Turboladertausch an einem Nfz
Selbst wenn der Fehlerspeicher eindeutig den elektrischen Ladedrucksteller als Verursacher des Leistungsverlusts ausweist, ist es mit einem neuen Turbo alleine nicht getan. In jedem Fall sollte der Werkstattfachmann die Peripherie nach losen Teilen und andere Schadensursachen untersuchen, um unnötige Folgeschäden zu vermeiden. Bild: Kuss
Wenn die Mechatronik dem Mechaniker einen Streich spielt

Augen auf beim Turbolader-Tausch

Der Turbolader gehört mittlerweile ebenfalls zu den ‚mechatronischen Komponenten‘ eines modernen Nutzfahrzeugs. Das sollte man beim Turbo-Tausch berücksichtigen. Andernfalls sind ein neuerlicher – und unnötiger – Werkstattaufenthalt sowie teure Nachreparaturen so gut wie programmiert. Denn die Steuergeräte-Diagnose kann den Werkstattfachmann in die Irre führen. Die Turboladerexperten von BTS raten deshalb, immer auch die Lader-Peripherie zu checken.

Die Sache scheint klar: Schuld an dem eklatanten Leistungstief des ehedem starken Schweden mit dem Greif im Logo ist der Turbolader. Genauer gesagt weist der Fehlerspeicher des Motosteuergeräts eindeutig ein Problem mit dem elektrischen Aktuator, der für die Ladedruckregelung zuständig ist, aus. Da es den elektrischen Ladedrucksteller bislang nicht als Ersatzteil gibt, tauscht der Werkstattfachmann den kompletten Lader – und nach dessen Einbau schlägt der Greif wieder wie gewohnt kraftvoll und mächtig seine Schwingen.

Doch der Reparaturerfolg ist nur von kurzer Dauer: Wenige hundert Kilometer später steht die Zugmaschine erneut mit deutlichem Leistungsmangel in der Einbauwerkstatt. Und wieder ist ‚eigentlich‘ alles klar, denn auch diesmal deutet der Fehlercode auf ein Aktuatorenproblem hin. Eigentlich. Ohne zu zögern reicht der Werkstattbetreiber den noch fast jungfräulichen Tausch-Lader beim Lieferanten „auf Garantie“ ein. Doch dieser lehnt den Schaden mit dem knappen Hinweis „Fremdkörperschaden – keine Gewährleistung“ ab. Was war passiert?

Unterschätzte Turbolader-Peripherie

„Dass ein Turbolader erneuert werden muss, weil an diesem nach langer Betriebsdauer die Ladedruckregelung, sprich: der elektrische Aktuator für die Laderdruckregelung, schadhaft ist, ist nicht ungewöhnlich“, weiß Thomas Mentil, beim Weilheimer Turboladerspezialisten BTS unter anderem für technische Fragen und die Gewährleistungsbefundung verantwortlich, gegenüber KRAFTHAND-Truck. Mit einem neuen Turbolader sei dann erst einmal alles wieder in Ordnung. „Doch bei diversen Reklamationen ist uns aufgefallen, dass der erneuerte Turbolader bereits kurz nach dem Einbau wieder ausgefallen ist und der Fehlerspeicher nach Aussagen der Werkstatt ähnliche Einträge wie beim Ursprungsschaden aufweist“, berichtet der Fachmann.

Bei vielen der „auf Gewährleistung“ eingereichten Fälle offenbarten sich laut Mentil die Befundung eindeutige Fremdkörperschäden, vorwiegend auf der Turbinenseite. „Bei einem Leistungsverlust mit Fehlercodes, die auf einen defekten elektrischen Aktuator hinweisen, wird in der Regel nur der Turbolader erneuert. Leider wiederholt sich der Schaden nach kurzer Zeit wieder, weil die Einbauwerkstatt die tatsächliche Ausfallursache nicht erkennt und dadurch auch nicht beseitigt“, erklärt der Fachmann. „Der elektrische Aktuator erzeugt auch dann eine Fehlermeldung, wenn ein mechanischer Schaden im Inneren des Turbinengehäuses vorliegt, etwa, wenn die Beweglichkeit der VTG-Einheit eingeschränkt oder sogar blockiert ist. Meist ist dies bei einem abgasseitigen Fremdkö rpereintritt der Fall, wodurch die Gaseintrittskanten des Turbinenrades und die mechanischen Komponenten der VTG beschädigt werden“, erläutert Mentil.

Risiken vermeiden

Die zerstörerischen Partikel könnten beispielsweise von einem defekten AGR-Ventil stammen. Demnach können die Pulsationen im AGR-Trakt zu Ermüdungsbrüchen führen. Werden diese Bruchstücke beim Turbo-Tausch nicht entfernt, kann das fatale Folgen haben, wie die Schadensbilder aus dem Gewährleistungsarchiv von BTS auf diesen Seiten zeigen. „Beim Lastwechsel kehrt sich nämlich die Strömungsrichtung der Abgase im AGR-Trakt um – und dort vorhandene Bruchstücke werden in den Abgaskrümmer geschleudert, von wo aus sie beim nächsten Gasgeben in das Turbinengehäuse gelangen und dort das Turbinenrad beschädigen können. Derartige Schäden sind jedoch von der Gewährleistung ausgeschlossen“, konstatiert Mentil. Der Technikspezialist von BTS rät deshalb, vor dem Einbau eines neuen Turboladers immer das AGR-Ventil sowie den gesamten AGR-Trakt gründlichst auf Schäden und lose Bauteile zu untersuchen und beschädigte Teile unbedingt zu erneuern.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 3/19 der Krafthand-Truck.