ZDK-Präsident im KRAFTHAND-Interview

„Wer seine Stimme nicht erhebt, kann nichts gewinnen“

Erhebt als ZDK-Präsident die Stimme für die überwiegend kleinen und mittelständischen Kfz-Werkstätten und Autohäuser in Deutschland: Jürgen Karpinski. Bild: ZDK

Was kleine und mittelständische Werkstätten und Autohäuser von einer neuen Bundesregierung konkret erwarten, hat der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe ZDK in einem fünfseitigen Schreiben formuliert. Im Interview erläutert ZDK-Präsident Jürgen Karpinski die Details.

Herr Karpinski, der ZDK hat einen mehrseitigen Forderungskatalog an eine zukünftige Bundesregierung gerichtet. Bevor wir in Details einsteigen: Können Sie kurz die Kernthemen anreißen?

Es geht um die Grundlagen für die individuelle Mobilität der Zukunft, es geht um Digitalisierung und es geht um spezifische Branchenthemen. Dazu gehört, die aufgrund des monatelangen Lockdown hoch belasteten Kfz-Unternehmen durch gesetzliche Erleichterungen zu entlasten. Dazu gehört auch, den Rechtsrahmen für eigenverantwortliches unternehmerisches Handeln der Autohäuser und Kfz-Werkstätten zu stärken, wie etwa der Schutz vor Missbrauch überlegener Marktmacht durch die Automobilhersteller. Der Zugang zu Wartungs- und Instandsetzungsinformationen der Automobilhersteller muss für alle Kfz-Betriebe offen und diskriminierungsfrei möglich sein. Und nicht zuletzt brauchen wir dringend die digitale Fahrzeugzulassung in unseren Autohäusern. Das hat uns nicht zuletzt die Pandemie noch einmal deutlich vor Augen geführt.

Scheinbar ist in vielen Köpfen der Irrglaube verankert, dass die Gewinne der Hersteller und Importeure auch in die Kassen der Händler und Werkstätten fließen. Wir sind mittelständische Unternehmer, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, verschärft durch monatelange Lockdownverluste.

Insbesondere Autohäuser, also der Autohandel, haben unter den Coronamaßnahmen gelitten. Was erwarten Sie konkret von der Politik, damit die entstandenen Einbußen zumindest ein Stück weit kompensiert werden?

Wir denken hier insbesondere daran, die Möglichkeiten des Verlustrücktrags nach den Regeln des Einkommenssteuergesetzes über das Jahr 2019 hinaus nach hinten zu erweitern, um besonders erhebliche Verluste in den Betrieben aufzufangen. So sollte auch das Jahr 2018 umfasst und Sonderabschreibungen zugelassen werden. Sofern noch nötig, sollten auch kommende Einschränkungen zur Pandemiebekämpfung nach der Bundestagswahl bei allem gebotenen Gesundheitsschutz die Geschäftstätigkeit so gering wie möglich beeinträchtigen. Mit ausgefeilten Hygienekonzepten, ausreichenden Testkapazitäten, den großzügigen Verkaufsflächen und den Instrumenten digitaler Kontaktnachverfolgung muss es Autohandelsbetrieben, von denen ein allenfalls minimales Infektionsrisiko ausgeht, möglich bleiben, ihre Geschäfte zu betreiben.

Klimaschutz im Straßenverkehr ist ohne Lösungen für den Fahrzeugbestand undenkbar.

Und wie realistisch ist es, dass diese Forderungen erfüllt werden? Immerhin verlangen sehr viele Branchen Hilfe?

Wer nichts fordert und seine Stimme nicht erhebt, kann auch nichts gewinnen. Wir werden den politisch Verantwortlichen gegenüber deutlich machen, dass das Kraftfahrzeuggewerbe kein Appendix der Automobilindustrie ist. Denn scheinbar ist in vielen Köpfen der Irrglaube verankert, dass die Gewinne der Hersteller und Importeure auch in die Kassen der Händler und Werkstätten fließen. Wir sind mittelständische Unternehmer, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, verschärft durch monatelange Lockdownverluste. Daher ist es nur recht und billig, hier zumindest steuerliche Entlastungen einzufordern.

In dem Forderungskatalog steht, dass Kaufanreize für Plug-in-Hybride erhalten bleiben, obwohl deren Umweltfreundlichkeit wegen der geringen elektrischen Nutzung von vielen in Zweifel gezogen wird. Würden Sie dem widersprechen oder sind Sie eher für eine Anpassung der Kaufanreize? Sprich: Sollten diese an eine tatsächliche bestimmte elektrische Nutzung geknüpft sein?

Plug-in-Hybride sind wichtige Wegbereiter der Elektromobilität, weil sie lokal emissionsfreies Fahren ermöglichen und der Reichweitenangst vieler Kunden vorbeugen. Diese Fahrzeuge nicht mehr zu fördern, wäre ein falsches Signal und aus Sicht der CO2-Einsparung nicht gerechtfertigt, weil für das Erreichen der Klimaziele alle umweltfreundlichen Antriebstechnologien benötigt werden. Plug-in-Hybride lassen sich sowohl mit Strom aus erneuerbaren Energien als auch mit grünen Kraftstoffen betreiben. Je nach Rechenmodell können sie dann sogar eine bessere CO2-Bilanz haben als rein batterieelektrische Fahrzeuge. Die Vorgabe elektrischer Fahrleistungen für Plug-in-Hybride würde hingegen die bestehende Förderpraxis verkomplizieren und die Kunden verunsichern.

