Der Austausch eines Radlagers ist für Werkstätten Routine. Dennoch kann es bei falscher Vorgehensweise – etwa bei der Demontage von Bremsscheiben – zu frühzeitigen Radlagerschäden kommen. Darauf weisen auch die Experten von NTN-SNR hin. Bei einem Besuch in der KRAFTHAND-Werkstatt haben sie den Einbau ihrer ASB-Radlager mit Spezialwerkzeug gezeigt und vermeidbare Ausfallursachen skizziert.
Radlager gibt es in zahlreichen Varianten: Ursprünglich wurden für Pkw-Radlagerungen ausschließlich genormte, einreihige Kugel- beziehungsweise Kegelrollenlager eingesetzt, die sogenannte Generation 0. Seit den 1960er Jahren werden hauptsächlich zweireihige Schrägkugellagereinheiten mit einem ungeteilten Außenring und einem oder zwei getrennt angeordneten Innenringen eingesetzt. Je nachdem, welche Funk tio nen in den Innen- oder Außenring integriert sind, spricht man von Radlagern der ersten, zweiten und dritten Generation.
1. Generation: Die Radlagereinheiten der ersten Generation sind sowohl für angetriebene als auch nicht angetriebene Räder einsetzbar. Ihr Außenring wird in das Radlagergehäuse eingepresst und mit zwei Sicherungsringen oder einem Bund und einem Sicherungsring axial gesichert. Die beiden Innenringe werden je nach Fahrzeugausführung über eine Dehn schraube oder Zentralmutter gesichert.
2. Generation: Der drehende Flansch zur Aufnahme von Bremsscheibe und Komplettrad ist bei Radlagern der zweiten Generation in den gemeinsamen Außenring integriert. Diese Einsparung führt zu einer Gewichtsreduzierung in der Radaufhängung. Der Einsatz dieser Radlagerausführung ist nur für nicht angetriebene Achsen geeignet.
3. Generation: Radlager der dritten Generation besitzen einen integrierten Flansch am Außen- und Innenring zur Aufnahme von Bremsscheibe und Rad beziehungsweise zur Verbindung mit dem Radlagergehäuse/-träger. Diese Variante eignet sich sowohl für die Verwendung in angetriebenen als auch in nicht angetriebenen Achsen.
Mittlerweile kommt vor allem diese Generation zum Einsatz, zu der auch die ASB-Radlager (Active Sensor Bearing) von NTN-SNR zählen. Im Dichtring zwischen Innen- und Außenring sitzt ein Magnet-Encoder, bei dessen Rotation ein digitales Signal an das ABS-Steuergerät weitergeleitet wird. Der Encoder löst das bisherige Zahnrad ab, das zuvor als Geber für die Raddrehzahl diente. Vorteil des neuen Systems: Es benötigt keine Mindestgeschwindigkeit von 4 bis 7 km/h, um aktiv zu werden, sondern meldet bereits kleinste Bewegungen des Rads aus dem Stillstand heraus.
Montagehinweise und Ausfallursachen
Das Magnetfeld des ASB-Lagers ist konstruktionsbedingt nicht sehr stark. Dieser Umstand wird in der Werkstatt allerdings nach wie vor oft vernachlässigt. Um die Reihenfolge der Nord- und Südpole zu stören, genügt es bereits, die Spitze eines magnetisierten Schraubendrehers auf den von außen unsichtbaren Encoder zu legen. Die Folge: Der ABS-Sensor meldet einen unplausiblen Drehzahlsprung des Rads und die Fehlerlampe im Fahrzeugdisplay leuchtet auf.
Wichtig: Der Mechatroniker darf den antimagnetischen Schutzdeckel erst unmittelbar vor der Montage entfernen. Mit Hilfe der ASB-Testkarte erkennt der Fachmann die Dichtung mit dem Magnet-Encoder und erkennt somit die richtige Einbaurichtung zum ABS-Sensor. Zudem ist mit der Karte eine mögliche Störung des Encoders zu prüfen, um unnötige Kundenreklamationen zu vermeiden.
