Kältemittelschwund

Unterschätzte Verluste

Monteur schließt Klimaservicestation an
Der Klimaservice wird teurer, deshalb dürfte in Zukunft die Nachhaltigkeit im Umgang mit Kältemittel an Bedeutung gewinnen. Bild: Blenk
Dieser Beitrag ist Teil des Spezials: Fahrzeugklimaanlagen.

Bisher kümmerte es kaum jemanden, dass konventionelle Klimaservicestationen beim Klimaservice Kältemittel entweichen lassen. Aufgrund der hohen Kosten für R1234yf und der wohl bald anziehenden Preise für R134a, dürfte sich dies demnächst ändern. Doch wie und wo entsteht der Kältemittelschwund und wie lässt sich dem begegnen? Und warum spielt die Füllgenauigkeit eine immer größere Rolle?

Kältemittelschwund beim Klimaservice. Ein Thema, das selbst bei Werkstätten bisher kaum eine Rolle spielte. Vielleicht auch, weil vielseitig nicht bekannt ist, dass konventionelle Klimaservicestationen technisch bedingt (siehe nachfolgenden Kasten) während eines Klimaservices Kältemittel in die Atmosphäre entweichen lassen. Je nach Station können das etwa 20 g oder auch mehr sein, wie KRAFTHAND erfahren hat. Es soll aber auch ‚Billiggeräte’ geben, bei denen sich noch weitaus mehr Kältegas ‚verflüchtigt’.

Wissen

Kältemittelverlust bei konventionellen Servicestationen

Im Rahmen eines Klimaservices entweicht bei konventionellen Klimaservicestationen Kältemittel. Dabei handelt es sich um keinen Defekt. Vielmehr ist dies technisch bedingt und somit normal – zumindest, wenn keine spezielle Technologie in der Station den Kältemittelverlust verhindert.

Vereinfacht ausgedrückt, kommt es zum Kältemittelschwund, wenn die Servicestation das abgesaugte Kältemittel vom mitabgesaugten Klimakompressoröl trennt. Dies erfolgt im sogenannten Destillator der Servicestation. Von hier aus wird das Kältemittel in den Kältemitteltank und der Schmierstoff in den Altölbehälter der Station ­geleitet.

Da die Ölabscheidung im Destillator unter Druck erfolgt, gelangt technisch bedingt eine gewisse Kältemittelmenge mit in den Altölbehälter. Damit sich hier kein Druck aufbaut, der den Behälter zum Bersten bringt, befinden sich im Behälterdeckel kleine Bohrungen, über die ein Druckausgleich erfolgt – aber auch Kältemittel entweicht. Zudem gelangt bei herkömmlichen Stationen etwas Kälte­mittel über die Vakuumpumpe ins Freie.

 

Abgesehen davon, dass dies eine unnötige Ressourcenverschwendung darstellt, leidet darunter die Umwelt. Nur gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, die dem Einhalt gewähren. Das ist schon sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, wie sorgfältig sonst mit Kältemittel umzugehen ist.

Zum einen verpflichtet der Gesetzgeber die Automobilhersteller seit 2007 dazu, den Klimakreislauf so zu konzipieren, dass pro Jahr aus einer intakten Anlage maximal 40 g (bei Zweiverdampferanlagen 60 g) über Gummileitungen und Dichtungen diffundieren.

Und zum anderen dürfen Werkstätten Klimaanlagen mit einem übermäßigen Kältemittelverlust erst wieder befüllen, wenn die Ursache dafür gefunden und behoben ist. Mit anderen Worten: Wer einen undichten und (nahezu) entleerten Klimakreislauf einfach wieder befüllt, etwa um eine Leckage aufzuspüren oder um die Anlage für eine gewisse Zeit wieder Flott zu machen, riskiert Bußgelder.

Doch zurück zum Problem des Kältemittelschwunds durch herkömmliche Servicestationen. Ein unnötiger Verlust an Kältegas während einer Klimawartung ist in Zukunft nicht nur aus umwelt-, sondern auch kostentechnischen Gründen nicht ohne. Immerhin kostet R1234yf über 100 Euro pro kg. Und für R134a ist davon auszugehen, dass die Preise bald anziehen.

R1234yf ist teuer. R134a wird teurer. Kältemittel stellt daher eine kostbare Ressource dar.