Der Automobilhandel ist kein Auslaufmodell. Er hat die notwendige Erfahrung und Flexibilität.

Zusätzlich zu der bereits vorgeschriebenen Anhebung der elektrischen Mindestreichweiten sollten für den Erhalt der Förderung stattdessen andere Maßnahmen ergriffen werden: Wir benötigen noch mehr Lademöglichkeiten zuhause und beim Arbeitgeber, um höhere elektrische Fahrleistungen im Alltag zu erreichen. Unsere Betriebe leisten ihren Beitrag, indem sie die Kunden beraten, wie sie zum Beispiel ihre elektrischen Fahranteile steigern und dadurch die Kraftstoffkosten reduzieren können.

Der ZDK spricht sich im Hinblick auf die Mobilität der Zukunft für Technologieoffenheit aus und sieht die reine Fixierung auf das batterieelektrische Auto kritisch. Ihrer Meinung nach sollten auch E-Fuels, Wasserstoff usw. nicht ausgeschlossen sein. Nun beschränken sich aber einige Autobauer schon von selbst in Sachen Technologieoffenheit. Paradebeispiel dafür ist VW, wo sich Herr Diess ganz klar gegen Brennstoffzellen im Pkw ausspricht. Bei Volvo und anderen Autobauern lassen sich solche Tendenzen auch erkennen. Sind damit die Würfel nicht längst Richtung E-Auto gefallen – ganz unabhängig davon, was die Politik plant? Sind alle anderen Forderungen nicht nur noch Scheingefechte?

Das sehe ich anders. Klimaschutz im Straßenverkehr ist ohne Lösungen für den Fahrzeugbestand undenkbar. Denn es wird auch in den kommenden zehn bis 20 Jahren noch viele Millionen Autos mit Benzin- und Dieselmotoren geben. Diese Fahrzeuge könnten aber zum Beispiel mit Biokraftstoffen oder synthetisch hergestellten Kraftstoffen klimafreundlich weiterbetrieben werden. In Deutschland sind das zurzeit allein rund 46,5 Millionen Pkw im Bestand, das entspricht rund 94 Prozent aller Pkw.

Darüber hinaus brauchen auch die Autofahrerinnen und Autofahrer eine verlässliche Perspektive, dass auf absehbare Zeit Ersatz für fossile Treibstoffe verfügbar ist. Hier ist die Politik gefordert, die alternativen Kraftstoffe genauso zu fördern wie die Elektromobilität. Denn es wird auch in Zukunft Menschen geben, für die ein E-Fahrzeug aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommt. Und die Brennstoffzelle wäre nicht nur für den Schwerlastverkehr eine lohnende Alternative. Zulieferer und Hersteller arbeiten intensiv an diesem Thema.

Bestehende Fahrzeuge könnten zum Beispiel mit Biokraftstoffen oder synthetisch hergestellten Kraftstoffen klimafreundlich weiterbetrieben werden.

Auf die Frage, ob es den stationären Autohandel in zehn Jahren noch geben wird, antwortet Jürgen Karpinski mit einem klaren Ja. Denn für ihn ist er kein Auslaufmodell, sondern im Sinne der Kunden weiterhin wünschenswert. Bild: ProMotor/T. Volz

Zurück zur Situation der Vertragshändler: Einige Autobauer forcieren ihre Aktivitäten – teils in Verbindung mit E-Autos – in Richtung Agenturgeschäft und degradieren damit quasi ihre Vertragspartner vor Ort zu Auslieferungs- und Servicestützpunkten. Wenn das Schule macht, stellt sich nicht nur die Frage: Quo vadis stationärer Autohandel, sondern vielmehr, wird es diesen in zehn Jahren überhaupt noch geben? Was sagen Sie zu dieser sicher etwas sehr zugespitzten Frage?

Auch hier eine klare Antwort: Der Automobilhandel ist kein Auslaufmodell. Das zeigt nicht zuletzt die Coronakrise. Bei der Diskussion über Agenturmodelle und digitalen Direktvertrieb sollten die Kunden und deren Wünsche ausschlaggebend sein. Und wer könnte das besser beurteilen und beeinflussen als der Handel. Dafür ist hohe Flexibilität gefordert. Daher ist zu fragen, ob etwa ein Agenturmodell dem Handel diese Flexibilität ermöglicht. Alle Probleme der Händler, Hersteller und Kunden kann es nicht lösen. Wichtig ist es, dass die Hersteller und Importeure, die immer wieder die wichtige Rolle des Handels in ihren Vertriebsstrategien betonen, im Dialog mit den Fabrikatshändler-Verbänden faire und zukunftsfeste Vergütungsmodelle finden, die den Händlern die Freude am Geschäft erhalten.

Herr Karpinski, vielen Dank.