Wenn die Eigendiagnose an ihre Grenzen stößt, schlägt die Stunde des Oszilloskops. Insbesondere bei ‚unplausiblen Signalen‘ oder nur zeitweilig auftretenden Fehlern - wie hier am ABS-System - leistet es beste Dienste. Bild: Klaus Kuss
Werkstattausrüstung

Das Oszilloskop im Werkstattalltag – Diagnose für Kurvenkünstler

Lange Zeit galt die Steuergerätediagnose als allein zielführender Weg, um Probleme an der Elektrik und Elektronik aufzuspüren. Doch mit der wachsenden Zahl an Sensoren und Aktoren, der zunehmenden Vernetzung und dem Einzug von Datenbus-Systemen sind zusätzliche Fehlersuch-Methoden gefragt. Verstärkt kommen dabei Oszilloskope zum Einsatz.

Das Oszilloskop bei komplexen Fehlern

Die Zahl der elektrischen und elektronischen Systeme und Komponenten in modernen Lkw hat sich in den vergangenen Jahren mehr als verzehnfacht. Dadurch hat sich die Fehlersuche an diesen Baugruppen zu einer echten Herausforderung für Nutzfahrzeug-Profis entwickelt – trotz On-Board-Diagnose (OBD) und leistungsfähiger Diagnosetools. Lange Zeit war es üblich, Fehler nahezu ausschließlich mit der Steuergerätediagnose aufzuspüren, eventuell noch unterstützt durch ergänzende Messungen mit einem Multimeter. Da diese Methode aber oft nicht zum Ziel führt und es trotz langwieriger Diagnosearbeiten immer wieder zu Fehldiagnosen kommt, schwören Fehlersuchspezialisten auf das Oszilloskop, speziell bei kniffligen Problemen mit nur zeitweilig oder nur unter bestimmten Randbedingungen auftretenden Fehlern.

Es lassen sich versteckte Fehler erkennen

Auch wenn sich in der Ist-Wert-Darstellung Spannungssignale als Kurve darstellen lassen, erlauben sie nur eine grobe Beurteilung des jeweiligen Sensors. Zumindest lässt sich damit feststellen, ob ein Sensor überhaupt ein Signal abgibt. Zudem liefert die Istwert-Auslese visuell leicht erfassbare Zahlenwerte des betreffenden Sensors. Im Beispiel geht es um die Fehlersuche wegen Startproblemen. Quelle: Signalbilder.de

Mit einem modernen Oszilloskop lassen sich von der OBD als ‚unplausibel‘ erkannte Sensorsignale sichtbar machen. Mit der graphischen Darstellung der Istwerte des Diagnosetools ist dies aufgrund der geringen Abtastrate oft nicht möglich. Mit entsprechender Erfahrung jedoch können Diagnoseexperten am Oszi-Bild beispielsweise einen zu hohen, möglicherweise mechanisch bedingten Spannungsabfall beim Öffnen eines schadhaften Injektors erkennen. Man erspart sich die Demontage oder einen probeweisen ‚Gegentausch‘. Grundsätzlich lassen sich mit dem Skop Spannungs-Signale, Schwingungen, Amplituden, Frequenzen und Impulsbreiten in unterschiedlicher Auflösung darstellen. Moderne Oszis arbeiten digital, während analoge Oszilloskope nicht für die Fehlersuche an komplexen elektronischen Fahrzeugsystemen geeignet sind.

Funktionen und Einsatzgebiete

Die Messeinheit eines Oszilloskops zeichnet auf dem Bildschirm des Werkstatt-Laptops oder des Motortesters einen Graphen der gemessenen Spannung (y-Achse) in Abhängigkeit von der Zeit (x-Achse) auf. Gewöhnlich genügen zum Abgriff des gewünschten Signals zwei Anschlusskabel. Sinnvolles Zubehör wie Bananenstecker, Messnadeln, Adapterstecker, Druck- oder Schallsensoren und spezielle Strom-Messzangen ergänzen das Oszilloskop und erweitern die Diagnosemöglichketen.

Zu den typischen Einsatzgebieten eines Oszilloskops gehören:

  • die Darstellung von Aktor- und Sensor-Signalen: Nocken-, Kurbelwellen- und Klopfsensoren, Injektoren, Luftmassenmesser, Potentiometer wie Pedalwertgeber,
  • die Überprüfung von CAN-Bussystemen: Bus-Pegel, CAN-High, CAN-Low,
  • das Aufspüren von Wackelkontakten,
  • die Beurteilung des Zustands der Motormechanik ohne Demontagearbeiten: Zylindervergleich, Rundlauftest, dynamischer Kompressionstest,
  • die Prüfung von Generatoren: Normal-Oszillogramm, Oberwelligkeit, Diodenfehler,
  • die Erkennung und das Sichtbarmachen von Schwingungen oder Geräuschemissionen.

