Jürgen Karpinski, ZDK
Zukunft der freien Werkstätten

ZDK-Präsident Jürgen Karpinski im KRAFTHAND-Interview

Bilder: Ledermann

Angefangen bei der AU über die Fahrzeugvernetzung bis hin zur Frage der Chancengleichheit. Das alles sind Themen, die freie Kfz-Betriebe ebenso bewegen wie ihre Markenkollegen. Diesen Fragen stellte sich ZDK-Präsident Karpinski im Gespräch mit der Redaktion genauso, wie er es nicht gelten lässt, wenn verunglimpfende Aussagen gegenüber den markenunabhängigen Betrieben getätigt werden.

Herr Karpinski, es gibt viele spannende Themen, die auf das Kfz-Gewerbe zukommen. Eines davon ist die Reformierung der AU, sprich die Wiedereinführung der generellen Endrohrmessung. Wird diese kommen und vor allem wann?

Wir gehen davon aus, dass die generelle Endrohrmessung kommt. Alle Verantwortlichen bis hin zum Bundesverkehrsminister deuten das so an. Wann es so weit sein wird, ist bis dato noch nicht bestätigt. Betonen möchte ich in diesem Zusammenhang: Die Endrohrmessung ist ein großer Erfolg unserer Verbandsarbeit und gibt dem Verbraucher Sicherheit. Denn egal, was auch immer erzählt wird: Letztlich ist entscheidend, was hinten rauskommt und gemessen wird. Beispielhaft zeigt das der Abgasskandal. Hier standen auch alle Lämpchen auf grün und es hieß, es sei alles okay. Doch in Wahrheit war nichts in Ordnung.

Und bei der Endrohrmessung wissen wir, was am Auspuff rauskommt. Und damit lassen sich unwirksame Abgassysteme erkennen, ob durch Verschleiß oder aufgrund nachträglicher Manipulation.

Entscheidend für den Erfolg ist die Qualität und nicht, ob einer frei oder markengebunden ist.

Aber wie kommt es dann zu unterschiedlichen Aussagen von ZDK und DUH? Die DUH behauptet, nur aufgrund einer Endrohrmessung würden zum Beispiel noch lange keine minderwertigen oder schadhaften Katalysatoren erkannt. Deshalb müsse die AU noch viel weiter reichen.

Zunächst: Der ZDK macht sehr genaue Erhebungen zur Wirksamkeit der AU. Dabei haben wir festgestellt, dass im vergangenen Jahr über eine Million schadhafte Abgassysteme im Rahmen der AU erkannt wurden. Allein das ist schon eine Legitimation für die AU und die Notwendigkeit der Abgasuntersuchung.

Die AU hat also definitiv eine Zukunft?

Ja. Wir gehen sogar davon aus, dass die Abgasuntersuchung in einem nächsten Schritt noch weiter modifiziert wird.

Inwiefern?

Sicher muss über eine Verschärfung der AU-Grenzwerte gesprochen werden und langfristig auch über eine Stickoxidmessung.

Wie auch immer sich die AU weiterentwickelt, es steht doch jetzt schon fest: Wirklich verändern wird dies die Branche nicht. Anders sieht es mit E-Fahrzeugen aus, ebenso den vernetzten Fahrzeugen und der Digitalisierung im Allgemeinen. Daraus resultieren unterschiedliche Herausforderungen für Markenhändler und freie Werkstätten. Wobei Letztere vor den größeren Aufgaben stehen. Nicht zuletzt wegen der Themen Daten und Datenzugriff.

Naja, die Markenwerkstätten stehen ebenso vor großen Herausforderungen. Diese Trennung möchte ich gar nicht machen. Schauen Sie mal, was Markenhändler allein an Auflagen erfüllen müssen. Angefangen bei baulichen Vorgaben über die Ausrüstung bis hin zu den Schulungsvorgaben. Ganz zu schweigen vom finanziellen Einsatz für den Fahrzeughandel. Hier muss mit hohen Summen in Vorleistung gegangen werden, um Neuwagen vorzuhalten. Das sind erhebliche Belastungen in Millionenhöhe, die markenunabhängige Betriebe nicht leisten müssen.

Die Freien haben also genauso viele Vorteile wie Nachteile. Außerdem haben wir ja sehr viel erreicht für die freien Werkstätten, das darf man nicht vergessen. Beispielsweise müssen die Fahrzeughersteller Wartungs- und Reparaturdaten freigeben, was noch vor einigen Jahren nicht der Fall war.

Wir bei KRAFTHAND können uns vorstellen, dass sich der ZDK als Interessenvertretung für Freie und Markenbetriebe in einem Spannungsfeld bewegt. Schließlich sind deren Interessen oft konträr und die jeweilige Seite dürfte das zu verstehen geben.

Ja, das machen die auch. Die Freien beschweren sich teils über die Markenfraktion und umgekehrt passiert das natürlich auch. Aufgabe des ZDK ist es, alles zusammenzuhalten. Und das gelingt uns sehr gut. Wir betrachten beide Seiten als Säulen. Der ZDK ist das Dach, ist der starke politische Arm des gesamten Kraftfahrzeuggewerbes. Er macht die politische Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel …

… für das ganze Gewerbe? Vor einigen Jahren bezeichnete Burkhard Weller, Inhaber der gleichnamigen Autohausgruppe, die Freien medienwirksam als Parasiten.

Ja, der ZDK spricht immer für das gesamte Gewerbe! Unabhängig davon sollten Sie die sprachliche Aussage von Herrn Weller bitte mit ihm selbst besprechen. Natürlich darf man sich nicht im Ton vergreifen. Wir haben Respekt vor jedem, der unternehmerisch unterwegs ist. Das ist immer auch eine ganz persönliche und bedeutende Lebensleistung. Und wenn einer in der Lage ist, sich selbstständig zu machen und Menschen zu beschäftigen und auszubilden, dann verdient er hohe Anerkennung als Unternehmer und als Mensch.

