Im Bestreben nach möglichst hohen elektrischen Reichweiten drehen die Entwickler an vielen Stellschrauben. Neben verbesserten Batterien tragen optimierte regenerative Bremssysteme dazu bei. Ein Beispiel ist das ,ESP hev’ von Bosch, wie es dem Zulieferer zufolge Mercedes-Benz in seinem S 400 Hybrid (Typ: W222) verwendet.
Dabei handelt es sich um ein Konzept mit vakuumbasiertem Bremskraftverstärker, bei dem die Steuereinheit des ,ESP hev’ die Koordination des elektromotorischen und hydraulischen Bremsmoments sowie die Steuerung der Unterdruckpumpe übernimmt.
Damit ist die sogenannte Schwarz- Weiß-Bremskreisaufteilung, also vorne/hinten möglich. Das heißt, zunächst wird nur über eine Achse generatorisch durch die Bremswirkung der E-Maschine gebremst, im nächsten Schritt zusätzlich über die zweite Achse per Scheibenbremse. Schlussendlich an beiden Achsen via Scheibenbremse und zusätzlich noch an einer Achse generatorisch.
Bremsvorgang in drei Stufen im Detail
- Bei jedem Bremsvorgang entkoppelt das System den hinteren Bremskreis vom Fahrerfuß. Das heißt: Am Bremspedal ergibt sich ein vergrößerter Leerweg den das Bremsmanagement nutzt, um das Fahrzeug zunächst rein generatorisch über die E-Maschine abzubremsen. Die Scheibenbremsen sind noch nicht in Aktion. Für den Fahrer unterscheidet sich das Pedalgefühl jedoch nicht von dem einer herkömmlichen Bremse. Er nimmt den Leerweg nicht als solchen wahr.
Im Falle des erwähnten S 400 Hybrid wirkt das generatorische Bremsmoment auf die hinteren Räder, weil das Fahrzeug ein Hecktriebler und der Elektromotor logischerweise mit der Hinterachse verbunden ist. Wie hoch das Bremsmoment der E-Maschine ausfällt, hängt vom Pedalweg ab. Je größer der Pedalweg, je höher die Generatorleistung zum Laden der HV-Batterie und je höher das Generatorbremsmoment. Jedoch ist das Bremsmoment bei diesem System auf 0,2 g, also rund 20 Prozent der maximalen Bremsleistung begrenzt. Für den Großteil der im Alltag vorkommende Bremsmanöver reicht diese Verzögerungsleistung Bosch zufolge aus. - Verlangt der Fahrer eine stärkere Bremswirkung und tritt dementsprechend
stärker auf das Pedal, baut das System zusätzlich zu dem generatorsichen Bremsmoment ein hydraulisches Bremsmoment an der Vorderachse auf, sodass nun über beide Achsen eine Fahrzeugverzögerung erfolgt: vorn via Scheibenbremse, hinten per E-Maschine. - Reichen diese beiden Bremsmomente immer noch nicht aus, so betätigt das System jetzt auch die hinteren Scheibenbremsen. Dazu baut die Pumpe des Hydraulikaggregats den notwendigen Bremsdruck für das hintere Hydrauliksystem auf. Das Fahrzeug verzögert nun über alle vier Scheibenbremsen und über die E-Maschine.
Natürlich laufen diese Prozesse in Sekundenbruchteilen und für den Fahrer unmerklich ab. Neben der beschriebenen Variante für Schwarz-Weiß-Bremskreise kann diese Aufteilung auch diagonal erfolgen – je nach Wunsch und Antriebskonzept des jeweiligen Fahrzeugherstellers.
Hybrid- und Elektrofahrzeuge – Technik, Wartung, Prüfarbeiten
4. aktualisierte Auflage 2021, von Torsten Schmidt, 208 Seiten, ca. 190 Abbildungen/Grafiken/Tabellen, Farbe (4c), Softcover. 46,68 € Netto, zzgl. MwSt. und Versandkosten
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Inhalt:
- Definition Hybridfahrzeuge, Charakteristik der verschiedenen Antriebskonzepte bei Hybrid- und Elektrofahrzeugen
- Die Hochvoltanlage (HV-Anlage)
- Brennstoffzellen-Technologien
- Arbeiten am Hochvoltsystem – Wichtiges für die Werkstattpraxis
- Der fachgerechte Umgang mit Hochvoltbatterien im Kfz-Betrieb
- Tipps zu Motorwäsche, Lackierarbeiten, Abschleppen, Abstellen von (verunfallten) HV-Fahrzeugen
- Klimaservice und die besondere Bedeutung bei HV-Fahrzeugen
- NEU: Sicherheitseinrichtungen und der Leckage-Test bei Hochvoltbatterien