GVA-Präsident Thomas Vollmar blickt im Interview auf sein erstes Amtsjahr zurück, spricht Klartext über die verlängerte Aftermarket-GVO und verrät, was es mit dem Slogan „Groß handeln – groß rauskommen“ auf sich hat.
Herr Vollmar, wie fällt Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr als GVA-Präsident aus?
Ich ziehe eine positive Bilanz. Die Branche steht in vielerlei Hinsicht vor großen Herausforderungen, die teilweise sektorspezifisch sind, teilweise aber auch die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft betreffen, wie Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Fachkräftesicherung. Die Aufgabe des GVA besteht darin, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die unseren Mitgliedern ein wettbewerbsfähiges Geschäft auf dem Kfz-Aftermarket ermöglichen. Darunter fallen viele gesetzgeberische Projekte, wie die Aftermarket-GVO, der Data Act und die notwendige sektorspezifische Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten und -ressourcen, die Überarbeitung des europäischen Designrechts oder die Umsetzung und Konkretisierung des Typgenehmigungsrechts. Wir kümmern uns außerdem darum, dass die Vorschriften auch eingehalten werden und ergreifen gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen. Es gibt viel zu tun, aber ich sehe die Entwicklung unserer Branche – auch dank des GVA-Engagements – durchaus positiv. Im ersten Jahr habe ich viel gelernt und die Aufgabe macht mir großen Spaß.
„Das Thema Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierte Daten hätten wir gerne direkt in der Verordnung gesehen, da die Leitlinien keinen Gesetzescharakter haben. Umso wichtiger ist jetzt, dass es auf europäischer Ebene zu einer sektorspezifischen Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten kommt.“
Apropos Aftermarket-GVO. Sind Sie mit deren gerade erfolgter Verlängerung zufrieden?
Die Verlängerung der Aftermarket-GVO um fünf Jahre bis zum 31. Mai 2028 bewerten wir grundsätzlich positiv. Der GVA hat sich mit voller Kraft für eine Verlängerung dieses Regelwerks eingesetzt. Es schützt den freien Markt und sichert den Wettbewerb. Auch das Thema Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierte Daten ist von der Europäischen Kommission berücksichtigt und in die begleitenden Leitlinien aufgenommen worden. Die Leitlinien stellen klar, dass Fahrzeugdaten und eben auch fahrzeuggenerierte Daten und Sensordaten technische Informationen sind und damit „notwendiger Input“ für faire Wettbewerbschancen unabhängiger Marktteilnehmer. Das ist erfreulich, aber ersetzt nicht die von uns geforderte sektorspezifische Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten und -ressourcen. Wir arbeiten sehr intensiv daran, ein solches Regelwerk für unseren Sektor zu bekommen.
Was fehlt Ihnen konkret?
Fahrzeughersteller weigern sich etwa, uns die für die Erstellung unserer Ersatzteilkataloge notwendigen Informationen zu den Fahrzeugen und den entsprechenden Ersatzteilen in einer Weise zur Verfügung zu stellen, die uns ermöglicht, unseren Kunden eine genauso komfortable Ersatzteilidentifikation zu bieten wie sie selbst. Unsere Kunden sollen auch in unseren Systemen etwa über eine VIN-Eingabe ein Fahrzeug schnell und eindeutig identifizieren und passende Ersatzteile finden können. Beim Zugang zu Fahrzeugdaten des „fahrenden Fahrzeugs“ begünstigt die jetzige Situation die Fahrzeughersteller, da nur sie im ausreichenden Maß auf die Daten des Fahrzeugs zugreifen können. Der Protektionismus wird mittelfristig auch den Fahrzeugherstellern selbst schaden. Der freie Markt und der gute Service der Akteure des freien Markts stützen maßgeblich das gute Renommee der deutschen Automobilwirtschaft. Verschwindet der freie Markt, verschwindet der Wettbewerb, und am Ende sind die Verbraucher die Leidtragenden.
Sie haben angemahnt, dass der technische Fortschritt in der Aftermarket-GVO stärker berücksichtigt werden müsste. Ist das ausreichend umgesetzt?
Das Thema Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierte Daten hätten wir gerne direkt in der Verordnung gesehen, da die Leitlinien keinen Gesetzescharakter haben. Umso wichtiger ist jetzt, dass es auf europäischer Ebene zu einer sektorspezifischen Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten kommt. Diese muss unter Einhaltung von Sicherheitsvorschriften einen diskriminierungsfreien, bidirektionalen Zugang zu Fahrzeugdaten/-funktionen und -ressourcen beinhalten. Der freie Markt darf bei diesem wichtigen Thema nicht ins Abseits geraten.
Zu Ihrer 2022 genannten Agenda gehört auch, das Image der Teilebranche aufzupolieren, die Lobbyarbeit zu stärken sowie Kernthemen rund um den GVA verständlicher zu machen. Inwiefern sehen Sie in diesen Punkten Fortschritte?
Wie wir das Image der Teilebranche weiter verbessern können, haben wir sowohl in einer Klausurtagung des GVA-Präsidiums als auch im GVA-Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit ausführlich diskutiert. Das ist ein Dauerthema, welches sowohl die interne als auch die externe Kommunikation betrifft. Der GVA leistet eine großartige Arbeit. Wir wollen aber noch deutlicher darstellen, was dieses Engagement für unsere Mitglieder und die Branche bedeutet. Ein Weg, den wir weiter fortsetzen möchten, ist die Integration der Mitglieder in die Verbandskommunikation, um den Themen ein „Gesicht“ zu geben. Unsere Lobbyarbeit werden wir demnächst mit einem weiteren Mitarbeiter in der Geschäftsstelle in Ratingen verstärken. Damit intensivieren wir unsere Lobbyarbeit in Brüssel.
„Mit der Durchsetzung bestehender Rechte unserer Branche haben wir eine Daueraufgabe. Eine weitere Zukunfts-
aufgabe ist die Fachkräftesicherung.“
Was bleibt als Zukunftsaufgabe?
Die Themen, die wir zurzeit bearbeiten, reichen weit in die Zukunft. So wird etwa die Aftermarket-GVO in fünf Jahren bereits wieder auslaufen. Wir müssen uns also schon jetzt auf die Evaluierung vorbereiten. Andere Gesetzgebungsverfahren laufen noch und erfordern unsere Aufmerksamkeit. Auch mit der Durchsetzung bestehender Rechte unserer Branche haben wir eine Daueraufgabe. Eine weitere Zukunftsaufgabe ist die Fachkräftesicherung. Es ist nicht nur wichtig, neues Personal zu gewinnen, sondern auch das eigene Personal zu halten. Wir werben unter anderem für eine Karriere im Großhandel mit der Kampagne unseres nationalen Dachverbands Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) „Groß handeln – groß rauskommen“.
Herr Vollmar, vielen Dank.