Es erwies sich als cleverer Schachzug, dem Abenteurer Simon Templar einen polarweißen Partner aus dem hohen Norden an die Seite zu stellen. „The Saint“, der Heilige, lautete in den 60er Jahren der Originaltitel der britischen TV-Krimiserie, in der Roger Moore für Gerechtigkeit sorgte. Auf seinen blonden, schwedischen Partner war dabei immer Verlass: den Volvo P1800.
Und während sich Moore in 118 Episoden für seine Paraderolle als 007 warmspielte, reifte der Volvo zum Kultauto. Selbst der spätere James Bond war von ihm so begeistert, dass er den Wagen vom Set weg kaufte und trotzdem noch vor der Kamera einsetzte.
Der Volvo P1800 war aber auch zum Verlieben. Selbst Volvo-Präsident Hakan Samuelsson hat heute noch einen. Pelle Peterson, Mitarbeiter beim renommierten Carrozziero Pietro Frua in Italien, hatte die Hülle bereits 1957 entworfen. Einer der optischen Höhepunkte waren die sportlich dezenten Heckflossen, gegen die US-amerikanische Straßenkreuzer wie Bulldozer aussahen.
Selbst der Hersteller fragt heute noch: „Ist er der schönste Volvo aller Zeiten?“
Mit diesem Körper ließ sich das Beste aus verschiedenen Ländern harmonisch zusammenfügen, was die Emotionen für ein Auto in den oberen Drehzahlbereich treibt: schwedische Zuverlässigkeit, italienische Eleganz und die aufregenden Fahreigenschaften eines britischen Roadsters. Der Erfolg war im Grunde vorprogrammiert, der Start allerdings eher holprig.
Zur Auffrischung nach Schweden
1961, als der P1800 bei Jensen Motors in West Bromwich vom Montageband lief, war das außergewöhnliche Coupé mit dem Aggregat des Volvo Amazon ausgestattet: ein Vierzylinder-Reihenmotor, Vergaser, 1,8 Liter. Seine 90 PS (66 kW) beförderten ihn in die Klasse der Sportwagen.
Aber die Verarbeitung, besonders der ersten 250 Fahrzeuge, war so lausig, dass die Fahrzeuge nicht auf die Straße durften, sondern zur Auffrischung erst ins Werk nach Göteborg gebracht werden mussten.
Die Sache mit den Nacharbeiten schauten sich die Schweden nicht lange an und holten die gesamte Montage 1963 nach Hause. Der Ruf musste wieder hergestellt werden, weshalb das scharfe Coupé künftig P1800 S hieß – S für produziert in Schweden.
Sechs PS packten die Hausherren gleich noch drauf, womit das sportliche Coupé den Sprint von null auf 100 in 12,1 Sekunden schaffte. Da musste sich selbst ein Porsche 356 gewaltig anstrengen.
Weil am Volvo P1800 S ziemlich viel stimmte, wurden ihm im Lauf der Jahre lediglich einige technische Feinheiten verordnet, die sich äußert positiv auf die Leistung auswirkten. Bereits ab 1968 füllte die schnittige Frontpartie ein völlig neuer Zwei-Liter-Motor mit 105 PS (77 kW). Und schon ein Jahr später wurde das Aggregat mit einer Einspritzanlage veredelt. Der P1800 E kam auf 124 PS (91 kW).
Märchenhafte Kombi-Version
Damit wäre die Geschichte des Autos eigentlich erzählt, hätten die Schweden mit ihrem neu entdeckten Faible für ungewöhnliches Design nicht noch einmal nachgelegt. Im August 1971 feierte die Kombi-Version des Sportwagens als P1800 ES Premiere. Eine solche Heckklappe mit überdimensionaler Glasscheibe hatte man zuvor noch nie gesehen. Die Autoästheten verneigten sich tief und gaben dem Kombi den bis heute gültigen Spitznamen Schneewittchensarg.
Das Fahrzeug war ja auch irgendwie märchenhaft. Auf seiner Schweizer Internetseite fragt der Hersteller: Ist er der schönste Volvo aller Zeiten? In den USA zumindest war der Schneewittchensarg auch ein Verkaufserfolg. Insgesamt wurden zwischen 1961 und 1973 rund 40.000 P1800 gebaut, dazu kamen in den letzten Jahren noch rund 8.000 Kombi-Varianten.
Das Beste aus verschiedenen Ländern: schwedische Zuverlässigkeit, italienische Eleganz und die Fahreigenschaften eines britischen Roadsters.
Wer die guten alten Zeiten wieder in Bewegung setzen möchte, wird durchaus fündig. Die Preise auf dem Classicmarkt für einen P1800 schwanken allerdings gewaltig und liegen je nach Zustand zwischen 10.000 Euro und weit über 60.000 Euro. Wer investieren möchte, braucht sich von aufgerufenen Laufleistungen jenseits der 250.000 Kilometer aber nicht abschrecken zu lassen.
Der Lehrer Irv Gordon kaufte im Juli 1966 in New York seinen neuen roten P1800 S, um täglich die rund 200 Kilometer zur Arbeit zurückzulegen. Er verbrachte auch sonst viel Zeit hinterm Steuer. Als der Amerikaner im November 2018 starb, gab es seinen Volvo immer noch – mit Originalmotor. Er hatte 5,2 Millionen Kilometer auf dem Tacho und seinen ersten Durchhalteweltrekord schon Jahre hinter sich. Schweden sind eben robust.