Verdichter mit variabler Turbinengeometrie (VTG) sind bei Dieseltriebwerken seit Jahrzehnten Standard. An Ottomotoren hingegen sucht man bis dato vergeblich nach VTG-Ladern – von einigen Ausnahmen abgesehen. Bosch Mahle Turbo Systems will dies nun ändern. In diesem Zusammenhang spielt auch das Miller-Brennverfahren eine wichtige Rolle.
Bei der Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren bewegen sich die Ingenieure stets in einem Spannungsfeld: Sie müssen die Schadstoff emissionen drücken. Gleichzeitig sollen die Triebwerke jedoch leistungsstärker oder bei weniger Hubraum mindestens mit der selben Leistung aufwarten. Dieser Zielkonflikt wird sich ab 2020 noch weiter zuspitzen. Dann näm lich verschärfen sich die Vorgaben zu den CO2-Emissionen, sodass der effektive Wirkungsgrad von Ottomotoren weiter steigen muss. Einen Beitrag dazu kann eine noch bessere Aufladung per VTG- Turbolader leisten.
Abgastemperaturen sind der Schlüssel
Während die Verdichter mit variabler Turbinengeometrie (VTG) bei Dieseltriebwerken seit Jahrzehnten Stand der Technik sind, sucht man an Ottomotoren (bis auf wenige Ausnahmen) bisher vergeblich nach VTG-Ladern. Der Grund: Bisher waren Verstellmechanismen auf der Turbinenseite bei Ottomotoren aufgrund der hohen Abgastemperatur (900 bis 1.050 °C) sehr kostenintensiv und somit nur für Nischenanwendungen im Einsatz.
Mit seiner neuen Generation der verstellbaren Turbinengeometrie will Bosch Mahle Turbo Systems (BMTS) das ändern. Die ‚VTG Generation 2’ des Zulieferers wartet mit einer Verstellgeometrie auf, die aufgrund ihrer konstruktiven Gestaltung trotz kritischer Temperaturgradienten nur unwesentliche thermische Verformungen aufweist. Für den Einsatz im Dieselmotor können dadurch die Leitschaufelspalten kleiner ausfallen, was durch die geringere Leckage einen höheren Wirkungsgrad zur Folge hat.
Um das neue VTG- Konzept für den ottomotorischen Betrieb fit zu machen, muss das Unternehmen eigenen Angaben zufolge lediglich Materialanpassungen vornehmen. Damit und durch weitere Maßnahmen ist ein Einsatz bei Abgastemperaturen von bis zu 980 °C möglich. Also ein Temperaturbereich, der die Anwendung bei Ottomotoren zulässt.
Grundsätzlich wird zwischen zwei wesentlichen Applikationszielen einer VTG am Ottomotor unterschieden:
- Dem Leistungskonzept, bei dem primär die Verbesserung der Motorperformance im Vordergrund steht.
- Dem Wirkungsgradkonzept (Low-End-Torque-Konzept), bei dem es vornehmlich um geringen Kraftstoffverbrauch im Teillastbetrieb geht.
Das Leistungskonzept
Durch den Einsatz einer verstellbaren Turbinengeometrie am Ottomotor ist es möglich, die Nennleistung erheblich zu steigern und gleichzeitig sowohl die maximale Abgastemperatur als auch den Kraftstoffverbrauch im oberen Leistungsbereich zu reduzieren. Um diese Vorteile vollumfänglich darzustellen, ist es den Entwicklern von BMTS zufolge notwendig, die Ventilschließzeiten des Triebwerks auf den Miller-Zyklus anzupassen. Dabei handelt es sich um jenes Verfahren, nach dem auch der neue 2.0-TFSI- Motor von Audi arbeitet (ausführliche Erklärung siehe KRAFTHAND 1-2/2015 Seite 30).
Das Miller-Verfahren stellt aufgrund eines gesteigerten Ladedruckniveaus erhöhte Anforderungen an das Aufladeaggregat. Infolge einer Reduktion des Druck- und Temperaturniveaus im Verbrennungsprozess wird der Motorwirkungsgrad mittels Zündanpassung gesteigert sowie die maximale Abgastemperatur gesenkt. Durch die Nutzung des gesamten Abgasmassenstroms über eine verstellbare Turbinengeometrie gegenüber einem Abgasturbolader mit Wastegate werden hierbei gesteigerte Ladungswechselwirkungsgrade erzielt, welche wiederum die genannten Potenziale ermöglichen.
Das Wirkungsgradkonzept
Zum besseren Verständnis für dieses Konzept, das zu einem geringeren Verbrauch im Teillastbetrieb beiträgt, muss man sich zunächst die beiden folgenden Fakten vor Augen halten: Einerseits entfaltet der Abgasturbolader in aufgeladenen Ottomotoren seine Wirkung erst bei Überschreitung der saugmotorischen Volllast. Und andererseits lässt sich durch die Erhöhung der Ladungsdichte im Zylinder in Kombination mit einer größeren Kraftstoffmasse die Leistung signifikant steigern.
Für einen besseren thermodynamischen Motorwirkungsgrad und somit geringeren Kraftstoffverbrauch im Teillastbereich bei ottomotorischen Brennverfahren bietet es sich an, das geometrische Verdichtungsverhältnis zu erhöhen. Allerdings führt diese Maßnahme zu einem höheren Druck- und Temperaturniveau mit negativen Auswirkungen auf das Klopfverhalten bei höheren Lasten. Dies wiederum schlägt sich in einer Reduktion des Motorwirkungsgrads im Hochlastbereich sowie einer geringeren Leistungsdichte nieder.
Um dem entgegenzuwirken, kann bei höheren Lasten wiederum das effektive Verdichtungsverhältnis mittels dem bereits erwähnten Miller-Verfahren reduziert werden. Die daraus resultierte ge ringere Zylinderfüllung verlangt nach einem höheren Ladedruckbedarf zur Kompensation. Wie beim Leistungskonzept lässt sich dieser mit einer verstellbaren Turbinengeometrie besser decken als mit einem herkömmlichen Turbolader.