Dabei ist es zunächst unerheblich, ob sich der Nutzfahrzeug-Profi mit einem einfachen Einkanal- oder einem Mehrkanaloszilloskop mit automatisch voreingestellten Messbereichen und einem integrierten Soll-Ist-Vergleich auf die Fehlersuche begibt. Wichtig ist, dass er die Prüfmöglichkeiten seines Skopes kennt, die Skalierung richtig definiert hat und die Signalbilder richtig zu interpretieren weiß.

 

Um möglichst schnell die Schadensursache aufzuspüren, wählen Diagnoseprofis im Menü des Oszilloskops fehlerbezogen aus, welche Messgrößen die einzelnen Kanäle anzeigen sollen. Bei der Auswahl zahlen sich Know-how und Erfahrung aus. Bei den Startproblemen im Beispiel fiel die Auswahl auf die Spannungsversorgung und den Druckaufbau des Raildrucksensors, um dessen Verhalten beim Start zu überprüfen. Bild: Klaus Kuss

Die Vorteile eines Oszilloskops

Der große Vorteil eines Oszilloskops (gegenüber einem herkömmlichen Digital-Multimeter) ist, dass sich damit auch intermittierende, also nur zeitweilig auftretende Fehler erkennen lassen, etwa bei dynamischen Prüfungen während einer Probefahrt oder auf dem Leistungsprüfstand. Im Vergleich zu einem digitalen Multimeter oder der Istwert-Auslese mit dem Diagnosetool erfasst ein Digital-Oszilloskop die Messwerte wesentlich schneller, sprich: innerhalb von Millisekunden – und damit quasi in Echtzeit. Außerdem hat das Oszi im Vergleich zum Multimeter nicht mit der Trägheit des Anzeigedisplays zu kämpfen, so dass sich auch sporadische und/oder extrem kurzzeitig auftretende Fehler wie Aussetzer problemlos erkennen lassen.

Deutlich sind die gestörten Signalverläufe von CAN-High (blau) und CAN-Low (rot) auf den beiden Kanälen des Oszilloskops (CH1 und CH2) erkennbar. Der Spannungspegel (Bus-Pegel) ist ein sicheres Indiz für die korrekte Funktion eines Bus-Systems. Mögliche Ursache bei Störungen: Korrodierte, feuchte oder verschmutzte Kontakte oder eine schadhafte CAN-Leitung. Die überlagerte Referenzkurve (grün) zeigt das entsprechende Gut-Bild. Bild: Bosch

Bei der graphischen Darstellung von Istwerten mit dem Diagnosetester gilt: hier werden lediglich die gemessenen Spannungswerte des Multimeters als grobe Kurven dargestellt, ohne dabei die Schnelligkeit eines Digi-Scopes zu erreichen. Hinzu kommt, dass sich, je mehr Parameter der Fehlersuchende wählt, die Darstellungsgeschwindigkeit weiter verringert. Dennoch ist die Istwert-Auslese ein wertvolles Instrument, etwa um einfache Fehler an ABS-, Kurbel- und Nockenwellensensoren festzustellen, indem man prüft, ob der jeweilige Sensor überhaupt ein Signal erzeugt. Ein weiterer Vorteil von Oszilloskopen: Erfahrene Anwender können zahlreiche Fehler schon anhand ihres charakteristischen Signalverlaufs erkennen und eingrenzen.

Fehler am CAN-Bus mit dem Oszilloskop aufspüren

So sieht das ‚i.O.‘-Bild eines High-Speed-CAN-Bus aus. Welcher Befehl sich hinter dem Signal verbirgt, lässt sich anhand der Kurve allerdings nicht sagen. Geeignete Stellen, um das Oszilloskop mit dem CAN-Bussystem zu verbinden, sind so genannte Potenzialverteiler oder CAN-Knoten. Bild: Bosch