Der Grund dafür: Wegen der F-Gas-Regulierung reduzieren sich in den nächsten Jahren die Importmengen für das ‚alte’ Kältemittel. Das heißt: Die Angebotsmenge für R134a verknappt sich künstlich. Und warum sollte beim Kältemittel nicht auch gelten: Je knapper das Angebot, je höher der Preis (siehe dazu auch den Beitrag ‚Wird’s teurer?’ in der KRAFTHAND 13/14-2016).

Unterhält man sich mit den Experten und Entwicklern von Klimaservicestationen bei Waeco über die preisliche Entwicklung der Kältemittel, so sind diese der Meinung: Der Klimaservice in der heutigen Form muss auf den Prüfstand – nicht nur, weil bei konventionellen Stationen im Rahmen eines Klimaservices Kältemittel ins Freie gelangt.

Es geht auch um Füllgenauigkeiten. Doch dazu später mehr. Diese Meinung von Waeco spiegelt sich in Klimaservicestationen der Low-Emmission- Bau reihe wider. Unternehmensangaben zufolge verschwenden diese nämlich keinerlei Kältemittel. Im Vergleich zu konventionellen Modellen entweicht dieses nicht mehr über den Auffangbehälter für das Altöl. Denn die Low-Emission-Stationen verfügen über einen gasdichten Altölbehälter und eine Technologie zur Kältemittelrückführung aus dem Behälter und damit zum Druckabbau.

Vorgaben zur Füllgenauigkeit

Unnötige Kältemittelverluste vermeiden ist aber nicht der einzige Punkt, über den die Branche und somit Werkstätten nachdenken müssen. Wie schon erwähnt, geht es auch um Füllgenauigkeiten. Automobilhersteller machen hier ihren Ausrüstern ganz klare Vorgaben. Bei freien Werkstätten scheint das Thema Füllgenauigkeit bei der Anschaffung von Klimaservicestationen immer noch nicht die Bedeutung zu haben, die sie haben sollte.

Eine Füllgenauigkeit von ± 15 g ist akzeptabel für eine Klima- servicestation.

Vielleicht liegt das auch daran, dass Kfz-Profis beim Ablauf eines Klimaservices nicht direkt mit dem Thema Füllgenauigkeit konfrontiert werden und darauf auch keinen eigenen Einfluss haben. Denn natürlich liegt die Füllmengengenauigkeit in der Qualität der Klimastation. Entscheidend dafür, dass eine Klimaservicestation die vorgegebene Menge möglichst exakt in das Klimasystem einbringt, sind zwei Punkte: Zum einen muss das in den Leitungen befindliche Kältemittel mit einbezogen (mit gewogen) werden und zum anderen darf die Waage im rauen Werkstattalltag nicht an Genauigkeit verlieren – etwa aufgrund von Erschütterungen. >

So sollte die Wiegezelle nicht aus dem Gleichgewicht geraten, nur weil die Station häufiger auf rauem Werkstattboden ruppig hin- und hergeschoben wird. Etwas, das nicht jede Waage wegsteckt. Natürlich lässt sich diese kalibrieren, was aber einen unnötigen Aufwand darstellt. Legen Kfz-Profis also Wert auf Füllgenauigkeit, sollten sie bei den Anbietern von Servicestationen erfragen, welche Prozesssicherheit die Waage bietet.

Doch warum ist die Füllgenauigkeit inzwischen so wichtig? Ganz einfach. Zu wenig Kältemittel kann sich nicht nur negativ auf die Kühlleistung auswirken. Ebenso negativ wirkt sich eine Unterfüllung auf die Lebensdauer des Klimakompressors aus. Das gilt im Übrigen auch auf eine Überfüllung. In beiden Fällen erhitzt sich der Verdichter stärker, weil er mehr arbeiten muss.

Zu wenig Kältemittel wie in der rechten Grafik wirkt sich erheblich auf die Temperaturen des Kompressors, des Kompressoröls sowie auf die Ausströmtemperatur aus. Quelle: Waeco

Und da bei modernen Autos die Füllmengen immer geringer werden, wirkt sich zu wenig oder zu viel Kältemittel drastischer aus als bei älteren Fahrzeugen, die noch 800 oder gar 1.000 g Kältemittel in ihrer Klimaanlage hatten. Hier spielten 100 g über oder unter der zulässigen Toleranzgrenze keine Rolle. Leicht nachzuvollziehen, dass dies beispielsweise bei einer Anlage mit nur noch 450 g Füllmenge oder gar noch weniger anders aussieht.

