Das Landgericht Stuttgart hat in einem Urteil (Az.: 20 O 425/16) den Wandel in der Rechtsprechung bestätigt und fortgeführt: Während 2016 die Entscheidungen im Rahmen des Abgasskandals überwiegend zugunsten der Händlerschaft ausfielen, hat die Berichterstattung zum Skandal anscheinend nun auch bei den Gerichten Spuren hinterlassen.
Im konkreten Fall handelte es sich um ein Neufahrzeug aus dem VW-Konzern. Der spätere Kläger forderte nach Bekanntwerden der Manipulationen zunächst seinen Händler auf, am Abgassystem nachzubessern und setzte ihm hierfür eine Frist von knapp zwei Monaten. Als der Händler diese Frist verstreichen ließ, trat der Käufer vom Vertrag zurück. Zu diesem Zeitpunkt existierte noch kein Software-Update für das betroffene Modell.
In der Regel beseitigt der Händler den Fehler im Zuge der Nachbesserung selbst. Nachdem der Hersteller für die Manipulationen verantwortlich war, räumten viele Gerichte den betroffenen Händlern eine großzügige Reparaturfrist (circa zehn Monate) ein. Das LG Stuttgart hielt dagegen die Frist von „knapp zwei Monaten“ noch für angemessen und bestätigte damit den Rücktritt des Käufers. Selbst die Behauptung des Händlers, der Aufwand für die Reparatur am Abgassystem stehe in keinem Verhältnis zum Wert des Pkws, griff nicht durch. Der Aufwand muss an marktgängigen Kostensätzen messbar sein. Den Richtern zufolge hätte das vom Hersteller angebotene Software-Update „keinen Marktpreis”, es kann allenfalls von nachträglichen „Entwicklungskosten” ausgegangen werden.
Ferner könne ein Käufer ohne Rücksicht auf eine Frist sofort vom Kauf zurücktreten, „wenn die begründete Befürchtung besteht, dass das Update den Mangel […] nicht beseitigen oder zu Folgemängeln (z.B. einem höheren Kraftstoffverbrauch) führen wird”. Interessanterweise muss der Käufer mögliche Folgemängel nicht beweisen, sondern lediglich sicher behaupten. Nach Ansicht der Richter reicht es aus, „wenn der Käufer konkrete tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, die Folgemängel aus der Sicht eines verständigen Käufers möglich erscheinen lassen“. Angesichts der Zweifel, die inzwischen einer reinen Softwarelösung entgegengebracht werden, wären viele betroffene Käufer in der Lage, sich sofort von ihrem Diesel-Pkw zu trennen, ohne ihren Händlern die Chance einzuräumen, das Fahrzeug zu reparieren.