Der Spezialist für Wasserstoff-Verbrennungsmotoren KEYOU ermöglichte eine Probefahrt mit einem umgerüsteten Mercedes-Benz Actros mit KEYOU-Inside-Technologie. Bilder: Georg Blenk
KEYOU H2ICE: Sauber, leise unterwegs

Rendezvous mit Wasserstoff-Verbrenner

Das Münchner Unternehmen KEYOU rüstet klassische Lkw-Dieselmotoren auf Wasserstoffbetrieb um. KEYOU gilt als Pionier und ‚First-Mover‘ in diesem Segment. Dabei kommen eigens entwickelte Technologien, spezifische H2-Komponenten und Brennverfahren zum Einsatz. Große Änderungen am Basismotor sind nicht notwendig. Doch ganz so einfach ist es nicht. Es steckt sehr viel Entwicklungsarbeit dahinter. Krafthand-Truck hatte kürzlich die Gelegenheit einen 18 Tonner mit KEYOU-Inside-Technologie unter die Lupe zu nehmen und Probe zu fahren.

Der 18 Tonner

Während der Probefahrt auf dem Testgelände der Bundeswehr-Universität in Neubiberg bei München, überzeugte der eigens vollgeladene Lkw durch seine dynamische Leistungsentwicklung und die geringen Geräuschemissionen. Die Fahrzeugbasis des Wasserstoff-Verbrenners ‚H2ICE‘ (ICE steht für Hydrogen Internal Combustion Engine) von KEYOU ist ein Mercedes-Benz Actros (4×2) mit Medium-Kabine. Der Sechszylinder Basis-Reihenmotor mit 7,8 Liter Hubraum stammt von Deutz. Nach dem Umbau auf Wasserstoffbetrieb leistet das Aggregat 210 KW (286 PS) bei einem maximalen Drehmoment von 1.000 Nm, was mehr als ausreichend ist. Für einen ruckfreien Gangwechsel sorgt ein Automatikgetriebe von Allison mit Drehmomentwandler. Über eine spezielle Konsole mit Touch-Funktion ließen sich beim Testfahrzeug die Fahrmodi wählen, ansonsten erfolgt dies über einen Hebel am Lenkstock. Der H2-Actros war zudem mit reichlich Messtechnik ausgestattet, Nicolas Diss (Vehicle Testing & Operations Engineer bei KEYOU) verfolgte mit Hilfe einer speziellen Software in Echtzeit unzählige Parameter. „Wir sind ständig dabei die Performance zu verbessern“, so Diss.

 

Der 7,8 Liter-H2-Motor auf Deutz-Basis. Zu sehen ist das spezielle H2-Rail sowie die Zündspulen. Der Einblasdruck im Rail beträgt rund 1-15 bar. Sicherheitsventile sorgen für die Druckreduktion und bei Bedarf für die Abschaltung der H2-Zufuhr. Der Motor läuft im Übrigen nach Zündungs- ‚Aus‘ geringfügig nach. Danach ist das Rail vollkommen druckfrei beziehungsweise frei von Wasserstoff.

Umbaumaßnahmen

Im Detail hat KEYOU dem Dieselmotor eine Überarbeitung auf H2-Einblasung spendiert. Sie erfolgt über den Ansaugtrakt im PFI-Verfahren (PFI steht für Port-Fuel-Injektion, Saugrohreinspritzung). Die speziellen Einblasventile stammen von der Firma Hoerbiger mit Sitz in Zug in der Schweiz. Um das Wasserstoff-/Sauerstoff-Gemisch zu zünden, setzt KEYOU eigens entwickelte Zündspulen, inklusive Zündkerzen ein. Somit musste man den Zylinderkopf entsprechend anpassen. Der Wasserstoffverbrenner läuft im sogenannten KEYOU Lean-Burn-Verfahren, verbrennt also sehr mager. Für die nötige Power sorgt ein VTG-Lader von Garrett. Durch die variable Turbinengeometrie beschleunigt der H2-Actros kraftvoll und homogen. Im Übrigen: Auf ein Abgasnachbehandlungssystem könne man laut KEYOU verzichten, der Actros unterschreite auch ohne die Euro-6-Werte.

 

Der VTG-Lader von Garrett sorgt für die nötige Power.

