Wettbewerbsrechtliche Bedenken sprechen gegen eine solche Möglichkeit. Bei Garantiearbeiten kann der Automobilhersteller seine Servicebetriebe verpflichten, nur solche Ersatzteile zu verwenden, die letztlich aus seinen Lagern stammen. Ein solcher Zwang verspricht in erster Linie eine Monopolstellung und damit in zweiter Linie höhere Gewinne. Insofern ist es verständlich, dass von Zeit zu Zeit die Diskussion aufflammt, ob sich auch Schmierstoffe als Originalteile einstufen lassen.
Nach jeder Revision der europarechtlichen Wettbewerbsmodalitäten stellt sich vor allem für die Marken-Servicebetriebe die Frage, inwieweit sie den Bezug der entsprechenden Ersatz- und Zubehörteile selbst frei bestimmen können. In der Vergangenheit haben diverse Markenhersteller versucht, diese Freiheit einzuschränken, indem sie den Servicebetrieben vorschrieben, entweder den Bezug komplett über den Hersteller abzuwickeln oder zumindest die Zahl der möglichen Lieferanten (entweder direkt oder indirekt) vorgaben.
Eine solche Vorgehensweise widerspricht dem Gedanken des freien Wettbewerbs und stellt eine ‚vertikale Beschränkung (Beschränkung des Aftersale-Markets)’ dar. Da der Hersteller allerdings mit dieser Vorgehensweise auch vitale Interessen verfolgt, etwa die Sicherstellung und Kontrolle einer gewissen, gleichbleibenden Qualität seiner Produkte, erlauben die europäischen Wettbewerbshüter selbst in der aktuellen Gruppenfreistellungsverordnung (GVO 461/2010) den Automobilherstellern, auch dem markengebundenen Service gewisse Vorgaben aufzuerlegen.
Und zwar insbesondere, wenn der Hersteller mit den Vorgaben letztlich dem Kunden rechtliche Vorteile zusichert, etwa mit der Einräumung einer Garantie: Den damit für die Werkstätten verbundenen Zwang, die Ersatzteile oder das Kfz-Zubehör vom Hersteller zu beziehen, akzeptiert die Rechtsprechung wenigstens dann, sofern der Endkunde seine Garantie- oder Gewährleistungsansprüche oder andere Vorteile auch realisieren kann.
Zumindest sehen die Leitlinien der Europäischen Kommission vor, dass bei Gewährleistungs-, Garantie- und Kulanzarbeiten, für die letztlich der Hersteller aufkommt, der Hersteller auch das Recht hat, den Ersatzteilbezug vorzuschreiben: ‚Die einer zugelassenen Werkstatt auferlegte Verpflichtung, für Instandsetzungsarbeiten im Rahmen der Gewährleistung, des unentgeltlichen Kundendienstes und von Rückrufaktionen vom Kraftfahrzeughersteller gelieferte Originalersatzteile zu verwenden, wird dabei nicht als Markenzwang gewertet, sondern als objektiv gerechtfertigte Forderung (Randnummer 39 der Leitlinie).‘
Normaler Kundendienst
Ob der Hersteller bereits einen Schritt vorher den Ersatzteilbezug steuern darf, ist umstritten. Dies wäre dann der Fall, wenn der Hersteller ein Garantieversprechen allein davon abhängig machen dürfe, ob bei sämtlichen Arbeiten am Fahrzeug stets die vom Hersteller vorgeschriebenen Originalersatzteile verwendet wurden (Garantie-Ausschlusskriterium). Die Europäische Kommission hat dazu eine klare Aussage zur Vorgänger-GVO getroffen: ‚In Bezug auf die normale Instandsetzung und Wartung eines Kraftfahrzeugs, die für den Kunden nicht unentgeltlich durchgeführt wird [z.B. Service nach 30.000-km-Intervall], kann der Fahrzeuglieferant jedoch nicht verlangen, dass von ihm gelieferte Originalersatzteile verwendet werden, da dies die Möglichkeit der zugelassenen Werkstätten beschränken würde, Originalersatzteile oder qualitativ gleichwertige Ersatzteile anderer Lieferanten zu verwenden.“
Die deutsche Rechtsprechung äußert sich zwar in den entschiedenen Fällen ähnlich, allerdings tendieren die meisten Gerichte lediglich dazu, dem Hersteller weitere Kriterien ins ‚Heft zu schreiben’, ehe dem Kunden der Garantieanspruch entzogen werden kann. Ein strikte Liberalisierung des Ersatzteilbezugs wird dagegen von den deutschen Richtern nicht eingefordert.
