Über spezielle Bremsbeläge und den Bremsenverschleiß von E-Autos
Elektroautos brauchen weniger Wartung. Der Ölwechsel entfällt. Es ist kein Auspuff mehr vorhanden. Der Bremsenverschleiß sei viel geringer. Doch so sicher ist das gar nicht, wie Recherchen von Krafthand zeigen. Aber nicht nur deshalb werden spezielle Bremsbeläge für Stromer entwickelt.
Eine Besonderheit des Elektroantriebs hat direkte Auswirkungen auf die Bremse: Die starke Selbstbremswirkung des E-Motors führt dazu, dass es für geringe Verzögerungen völlig ausreicht, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Die herkömmliche Reibungsbremse kommt also wesentlich seltener zum Einsatz. Es ist immer wieder zu hören, dass Elektrofahrzeuge viel weniger Abnutzung an Belag und Scheibe haben als solche mit Verbrennungsmotor. Entsprechend sollen Häufigkeit und Rentabilität von Bremsinstandsetzungen zurückgehen. Doch das scheint unseren Recherchen zufolge nicht unbedingt der Fall zu sein.
Gute Nacht Bremsbelag
Bremsbeläge sind uns Menschen in einem Punkt recht ähnlich: Unterfordert man sie, neigen sie zum Einschlafen. Zwar ist das hier nicht ganz wörtlich zu nehmen, doch durch die unterforderte Bremse kann es vorkommen, dass der Reibbelag schneller bröselig wird oder sich von der Trägerplatte löst und Bremsscheiben womöglich schneller korrodieren.
Ein weiterer Aspekt, der gegen eine übermäßig lange Lebensdauer von Bremsbelägen bei Elektrofahrzeugen spricht, ist das Gewicht. In der Regel sind Stromer durch die Batterien oder den zusätzlichen, elektrifizierten Antriebsstrang wesentlich schwerer als ihre von Verbrennern angetriebenen Pendants. Damit das erhöhte Gewicht die Leistungsfähigkeit der Bremse nicht beeinträchtigt, muss der Bremsbelag entsprechend ausgelegt sein. Das Mehrgewicht will erst einmal verzögert sein.
Unser Testwagen, ein Tesla Model X zeigte uns quasi im Selbstversuch, wie anders Elektrofahrzeuge abgebremst werden müssen. Speziell bei diesem Fahrzeug wird auch gerne darauf hingewiesen, dass Wartungskosten für die Bremsen auf ein Minimum reduziert werden konnten. Wir haben uns die Bremsanlage unseres Testautos auf der Hebebühne in der KRAFTHAND-Werkstatt genauer angesehen. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt 50.000 Kilometer auf der Uhr und die Bremsbeläge machten nicht unbedingt den Eindruck, noch ewig zu halten. Wie man auf dem Bild erkennen kann, hat der Belag schon deutlich abgenommen. Mehr als 20.000 oder 30.000 Kilometer würden wir auf diesem nicht mehr fahren wollen, was dann wieder nahe an die Laufleistung eines konventionell befeuerten Autos heranreichen würde.
Es bleibt die Frage, wozu Hersteller wie TRW spezielle Beläge für elektrifizierte Fahrzeuge entwickeln. So sollen Beläge wie der TRW Electric Blue nicht zuletzt den Fahrkomfort erhöhen. Außerdem: Bei Elektrofahrzeugen gibt es kaum Motorenbrummen. Das hat zur Folge, dass sämtliche von der Bremse oder anderen Bauteilen verursachten Geräusche in den Vordergrund rücken und damit den akustischen Fahrkomfort einschränken können. Der Hersteller gibt dazu an, dass seine besondere Bremsbelagmischung nicht nur bessere Geräuscheigenschaften bietet, sondern auch um bis zu 45 Prozent weniger Feinstaub beim Bremsen entwickelt.
TMD Friction wiederum hat eigenen Angaben zufolge in diversen Studien über Bremsbeläge in E-Modellen herausgefunden, dass ein typischer Pkw, wie er derzeit auf den Straßen unterwegs ist, deutlich weniger Reibmaterial benötigt, wenn er elektrisch betrieben wird. Doch wird der Belag dünner, kommt er logischerweise auch schneller an seine Verschleißgrenze.
Letztlich werden künftige E-Autos wohl eine komplette Neugestaltung des Bremssystems erfahren. Auch weil die bei der Bremsung umgesetzte Reibenergie im Alltagsbetrieb laut den Experten nur noch circa fünf Prozent betragen soll.
Die Herausforderung liegt also eher in Design und Zusammensetzung, um unter den geänderten Rahmenbedingungen bestmöglich zu funktionieren, zum Beispiel Materialien, die weniger anfällig auf Korrosion sein werden.
Dennoch ist nicht zwangsläufig davon auszugehen – wie oft gemutmaßt, dass sich in naher Zukunft die Häufigkeit eines nötigen Bremsenservices maßgeblich reduziert.
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