Die H2-Tanks

Ein signifikanter Anteil der Gesamt-Umrüstkosten eines Lkw auf H2-Verbrennungsantrieb fällt auf die Wasserstofftanks. Beim 18 Tonner von KEYOU handelt es sich um Tanks des Typs 4 der Firma Hexagon. Typ 4 Druckbehälter sind die aktuellsten Tanks, die man gegenwärtig bei gasförmigem Wasserstoff für Nfz-Anwendungen verwendet. Sie sind für Drücke von 300 bis zu 700 bar geeignet. Der Innerliner besteht aus Kunststoff (Polyamid- oder Polyethylen), die Ummantelung aus Festigkeits- und Gewichtsgründen aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen, was den Preis nach oben treibt. Im Übrigen verwendet KEYOU durchwegs Leitungen und Anschlusskupplungen aus einer speziellen Edelstahl-Legierung (316L, mit Molybdän-Anteil) um eine Versprödung und Korrosion zu vermeiden und die Dichtheit zu gewährleisten. In der Basiskonfiguration verfügt der KEYOU-Truck über sechs Tanks, was zirka 28 kg Fassungsvermögen bedeutet. Die Reichweite geben die Münchner mit bis zu 350 km an, was einem Verbrauch von rund 7,5 kg pro 100 Kilometer entspricht. Bei Bedarf könne man laut KEYOU die Reichweite mit weiteren Tanks und Ausnutzung des Bauraums hinter der Fahrerkabine und an den Seitenstutzen, auf bis zu 600 Kilometer erhöhen.

Schnelle Betankung

Die Betankung erfolgte im Testumfeld in Neubiberg zuerst mit Hilfe einer sogenannten Swagelok-Station, die mobilen Wasserstofftanks stammen von Linde. Seit September 2023 tankt KEYOU auch an einer öffentlichen Wasserstofftankstelle in Hofolding bei München.
Da Wasserstoffgas über eine sehr geringe Molekülgröße verfügt, dringt es bei hohen Systemdrücken selbst durch kleinste Lücken an Anschlüssen, was mit Leckage- und Sicherheitsrisiken einhergehen kann. Auf der anderen Seite ist Wasserstoffgas extrem flüchtig, sodass eine Entzündungsgefahr auszuschließen ist. Testkunden verfügen regelfällig über einen Zugang zu einer oder mehrerer Wasserstofftankstellen in der Region. Die Betankung mit rund 28 kg Wasserstoff dauert maximal 15 Minuten.

H2-Mobility as a Service

Auf Basis der Motorumrüstung und der Integration eines H2-Tanksystems bietet KEYOU Flottenbetreibern CO2-freie Wasserstofffahrzeuge an, die Emissionsfreiheit, Effizienz und Wirtschaftlichkeit zugleich bieten. Die H2-Fahrzeuge gelten nach EU-Norm als Zero Emission und sind von der Maut befreit. Neben der reinen Modifikation und einem CO2-freien „Second Life“ für Bestandsfahrzeuge, setzt KEYOU mit der ‚Hydrogen Mobility as a Service‘-Strategie auf eine vollumfängliche Mobilitätslösung. Die im ‚Pay-per-Use‘-Modell angebotene Gesamtlösung beinhaltet demnach nicht nur den reinen Umbau von Fahrzeug und Motor, sondern auch die Bereitstellung des Kraftstoffs, die Versicherung sowie Service und Wartung.
Im Übrigen erfolgt die Umrüstung des Motors auf H2-Betrieb bei Bücker & Essing in Lingen an der Ems, die Integration des Motors erledigt der Kooperationspartner Paul-Nutzfahrzeuge in Vilshofen an der Donau.

Service und Trainings bei Paul Nutzfahrzeuge

KEYOU und der Nutzfahrzeug-Spezialist Paul-Nutzfahrzeuge haben erst letztes Jahr ihre Partnerschaft weiter ausgebaut. Die bestehende Zusammenarbeit soll nun auf die Themen Service, Qualifizierung und Schulungen und die Teileversorgung ausgeweitet werden. Dafür setzt KEYOU auch auf das umfangreiche Partnernetzwerk der Paul Group, welches durch Paul entsprechend geschult und ‚H2 ready‘ gemacht wird.

40 Tonnen H2-Lkw in Arbeit

Derzeit arbeitet KEYOU im Rahmen des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderten Forschungsprojekt ‚HyCET‘ rund um Konsortialführer BMW AG gemeinsam mit den Konsortialpartnern Deutz AG, DHL Freight GmbH, Total-Energies Marketing Deutschland GmbH und der Volvo Group an der Entwicklung und Erprobung eines 40t Lkw mit 13 Liter Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Die Fertigstellung eines Prototyps sei noch dieses Jahr geplant. Der Test im Straßenbetrieb soll laut KEYOU 2025 starten. Die Paul Group wird auch bei diesem Projekt den Aufbau des Fahrzeugs übernehmen.

Den Beitrag finden Sie auch in der Print-Ausgabe 4-2024 der Krafthand-Truck.