Der eTGM von MAN
MAN setzt neben anderen Lkw-Herstellern ebenfalls auf die Elektromobilität als Schlüsseltechnologie für den Nutzfahrzeugverkehr der Zukunft. Eine Rahmenbedingung ist bereits abgesteckt: Die EU verlangt für Lkw über 16 Tonnen bis 2030 eine CO2-Reduzierung von 30 Prozent im Vergleich zum aktuellen Niveau. „Wir haben uns vorgenommen, nicht nur darauf zu reagieren, wir sehen die Elektromobilität auch als Chance, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Wichtige Schritte sind wir bereits mit dem Start der Serienproduktion von Elektro-Bussen und der Eröffnung eines eMobility Centers in München, in Vorbereitung der Serienproduktion von E-Trucks gegangen“, so Dr. Frederik Zohm, Vorstand Technik & Entwicklung bei MAN Truck & Bus.
Das Flaggschiff
Neben dem Transporter eTGE, der je nach Modell für ein Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen ausgelegt ist, liegt der Schwerpunkt im urbanen Schwerlastverkehr auf der Entwicklung und Produktion des eTGM, mit einem zulässigen Gesamtgewicht (zGG) bis 26 Tonnen. Das Fahrzeug befindet sich seit 2018 in unterschiedlichen Unternehmen in der Testphase auf der Straße und wird seit Ende 2019 in Kleinserie produziert und seit 2020 an Kunden ausgeliefert.
Antrieb/Nebenaggregate
Der eTGM wird von einem elektrischen Zentralmotor mit 264 kW-Leistung angetrieben, der bis zu 3.100 Nm Drehmoment auf die Straße bringt. Charakteristisch für eine e-Maschine ist, dass das Drehmoment sehr rasch vollständig anliegt. Nebenaggregate wie die Servolenkung, der Luftkompressor sowie die Klimaanlage werden ebenfalls elektrisch betrieben und über das Energiemanagement bedarfsabhängig und damit energiesparend gesteuert. Die Batterien (der eTGE ist mit 12 Battery-Packs ausgestattet) verfügen über einen separaten Kühl- und Heizkreislauf, um die Akkus stets im optimalen Temperaturfenster zu halten.
Das Fahrzeug verfügt über kein klassisches, schaltbares Getriebe. Das eTGM ist laut MAN so ausgelegt, dass sowohl das Anfahren wie auch Autobahntempo im selben Gang möglich sind. Im Triebstrang ist laut MAN lediglich eine Reduktion vorgesehen, um die Drehzahl der e-Maschine generell zur Achs- beziehungsweise zur Raddrehzahl anzupassen.
Die Bremsanlage
Was die Bremsanlage angeht, so ist der eTGM mit einer ‚klassischen‘ Druckluftbremse ausgestattet, die jedoch ebenfalls mit einem elektrischen Kompressor betrieben wird. Über die Bremsenergie-Rückgewinnung (Rekuperation) kann die Bewegungsenergie des Fahrzeugs in den Schub- und Bremsphasen in elektrische Energie umgewandelt und in die Batteriespeicher zurückgeführt werden. Durch diese Technologie kann die Reichweite laut MAN deutlich erhöht werden. Eine Anzeige im Cockpit informiert den Fahrer über den aktuellen Energieinhalt der Batterien und auch über die Höhe des aktuellen Rekuperationsgrads. Das Bremsmanagement-System steuert bei einer Bremsung zuerst die e-Maschine dazu und erst bei sehr hohen Bremsleistungen zusätzlich die Betriebsbremse.