Auch bei der Fehlersuche an Datenbussystemen wie CAN und CAN-FD (FD = Flexible Datenrate) kann das Oszilloskop aufgrund seiner Schnelligkeit punkten. Denn wegen der komplexen Strukturen des Steuergeräte-Netzwerks (Controller Area Network = CAN) liegt die Fehlerursache häufig nicht am Ausfall eines einzelnen Steuergeräts (= Controller), sondern vielfach am gestörten Zusammenspiel verschiedener Steuergeräte, welche nahezu in Echtzeit miteinander kommunizieren.
Das soll nicht heißen, dass die Fehlersuche an Datenbus-Systemen prinzipiell komplizierter ist. Doch wegen der vielen Steuergeräte, Sensoren und Aktoren und häufig hinter der Armaturentafel und unter Verkleidungen ‚versteckten‘ CAN-Knotenpunkten kann es unter Umständen lange dauern, bis alle zur Problemfindung notwendigen Messungen abgearbeitet sind. Das Wichtigste bei einer Fehlersuche an einem Bus-System ist, dass der Werkstattfachmann die für den jeweiligen Anwendungsfall optimale Diagnosestrategie findet und er die Messtechnik ‚Oszilloskop und Multimeter‘ optimal einsetzt. Aufgrund der Vernetzung muss er bei der Diagnose quasi ‚ganzheitlich‘ denken und alle Steuergeräte, die Informationen auf demselben Datenbus austauschen, als Gesamtsystem behandeln. Neben Diagnosegerät, Oszi und Multimeter ist deshalb auch der fahrzeugspezifische Vernetzungsplan (Topologie-Plan) ein unverzichtbares Hilfsmittel. Er zeigt die Vernetzungsstruktur der CAN-Steuergeräte und -Leitungen im Fahrzeug und hilft dem Nfz-Profi, fehlerrelevante Zusammenhänge besser zu erkennen.

Datenströme sichtbar machen

Bei einem CAN-Bus handelt es sich um ein Zweidraht-System, bestehend aus zwei miteinander verdrillten, relativ starren Leitungen (hier grün und grün-weiß). Mit dem Oszilloskop lassen sich die Signale CAN-High und CAN-Low abgreifen, beispielsweise an einem CAN-Knoten im Sicherungskasten. Bild: Klaus Kuss

Hinweise, dass es Probleme mit dem CAN-Bus gibt, liefern typische Fehlerspeichereinträge wie „XY-Steuergerät kein Signal – Kommunikation (sporadisch)“, „Datenbus Antrieb defekt“ oder „Steuergerät XY im Eindrahtbetrieb“. Mit dem Oszilloskop lässt sich schnell, effektiv und praktisch in Echtzeit der ‚Bus-Verkehr‘ auf den beiden Datenleitungen ‚CAN-High‘ und ‚CAN-Low‘ sichtbar machen. Da der Informationsaustausch in Datenbussystemen in Sekundenbruchteilen abläuft, ist ein Oszi mit hoher Abtastrate vorteilhaft, um die Signale eindeutig beurteilen zu können. Zweckmäßig, aber nicht zwingend erforderlich, ist zudem ein Zwei- oder Mehrkanal-Skop, weil sich damit die Signale auf ‚CAN-High‘ und ‚CAN-Low‘ gleichzeitig darstellen lassen. Für aussagefähige Messungen sind sowohl die Zeitauflösung (x-Achse) als auch die Spannungsempfindlichkeit (y-Achse) und die Triggerschwelle passend zu den jeweiligen Signalpegeln einzustellen.

Stellt der Werkstattfachmann einen gestörten Datenbus fest, kann er mit entsprechender Erfahrung meist schon anhand des typischen Signalverlaufs am Skop Rückschlüsse auf die Fehlerursache ‚Leitung unterbrochen, Abschlusswiderstand defekt, Kurzschluss, Kontaktprobleme durch Korrosion, etc.‘ ziehen. Um die Ursache weiter einzukreisen, sind meist ergänzende Widerstandsmessungen mit dem Multimeter erforderlich. Dazu müssen die Leitungen, die man untersuchen möchte, stromlos sein. Doch Achtung: im Gegensatz zum CAN-Bus ‚Antrieb‘ führen die CAN-Busse ‚Komfort‘ und ‚Infotainment‘ meist auch nach dem Abziehen des Zündschlüssels noch für eine gewisse Zeit Spannung beziehungsweise gehen die Steuergeräte verzögert in den Schlafmodus, so dass man für Widerstandsmessungen die Batterie abklemmen muss.


Hintergrund: Das Abgreifen von Signalen
Das beschädigungsfreie Abgreifen von Signalen zählt zu den größten Herausforderungen bei Messarbeiten mit dem Oszilloskop. Filigrane und wasserdicht verschweißte Steckverbindungen erschweren den Anschluss der Messleitungen. Wird die Kabelisolierung beim Messvorgang verletzt und nicht wieder wasserdicht verschlossen, kann es später gerade in spritzwassergefährdeten Bereichen durch Korrosion und Übergangswiderstände zu neuen Fehlern kommen. Deshalb sollte man sich für die Fehlersuche mit dem Oszilloskop ein Prüfkabelset anschaffen, das Adaptionsmöglichkeiten für alle gängigen Steckersysteme beinhaltet. Alternativ empfehlen sich für parallele Messungen auch dünne Adaptionsnadeln, mit denen man selbst bei enganliegenden Tüllen die Steckverbindung zum Abgreifen des Signals von der Kabelstrangseite aus erreicht, ohne ein Kabel zu beschädigen.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3-2023 der Krafthand-Truck.