Unsicherheiten nutzen?
In dieser Tendenz ist auch ein Funken Unsicherheit zu erkennen. Dies machen sich einige Hersteller (dann) zu Nutzen, wenn immer wieder mal die Diskussion in der einschlägigen Fachpresse befeuert wird, ob es überhaupt möglich sei, Schmierstoffe als Originalersatzteile zu deklarieren, damit die Hersteller auch den Lieferbezug von Ölen, Fetten und Ähnlichem steuern können.
Kfz-Werkstätten mit teilweise langfristigen Lieferverträgen, die diese Option zugunsten eines Investitionszuschusses mit den Schmierstoffanbietern wählten, wären dann nicht mehr in der Lage, die geforderten Mindestmengen abzunehmen.
Unstrittig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei flüssigen Schmierstoffen (Schmieröle) um Ersatzteile handelt. Diesen Tatbestand stellt bereits die lexikalische Definition in der GVO 461/2010 fest: „’Ersatzteile’ sind Waren, die in ein Kraftfahrzeug eingebaut oder an ihm angebracht werden […] wozu auch Waren wie Schmieröle zählen“. Diese Definition der GVO ist enger als die teilweise von diversen Herstellern verbreitete Meinung. Sie lässt lediglich Öle als Ersatzteile gelten, nicht das komplette Schmierstoffsortiment (Fette, Graphite etc.). Interessanterweise galten bis 2002 selbst Öle nicht als Ersatzteile (GVO 1475/1995).
Ob Öle nunmehr zusätzlich das Prädikat eines Original-Teils tragen können, um damit die Möglichkeit eines beschränkten Lieferbezugs zu eröffnen, erscheint indes fraglich.
Öl als Originalteil?
Als Originalteil oder -ausrüstung kommt nach der Leitlinie der Europäischen Kommission nur ‚ein Teil oder eine Ausrüstung [in Frage], das/die nach den Spezifikationen und Produktionsnormen gefertigt wird, die der Kraftfahrzeughersteller für die Fertigung von Teilen oder Ausrüstungen für den Bau des betreffenden Kraftfahrzeugs vorschreibt.‘
In der Vorgängerversion dieser Leitlinie hieß es noch, dass der Hersteller die Spezifikationen für die Produktion ‚vorgeben‘ muss. Es scheint wohl, dass sich die nunmehr gültige Bestimmung der Realität angenähert hat: Nach einer Aussage des Gesamtverbands Autoteile-Handel (GVA) stammen inzwischen 80 Prozent der als Originalteile vertriebenen Fahrzeugkomponenten von der Zulieferindustrie. Folglich gibt nicht mehr der Hersteller die Entwicklung von Komponenten und Teilen vor und spezifiziert sie damit, sondern greift in der Regel auf bereits vorhandene Spezifikationen oder bereits entwickelte Komponenten zurück.
In diesem Sinn wären auch Schmierstoffe als Originalteile zu qualifizieren, denn jeder Hersteller hat zumindest die Möglichkeit, sich auf anerkannte Spezifikationen, etwa SAE, API oder ähnliche, zu beziehen. Die Konsequenz wäre wohl, dass sämtliche Schmieröle von sämtlichen Fahrzeugherstellern als ‚Originalteil’ geführt werden können.
Eine Abgrenzung, beispielsweise zu den sogenannten Identteilen, wird damit überflüssig. Identteile sind aber absolut bau- und funktionsgleich mit den jeweiligen Originalteilen, denn für die Produktion sowohl des Ident- als auch des Originalteils ist allein der Kfz-Zulieferbetrieb zuständig, sie unterscheiden sich lediglich im aufgedruckten Marken-Logo.
Ein solches Ergebnis kann aber vom europäischen Gesetzgeber nicht gewollt sein. Denn die europäischen Wettbewerbshüter verfolgen seit jeher das Ziel, vor allem im Aftermarket sämtlichen Ersatzteilherstellern einen Weg zum Service zu ebnen, und nicht diesen Weg zu versperren. Diese Zielsetzung prägt zudem die ‚Schirm-GVO’ (330/2010) vom 20. 04. 2010.
Ob unter diesen Vorgaben die Europäische Kommission dem Ansinnen einiger Hersteller, sich für eine Originalteil-Zertifizierung im Bereich des Schmierstoffvertriebs einzusetzen, Einhalt gebietet, wird sich zeigen. Die KRAFTHAND bleibt für Sie ‚am Ball’.