Weitere Ausfallgründe: Wie Marco Rompf, Techniktrainer bei NTN-SNR, betont, kann neben Schmiermittelmangel und eingedrungenem Schmutz oder Wasser auch der Einsatz eines schweren Hammers bei der Demontage einer festsitzenden Brems scheibe das Radlager massiv beschädigen. Leider ignorieren Mechatroniker hier viel zu oft die Gefahr, durch Schläge auf den Radnabensitz das Radlager zu schädigen. Die Schlag energie geht durch die Kugeln oder Walzen der Lager weiter zu den Laufringen und hinterlässt dort ihre Spuren. Ein sofortiger Ausfall ist eher selten festzustellen, weder vom Werkstattmeister noch vom Kunden. Und somit wird in der Regel auch keine Verbindung zwischen Bremsenreparatur und Lagerschäden hergestellt.
Der Einsatz eines schweren Hammers beziehungsweise Schlägels auf den Radnabensitz kann bei der Demontage einer festsitzenden Bremsscheibe das Radlager massiv beschädigen.
Auch schwergängige Bremssättel oder Fahrten mit angezogener Handbremse beeinträchtigen den Dicht ring und das Lagerfett. Zudem können auch häufige Fahrten durch Schlaglöcher, Vibrationen durch schlecht ausgewuchtete Räder an den Achsen und unsachgemäße Montage Radlagerprobleme hervorrufen.
Montage des Kompaktlagers
Für den Einbau eines neuen Radlagers empfehlen die Experten maßgeschneiderte Tools zu verwenden wie etwa das spezielle Ausziehwerkzeug von Hazet. Nach der Demontage von Bremsscheibe und Bremssattel sowie der Antriebswelle kann der Mechatroniker mit dem Spezialwerkzeug das alte Lager herausziehen. Dazu setzt er die beiden Halbschalen seitlich zwischen der Rückseite der Radnabe und dem Lagergehäuse (Achskörper) ein.
Das Ausziehwerkzeug drückt mit Bolzen durch die Radschraubengewinde der Nabe auf die beiden Halbschalen. Mit einer Spindel oder Hydraulikpresse beginnt der Fachmann jetzt die Zugarbeit. Der verbaute Sicherungsring des Lagers wird dabei zerstört. Nach dem Ausbau des alten Lagers kontrolliert der Kfz-Fachmann die Lagergehäusebohrung und reinigt die Oberfläche mit einem weichen Reinigungsvlies. Bei Verwendung von harten Schleif- und Reinigungsmitteln kann es unter Umständen auf der Oberfläche zu einer Riefenbildung kommen. Dort können sich Schmutz oder Wasser ansammeln und somit das Lager und dessen Aufnahme beschädigen.
Beim Einbau des neuen Lagers setzt der Mechatroniker wieder hinter der Nabe aus zwei Halbschalen einen Druckring zusammen. Dieser Ring leitet die Zugkraft über den Sicherungsring an die Außenschale des Radlagers weiter. Das Lager ist so weit einzudrücken, bis der Sicherungsring hörbar einrastet. Dabei wirken Unternehmensangaben zufolge keinerlei Kräfte auf Nabe und Kugeln ein. Die Zugkraft der Spindel wird per Druckbolzen wieder durch die Radschraubenbohrungen eingeleitet. Danach steckt der Kfz-Fachmann auf der Lagerinnenseite die sogenannte Schleuderscheibe auf, die das Lager vor Schmutz und Wasser schützt.
Grundsätzlich darf der Kfz-Fachmann das Radlager nicht als isolierte Einheit betrachten, sondern immer im Zusammenhang mit dem Radmodul. Denn dazu gehören Rad, Bremsscheibe mit Bremssattel, Radlager mit Nabe, Radträger und – beim angetriebenen Rad – die Gelenkglocke mit Zapfen. Die Funktion der Radlager ist im Rahmen der Wartungs- und Servicearbeiten sowie nach den vorgeschriebenen Streckenleistungen der Fahrzeughersteller zu überprüfen und bei Bedarf gegen Neuteile zu tauschen.
Auf KRAFTHAND.tv zeigt Marco Rompf, technischer Trainer von NTN-SNR, den fachgerechten Aus- und Einbau des ASB-Radlagers an einem Polo und Schulungsmodell.