichtbetrieb kann der BAX so in den vorgeschriebenen Pausen oder während des Schichtwechsels geladen werden.
Bremsanlage
Beim BAX kommt eine hydraulische Bremsanlage zum Einsatz. Die Besonderheit: Auf der hinteren Antriebsachse ‚eTransport‘ (eine Kardanwelle entfällt ehedem) sind vier getrennte Bremssättel angeordnet. Je ein Bremssattel ist für die Betriebsbremse und die Feststellbremse zuständig. Durch die Rekuperier-Funktion der e-Achse ist das System in der Lage eine hohe Bremsleistung aufzubauen und die Energie in die Batterien zurückzuführen. Dies ermöglicht in den allermeisten Fällen das Bewegen des BAX im ‚one paddle‘-Betrieb. Das heißt, ist keine Spontan- oder Notbremsung notwendig, geht man einfach vom Gas. Voraussetzung ist ein vorausschauendes Fahren. „Es ist erstaunlich wie kraftvoll das Fahrzeug beim Rekuperieren abbremst“, so Alexander Wolter. Entsprechende Regelsysteme wie ABS, ESP und ASR ergänzen die Bremsfunktion des BAX 7.5.
Service/Teileversorgung
BPW verfügt aktuell über 255 Servicepartner in Deutschland. „Wir sichern auf jeden Fall ein qualifiziertes Servicenetzwerk ab, an Orten wo wir auch Fahrzeuge ausliefern. Dies sind regelfällig entsprechende Ballungszentren und Städte, aber wir möchten unser Servicenetzwerk auch für den Bax immer weiter ausweiten,“ erklärt Gran. Auch freie Nfz-Werkstattbetriebe können sich entsprechend als ‚BAX-Partner‘ qualifizieren lassen.
„Nicht nur Speditionen und deren Kunden erkennen, dass sie sich mit dem Thema Elektromobilität auf der ‚letzten Meile‘ profilieren können. Auch immer mehr Werkstattbetriebe interessieren sich für die Reparatur und den Service an Hochvolt-Nutzfahrzeugen“, so Alexander Wolter.
Was die Teileversorgung angeht, so stellt die BPW Aftermarket-Group mit Ihren Partnern eine lückenlose und zeitnahe Ersatzteilversorgung sicher. Im Übrigen möchte BPW auch mittelfristig das Händlernetzwerk für den BAX ausbauen.
Eine spannende Zukunft
Das Produktionsvolumen bei Paul Nutzfahrzeuge in Niederbayern kann laut Wolter mittelfristig auf vierstellige Zahlen im Jahr hochgefahren werden. Zukünftig soll es zahlreiche Aufbauvarianten für den BAX 7.5 geben. Bis dahin ist durchaus noch Überzeugungsarbeit zu leisten. „Immer mehr potenzielle Kunden merken aber, dass sich der BAX rechnet und sogar (bezieht man sich auf die TCO, die möglichen Fördermittel, inklusive THG-Quote – und betrachtet man die hohen Kraftstoffpreise) sehr rasch amortisieren kann“, so Wolter. Hinzu käme der Imagegewinn sowie der Wissensvorsprung in punkto Elektromobilität bei den Speditionen.
Last but not least mache der BAX laut Paul Joshua Gran einfach Spaß. „Das Drehmoment liegt direkt an, die Fahrerkabine ist ergonomisch, der Fahrer sitzt nicht sehr hoch, kann einfach ein- und aussteigen und habe beim Fahren sein Umfeld stets im Blick.“ Gute Aussichten also!
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 2/2022 der Krafthand-Truck.