Ein ‚Zu Ende denken‘-Fall im XXL-Format
Krafthand-Ausgabe 16/2020
„Der Motor ließ sich nach einer Fahrzeugwäsche nicht mehr starten, obwohl der Anlasser drehte.“ Mit diesem Problem kam ein Besitzer eines Ford Transit Connect 1,5-l-TDCi (Baujahr 01/2019, 22.711 km) zu unserem Leser Gino Decoster, Leiter Kfz-Abteilung im Zentrum für Aus- und Weiterbildung des Mittelstands VoG in Belgien. Er schilderte uns den Reparaturprozess.
Ein Kollege der Kfz-Abteilung bekam den Auftrag, den Wagen zu prüfen. Er verkabelte zunächst den Transit mit einem Diagnosetester und führte eine Gesamtabfrage der Fehlerspeicher von allen verbauten Steuergeräten durch. Da der Mechatroniker im Bereich der Motorregelung keinen Fehler feststellen konnte, entschloss er sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen, ein Software-Update des Motorsteuergeräts auszuführen. Laut Ford soll man eine Softwareaktualisierung aber nur ausführen, wenn es etwas mit der Kundenbeanstandung zu tun hat, oder wenn es ausdrücklich vom technischen Service sowie der Hotline angewiesen wird. Zum Glück hatte dies keine negativen Auswirkungen auf unsere Fehlersuche, aber der Motor lief trotzdem nicht.
Der Mechatroniker überprüfte nun den Motorkabelstrang auf Marderbisse und Scheuerstellen, aber es waren keine Beschädigungen feststellbar. Daraufhin löste er den Ansaugschlauch und sprühte während des Startvorgangs ein Starthilfespray (Startpilot) ein. Solange dieses eingesprüht wurde, lief der Motor. So konnten wir davon ausgehen, dass die Ansteuerung der Nockenwelle durch den Zahnriemen in Ordnung war.
Strukturierte Fehlersuche
Als nächsten Schritt wählte unser Mann mit dem Diagnosegerät bestimmte Parameter im Motorsteuergerät aus, die einen ersten Überblick für die Kundenbeanstandung geben sollten: Motordrehzahl, Kraftstoffdruck, Tastverhältnis Kraftstoffdosierventil und Spannung Motorsteuergerät.
Beim Startvorgang bemerkte er eine hohe Spannung am Raildruck-Sensor, der auch nach dem Startvorgang nicht abfiel. Daraufhin öffnete er eine Hochdruckleitung am Injektor, die Spannung fiel jedoch nur bis 2,3 Volt ab. Bei eingeschalteter Zündung dürfte die Spannung laut Reparaturunterlagen aber nur 0,5 Volt betragen.
Sprunghafte Spannungswerte
Anschließend zog unser Mann am Raildruck-Sensor den Stecker ab, um mit einem Multimeter die anliegenden Spannungen am Stecker zu messen. Als Referenzspannung wurden jetzt 18 Volt anstatt fünf Volt und auf der Signalleitung zehn Volt gemessen. Bei der Messung mit 18 Volt handelte es sich vermutlich um eine Reihenschaltung der Referenzspannung (5 Volt) mit der Batteriespannung (13 Volt).
Anschließend trennten wir die Steckverbindungen der benachbarten Aktoren. Daraufhin fiel die Referenzspannung schlagartig auf fünf Volt ab. Allerdings betrug die Spannung auf der Signalleitung 3,8 Volt und im angeschlossenen Zustand hatten wir wieder die am Anfang gemessene Spannung von 2,3 Volt am Raildruck-Sensor, die für das Startversagen verantwortlich war.
Physikalischer Effekt
Da die Sichtprüfung des Kabelstrangs für unseren Mechatroniker keinen Hinweis auf Beschädigungen gab, demontierte er das Motorsteuergerät, um dieses zu prüfen. Nach dem Abklemmen des Zentralsteckers sah er den Grund für das Startversagen: Das Motorsteuergerät stand unter Wasser und der Stecker war durch Korrosion stark beschädigt.
Woher kam die Kühlflüssigkeit? Durch einen Kollegen erfuhren wir, dass eine Niederlassung die Meldung erhalten hatte, dass Kühlflüssigkeit durch einen undichten Kühlmittel-Temperatursensor in den Kabelstrang läuft und durch Kapillarwirkung in das Motorsteuergerät gelangt. Nach Austausch von Kühlmitteltemperatursensor, Motorkabelstrang und Motorsteuergerät startete der Motor wieder einwandfrei.
Rudolf Guranti
Dieses Kapitel ist in folgendem Fachbuch erschienen:
Zu Ende denken… Band 9 – Neue knifflige Fälle aus dem Werkstattalltag
1. Auflage 2021, von Georg Blenk, 104 Seiten, 44 Abbildungen/Grafiken/Tabellen, Farbe (4c), Softcover 18,64 € Netto, zzgl. MwSt. und Versandkosten
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