Die Reifen, die Klimaanlage
Spezielle Reifen, die durchaus bei batterieelektrisch-angetriebenen Pkw eingesetzt werden, kommen beim eTGM nicht zum Einsatz. Es handelt sich laut MAN um übliche Reifen für den Verteilerverkehr verschiedener Premium-Reifenhersteller in den Größen 315/70R22,5 (VA) und 315/70R22,5 (HA). Auch die Klimaanlage ist identisch zu dem im Diesel-Lkw verbauten Gerät. Lediglich Kompressor und Heizgerät sind elektrisch betrieben. Auch das Kältemittel ist identisch zur Serie, also kein R744 (CO2).
Stützpunkte, Qualifikation
In Europa sollen laut MAN bis zum Jahresende rund 170 MAN-Servicebetriebe fit für elektrische Antriebe sein, darunter MAN-eigene Werkstätten und Service-Partner. In Deutschland sind es aktuell rund 50 Service-Niederlassungen, die bereit sind für den eTGM.
Was die Betriebsausstattung angeht, so beziehen sich die speziellen Werkzeuge und Tools für die Elektrofachkraft auf die Diagnose und Fehlersuche sowie den Aus- und Einbau von Hochvoltkomponenten. Darüber hinaus müssen Spezialwerkzeuge wie Schutzhelm HVE, Elektriker-Handschuhe, Temperaturmessgerät oder Rettungsstange vorhanden sein.
Das Schulungskonzept für die Mechatroniker ist vierstufig. Es beginnt mit HV-sensibilisierten Personen, geht über elektrisch unterwiesene Personen, die allgemeine Reparaturen und Wartungsarbeiten am MAN-Fahrzeug mit Hochvoltsystem durchführen darf. Die nächste Stufe ist die sogenannte Elektrofachkraft, die zum Beispiel die Spannungsfreiheit nach einem Standardprozess herstellen und feststellen darf. Höchster Qualifizierungsgrad ist die Elektrofachkraft mit der Zusatzqualifikation Arbeiten unter Spannung. Hierbei geht es aber dann schon ins ‚Eingemachte‘.
Service, Batterien
Laut MAN sind alle neuen (Antriebs-) Komponenten, wie beispielsweise die e-Maschine, wartungsfrei. Allerdings unterzieht MAN die Fahrzeuge aufgrund der vielen Neuerungen einer regelmäßigen Durchsicht. Die größere Herausforderung dürfte jedoch im Werkstattgeschäft das Temperaturmanagement sein. Hinzu kommen natürlich die Verschleißteile wie Bremsen, Reifen, Lagereinheiten etc.
Die Energie für den eTGM liefern Lithium-Ionen-Batterien aus dem Volkswagen-Konzern, die unter dem Fahrerhaus über der Vorderachse angeordnet sind, wo bei herkömmlichen Fahrzeugen der Diesel-Antriebsstrang platziert ist. Weitere Batterien befinden sich laut MAN seitlich links und rechts am Fahrzeugrahmen. Die Akkus werden samt Fahrzeug verkauft. MAN bietet zusammen mit dem eTGM einen Garantiebaustein an, der über den Zeitraum von sechs Jahren (beziehungsweise bis zu einer Laufzeit von 240.000 km) den Totalausfall der Batterien absichert.
Reichweite und Ladezeit
Die Reichweite des eTGM beträgt je nach Einsatzgebiet, klimatischen und topografischen Rahmenbedingungen bis zu 200 Kilometer. Es sind zwei Arten von Lademöglichkeiten möglich: Der AC-Ladebetrieb (bis 43 kW) eignet sich für das Overnight-Chargen (Ladezeiten zirka zwischen sechs (80 Prozent) und acht Stunden (100 Prozent)). Der DC-Ladebetrieb mit bis 150 kW Ladeleistung ermöglicht ein Laden von zirka 80 Prozent in der Ruhepause des Fahrers (45 min). Im Übrigen: Der eTGM, der für den mittleren und schweren Verteilerverkehr konzipiert ist, lässt sich laut MAN aufbauseitig als Kühlfahrzeug, mit Wechselbrücke oder Getränkeaufbau konfigurieren.
Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3/21 der Krafthand-Truck.