Die Füllgenauigkeit gewinnt an Bedeutung, da der Klimakompressor moderner Fahrzeuge mehr unter einem Kältemittelmangel leidet als es bei älteren Fahrzeugen der Fall ist.

Wie die Grafik oben zeigt, erhitzt sich das Kältemittel auf fast 130 °C, wenn 100 g Kältemittel fehlen. Das sind fast 30 °C über dem normalen Temperaturlevel. Und auch das Kompressoröl sowie die für die Innenraumkühlung entscheidende Ausströmtemperatur am Armaturenbrett steigen deutlich über das Normalmaß an. Somit wird es nicht nur den Insassen, sondern auch dem Verdichter zu warm.

Reaktion eines Geräteherstellers

Die angesprochenen Probleme sind der Automobilindustrie bewusst. So gibt es die sogenannten VDA-Normen, die unter anderem Standards zu Füllgenauigkeit, Rückgewinnungsqoute (gibt an, wie viel Prozent Kältemittel aus der Anlage abgesaugt und wiederverwendet werden) etc. festlegen. Bei Waeco hat man jedoch noch höhere Ansprüche. Wie erwähnt entweicht bei den Low-Emission-Geräten kein Kältemittel mehr, da dieses aus dem Altölbehälter abgesaugt wird.

Beim Ölabscheiden in herkömmlichen Klimaservicestationen kommt es zu einem Kältemittelverlust.

Doch um noch besser zu dokumentieren, dass mit diesen Stationen der Klimaservice nachhaltiger ist als mit herkömmlichen Geräten, hat das Unternehmen einen vierten Arbeitsprozess eingeführt. Zum bisherigen Absaugen, Evakuieren und Füllen kommt bei den neuen Gerätegenerationen der Low-Emission-Stationen das Tiefentleeren. Die Reihenfolge der Arbeitsprozesse ist dann wie folgt:

  1. Absaugen
  2. Tiefentleeren
  3. Evakuieren
  4. Füllen.

Die neuen Stationen zeigen dem Nutzer den zusätzlichen Arbeitsschritt ‚Tiefentleeren’ über das Gerätedisplay an. Genau genommen handelt es sich bei diesem Vorgang um etwas, das es im Grunde schon gibt. Auch die bisherigen Low-Emission-Stationen ‚saugen’ Unternehmensangaben zufolge nahezu 100 Prozent aus dem Klimakreislauf ab und verwenden dieses wieder. Nahezu 100 Prozent werden auch deshalb erreicht, weil kein Kältemittel mehr über den Altölbehälter entweicht.

Warum dann das Ganze, wenn dieser Prozess doch eigentlich nicht neu ist? Weshalb die Anzeige des vierten Prozesses? Sind es Marketinggründe? Eigenen Aussagen zufolge möchte das Unternehmen damit noch besser darstellen, wie nachhaltig seine Stationen arbeiten. Auch vor dem Hintergrund der Ressourcen- und Umweltschonung sowie der teuer werdenden Kältemittelverluste.

 

Hintergrund

F-Gas-Regulierung und R134a-Verfügbarkeit

Am 1. Januar 2015 ist die sogenannte F-Gas-Verordnung der EU in Kraft getreten. Um den Einsatz von Treibhausgasen zu reduzieren, ist darin eine quotenmäßige Reduzierung von R134a definiert. Konkret ist vorgesehen, die Verfügbarkeit des ‚alten’ Kältemittels bis 2018 auf 63 Prozent und bis 2021 auf 45 Prozent zu verringern. Die Prozentangabe bezieht sich auf das verfügbare Gesamtvolumen von R134a im Jahr 2015. Mit anderen Worten: In fünf Jahren wird nur noch die Hälfte der heutigen Kältemittelmenge von R134a verfügbar sein.

Aufgrund der verknappten Ressourcen an R134a sind Preissteigerungen nicht auszuschließen, da Fahrzeuge mit R134a-Klimaanlagen noch über Jahre in hoher Anzahl im Verkehr sein werden.

Quelle: Waeco