„Die Branche ist im Wandel wie nie“
SAF-HOLLAND SE mit Sitz in Bessenbach bei Aschaffenburg zählt zu den international führenden Herstellern von fahrwerksbezogenen Baugruppen für Trailer und Lkw. Das Unternehmen beschäftigt heute rund 5.900 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2022 einen Gesamtumsatz von rund 1.565 Millionen Euro. Die Produktpalette umfasst neben Achs- und Federungssystemen auch Sattelkupplungen, Kupplungssysteme, Königszapfen und Stützwinden und wird unter den Marken SAF, Holland, Haldex, Neway, KLL, V.ORLANDI, TrailerMaster und York vertrieben. Was den Aftermarket angeht, liefert SAF-HOLLAND Ersatzteile an Service-Netzwerke der Hersteller sowie an den Großhandel und bedient über Verteilungszentren auch ein eigenes globales Vertriebsnetz für Endkunden und Servicestützpunkte.
Wir haben uns mit Manuel Balles, Vice President Aftermarket EMEA bei SAF-HOLLAND über seinen Werdegang, das Unternehmen und die Herausforderungen des Nfz-Marktes unterhalten.
Herr Balles, Sie haben zu Beginn Ihrer beruflichen Karriere eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker gemacht, später mit dem ‚Professional MBA Automotive Industrie‘ ein Studium abgeschlossen. Jetzt sind Sie in einem global-agierenden Konzern im oberen Management tätig. Was treibt Sie an?
Ich würde es so beschreiben, dass mein täglicher Antrieb immer etwas mit einem kleinen Blick in meine Vergangenheit zu tun hat. Wie Sie erwähnt haben, komme ich aus der Werkstatt und habe vielleicht nicht gerade den klassischen Werdegang zurückgelegt wie andere auf meiner Position. Mir wurde sehr viel Vertrauen und Unterstützung entgegengebracht – hierfür bin ich unheimlich dankbar und gebe dieses immer wieder gerne zurück. Natürlich treiben mich auch unsere Kunden an: Mein großes Ziel ist es, bestmöglich auf deren Bedürfnisse einzugehen und diese schnell mit Ersatzteilen beliefern zu können.
Sie haben also Ihr ‚Handwerk‘ von der Pike auf gelernt. Inwieweit kommt Ihnen noch heute die Mechatroniker-Ausbildung zugute?
Die Produkte von SAF-HOLLAND sind sehr technisch, somit ist mein Hintergrund natürlich von Vorteil und ein wirklich guter täglicher Begleiter. Hierzu kommt, dass ich auch heute immer noch sehr gerne Hand anlege. Häufig trifft man mich im Lager an, wo ich mich an der Optimierung von Abläufen bei Warenströmen beteilige. Darüber hinaus kommt mir meine Ausbildung zugute, wenn ich an der stetigen Weiterentwicklung und Verbesserung unserer Produkte und Ersatzteilkits mitwirke.
Tatsächlich klagen zahlreiche Nfz-Werkstätten über Nachwuchsmangel. Das Berufsbild des Kfz-/Nfz-Mechatronikers ist doch so spannend wie nie?
Ich kann jedem jungen Menschen nur empfehlen, einen handwerklichen Beruf zu erlernen. Gerade im Bereich Fahrzeugtechnik/Mechatronik hat sich in den letzten Jahren so viel Interessantes getan. Die Branche und das Berufsbild sind im Wandel wie nie. Einerseits spielt die Digitalisierung eine immer größere Rolle, andererseits entwickeln sich die Produkte im Nutzfahrzeugbereich weiter und der Anteil an elektrischen Bauteilen nimmt zu. Ich finde es sehr spannend, diese Entwicklungen mit zu begleiten und voranzutreiben.
„Ich kann jedem jungen Menschen nur empfehlen, einen handwerklichen Beruf zu erlernen.“
Kommen wir zum Nfz-Aftermarket: Welchen Mehrwert bietet das SAF-HOLLAND I.Q.-Portal den Nfz-Betrieben?
Das SAF-HOLLAND I.Q.-Portal bündelt alle verfügbaren Informationen rund um die SAF-HOLLAND-Produkte, um mehr Service-Qualität zu gewährleisten. Die Plattform umfasst unter anderem den elektronischen Ersatzteilkatalog ‚Parts on Demand‘ (POD) und den ‚Service Report‘ als Online-Formular zur Garantieabwicklung. Außerdem finden Kunden unter ‚Schulungen‘ E-Learnings, die Präsenzkurse ergänzen oder vorbereiten. Für Informationen und technische Dokumentationen zu unseren Marken SAF, Holland, V.Orlandi und York ist die Wissensdatenbank ‚Knowledge Center‘ zentrale Anlaufstelle.
Zur Person – Manuel Balles
Nach seiner Ausbildung und Tätigkeit als Mechaniker hat Manuel Balles 2012 seinen Betriebswirt als Business Economist an der Handwerkskammer gemacht und 2020 einen Abschluss als Professional MBA (Master of Business Administration) Automotive Industry an der Technischen Universität Wien erlangt. Für SAF-HOLLAND ist Manuel Balles seit 2005 in verschiedenen Positionen tätig, unter anderem als Area Sales Manager Asia in Malaysia und als Director Sales Aftermarket Europe. Seit Juli 2021 verantwortet er als Vice President Aftermarket EMEA die Wirschaftsräume Europa, Naher Osten und Afrika.