Interview Jürgen Karpinski
Beim Besuch der KRAFTHAND-Redaktion sagte der Präsident des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes Jürgen Karpinski: „Die Freien haben genauso viele Vorteile wie Nachteile“. Von links nach rechts: Steffen Karpstein (Geschäftsführer Krafthand Medien), Beate Dreher (Redaktionsmanagerin KRAFTHAND), Torsten Schmidt (Chefredakteur KRAFTHAND), Andreas Hohenleitner (Geschäftsführer Krafthand Medien). Bilder: Ledermann

Aber wird es für Unternehmer insbesondere im Fahrzeughandel nicht immer schwerer vor dem Hintergrund der Digitalisierung und dem damit wachsenden Internethandel?

Das Internet ist sicher eine schöne Informationsmöglichkeit für den Verbraucher. Aber wir wissen von Fällen, bei denen Kunden ihr Neufahrzeug online konfiguriert und bestellt haben und dann feststellen mussten, dass sie vergessen hatten, Ausstattungsdetails mitzubestellen. Das allein ist schon die Legitimation für den stationären Handel, der meiner Meinung nach auch in Zukunft tolle Chancen hat. Außerdem: Autos in echt sehen und anfassen, Beratung sowie Fragen rund um die Ausstattung und Zubehör. Das geht nur beim Handel vor Ort …

…, der jedoch mit geringen Margen zu kämpfen hat.

Ja, das ist leider so.

Der stationäre Handel hat trotz Internet tolle Chancen in der Zukunft.

Auch im Servicebereich, wie wir wissen. Schließlich sinkt der Wartungsbedarf.

Ja, natürlich ist das so. Die Produkte werden immer besser, das ist ganz eindeutig. Und damit geht der Wartungsbedarf zurück. Aber das ist ein schleichender Prozess, da heute viele Fahrzeuge eine hohe Lebensdauer haben. Da sind wieder die freien Betriebe im Vorteil, die mit den älteren Fahrzeugen eine ganze Reihe lukrativer Reparaturen bekommen.

Dann gehen Sie davon aus, dass auch in Zukunft eine Abwanderung zu den Freien stattfindet?

Ja. Es wird immer Autofahrer geben, die in freie Werkstätten gehen. Ich denke da an die Segmente drei und vier. Teils sogar an Fahrzeuge des Segments zwei. Und so findet ein gewisser Ausgleich statt.

Sehen Sie also Chancengleichheit zwischen Freien und Markenbetrieben?

Ganz eindeutig.  Aber das Entscheidende ist doch nicht, ob einer frei oder markengebunden ist. Entscheidend ist doch die Qualität. Ist der Freie supergut und superfreundlich zu den Kunden, hat er alle Chancen der Welt. Ist ein Fabrikatshändler supergut, hat er ebenfalls alle Chancen der Welt. Ist einer schlecht, egal ob er frabrikatsgebunden oder frei ist, dann bekommt er von seinen Kunden die Höchststrafe. Diese gehen dann nämlich nicht mehr hin. So einfach ist das.

Könnten die immer höheren Investitionssummen dazu führen, dass Markenhändler zunehmend aus ihren Verträgen aussteigen?

Das passiert ja laufend. Viele gehen vom Markenhandel zum freien Handel über.

Aber wird sich das Blatt nicht wenden, wenn man an das Zukunftsthema vernetzte Fahrzeuge denkt? Die Automobilhersteller haben den Zugriff auf diese Daten und könnten per Ferndiagnose quasi eine Art Schadenlenkung zugunsten der Markenbetriebe umsetzen. Sind diese dann nicht doch im Vorteil?

Also ob die Markenbetriebe damit besser fahren, sei dahingestellt. Ich stimme mit Ihnen überein, wenn Sie sagen, der Hersteller hat die Daten. Wir als ZDK kämpfen jedoch seit gut eineinhalb Jahren in Berlin und Brüssel um Folgendes: Wir sagen, die Datenhoheit muss der Kunde haben, denn ihm gehören diese, denn auch ihnen soll ja der Zugang zu den Fahrzeugdaten verwehrt bleiben. Und wir sagen, jeder, der ein berechtigtes Interesse hat, muss gleichwertigen Zugriff auf die Daten bekommen.

Wie sehen Sie die Chancen des ZDK?

Die Chancen sind gut. Zumindest nach unseren bisherigen Gesprächen. Übrigens: Wir machen sehr viel mehr Dinge im ZDK, die ja die Öffentlichkeit in der Regel gar nicht mitbekommt. Wir sind in ständigen Gesprächen mit Ministerien, etwa zum Thema Straßenverkehr. Wir beraten bei der Gesetzgebung. Wir sind bei der Rechtsprechung aktiv und durchleuchten Urteile, kommentieren diese und stellen sie dem Kfz-Gewerbe mit entsprechenden Hinweisen zur Verfügung. Das alles sind hochkomplexe Themen, die teils mittelbar und teils unmittelbar unseren Mitgliedern zugute kommen. Denken Sie bitte nur an die Beleihung der Innungen mit hoheitlichen Aufgaben wie zum Beispiel der AU oder den Ersatz von Ein- und Ausbaukosten sowie die Ausdehnung des Verwendungszwecks der roten Kennzeichen.

Die Berechtigung der AU und der generellen Endrohrmessung zeigt sich beispielhaft am Abgasskandal. Hier standen auch alle Lämpchen auf Grün und es hieß, es sei alles okay. Doch in Wirklichkeit war nichts in Ordnung.