Sie liefern mit SAF-HOLLAND den Nfz-Werkstätten sowohl Original-Ersatzteile, unter anderem für Lkw- und Trailer-Fahrwerke, als auch Teile der Konzernmarke SAUER QUALITY PARTS. Wo liegen die Unterschiede?
Gerne begleiten wir unsere Kunden über die gesamte Lebensdauer ihrer Fahrzeuge und versuchen immer, den besten Mix aus Qualität und Preis für jeden Anspruch zu finden. Zum einen bieten wir Original-Ersatzteile in höchster Erstausrüsterqualität zum Werterhalt in den ersten Lebensjahren des Trailers. In den Folgejahren können unsere Kunden für altersgerechte Wartungen unsere Marke SAUER QUALITY PARTS nutzen. Diese Teile werden von ausgewählten und zertifizierten Lieferanten produziert, unterliegen strengen Qualitätskontrollen und erfüllen sämtliche relevanten Normen sowie Regelungen. Seit Neuestem vertreiben wir auch aufbereitete Bremssättel und Zuspann-Einheiten aus Deutschland – umweltfreundlich mit kurzen Transportwegen.
SAF-HOLLAND hat die Identifizierung von Ersatzteilen über einen RFID-Chip in der Radkappe neu eingeführt. Welche Vorteile bietet das?
SAF-HOLLAND hat sich zum Ziel gesetzt, die digitalen Angebote zu erweitern und die Handhabung der Produkte für unsere Kunden weiter zu erleichtern. Deshalb haben wir einen RFID-Chip in unseren Achsen integriert, sodass Anwender Ersatzteile schnell und zuverlässig identifizieren können. Über die NFC-Technologie und die Smartphone-App ‚SH-CONNECT‘ erhalten Nutzer in der App alle verfügbaren Produktinformationen, Dokumentationen und Videos für den korrekten Ein- und Ausbau des identifizierten Produkts.
2022 das hat SAF-HOLLAND das Traditionsunternehmen Haldex übernommen und hält 100 Prozent der Anteile am schwedischen Spezialisten für Bremssysteme. Welche Synergieeffekte ergeben sich für den Aftermarket?
SAF-HOLLAND und Haldex ergänzen sich technologisch perfekt. Mit der Übernahme ist der weltweit erste Systemlieferant entstanden, der integrierte Lösungen für Druckluftscheibenbremsen, Elektrofahrzeuge und komplette Radlagerungen aus einer Hand bietet. Kunden profitieren von der Harmonisierung und Integration von Mechatronik und Achsen oder Federungen, vorausschauenden Wartungsfunktionen sowie der Kombination von Telematik und elektronischen Bremssystemen für Trailer. Unser Ziel ist es, eine bessere Ersatzteilversorgung aus einer Hand zu bieten, indem wir Logistikprozesse vereinen und unseren Kunden die benötigten Ersatzteile schneller liefern.
Wie betrachten Sie die Entwicklung hin zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs und was kann SAF-HOLLAND dazu beitragen?
Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle und gerade die Transportbranche
sollte das Ziel haben, umweltverträglich zu agieren. Dass Nachhaltigkeit ein zentrales Element unserer Unternehmensphilosophie ist, spiegelt auch das Produktportfolio von SAF-HOLLAND wider: Beispielsweise leisten unsere Trailer-Achssysteme durch ihren Leichtbau einen deutlichen Beitrag zur CO2- und Schadstoff-Reduzierung.
Aber auch unsere Entwicklungen tragen zur Dekarbonisierung bei. Die elektrische Trailerachse SAF-TRAKr nutzt Rekuperation, um die Emissionen und den Kraftstoffverbrauch des Gesamtzugs zu senken. Die Hochspannungs-Generatoreinheit wandelt die kinetische Energie des Trailers in elektrische Energie um. Diese wird in einer Li-Ion-Batterie gespeichert und betreibt die elektrischen Verbraucher des Anhängers, etwa Kühlaggregate. Darüber hinaus nutzen wir zunehmend biologisch abbaubare Schmierstoffe, beispielsweise einen Hochleistungs-Schmierstoff für die Befüllung der HOLLAND RECOLUBE Schmierpumpe für Sattelkupplungen. Er ist in allen sensiblen Umweltbereichen mit Verlustschmierung einsetzbar.
Am Ende noch zwei persönliche Fragen: Über was haben Sie sich kürzlich am meisten geärgert, über was am meisten gefreut?
Schade finde ich, dass das Wetter kürzlich so verrückt spielte und den wohlverdienten Sommerurlaub vieler Kollegen beeinträchtigt hat. Am meisten habe ich mich darüber gefreut, dass ich nach der längeren Covid-Pause wieder meine ehemaligen Kollegen und Kunden aus meiner Zeit in Malaysia besuchen konnte.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3-2023 der Krafthand-Truck.