Dekra-Experten im Gespräch mit Krafthand

Über die Problematik (Funktions-)Prüfung von Fahrerassistenzsystemen

Volker Noeske (links), Bereichsleiter Fahrzeugprüfwesen und Mitglied der Geschäftsleitung Dekra Automobil und Jann Fehlauer (rechts), Geschäftsführer Dekra Automobil.

2019 führte Krafthand mit den Dekra-Experten Jann Fehlauer und Volker Noeske ein Gespräch, in dem es um die Zukunft der HU und die Problematik des Zugriffs auf HU-relevante Daten via over the air im Kontext mit einer anlassbezogenen Untersuchung als Ergänzung zur HU ging (siehe https://khme.de/HU-Zukunft). Diese könnte vor allem in Hinblick auf das automatisierte Fahren und die Überwachung von Fahrerassistenzsystemen (FAS oder ADAS) relevant werden. Nun hat sich Krafthand mit den Experten für ein Update zur Prüfung von FAS verabredet.

Dass diese von der Eigenüberwachung der Fahrzeuge nicht immer ausreichend überwacht werden, offenbart der Dekra-Verkehrssicherheitsreport 2023. Das Brisante darin: Die Experten der Stuttgarter Überwachungsorganisation stellten fest, dass schon minimal verstellte Sensoren und Kameras erhebliche negative Auswirkungen – etwa auf die Funktion des Notbremsassistenten – haben können, die OBD deren Dejustierung aber nicht erkennt und folglich den Fahrer nicht warnt (Details siehe www.khme.de/FAS-Fehler). Im Endeffekt bedeutet das: Ohne Anfangsverdacht ist es mit heutigen Werkstattmitteln und auch im Rahmen der HU Kfz-Profis und den Prüfingenieuren nicht zweifelsfrei möglich, solche Probleme zu erkennen.

Herr Fehlauer, Herr Noeske, wie ist es derzeit um die Prüfung von Fahrerassistenzsystemen bestellt?

Noeske: Bei der Hauptuntersuchung geht es darum, das zu prüfen, was der Verordnungsgeber vorgibt. Basis dafür ist eine EU-Richtlinie, in der definiert ist, welche Fahrerassistenzsysteme zu prüfen sind. Konkret erfolgt dies unter anderem über die OBD-Schnittstelle. Darüber lassen sich Verbauprüfungen gewährleisten oder auch Fehler im System auslesen. Sofern die Daten vorhanden sind, können wir auch eine Software-Zustandsprüfung machen. Damit erfüllen die Prüforganisationen was der Gesetzgeber vorgibt. Um es an einem Beispiel zu veranschaulichen: Liegt etwa ein Fehlereintrag zum e-Call vor, ist das ein Mangel, der sich natürlich im Prüfbericht wiederfindet.

Aber reicht dieser Status quo der Prüfungen wirklich für alle FAS aus?

Fehlauer: Mit Blick in die Zukunft und immer weitreichenderen automatisierten Fahrfunktionen sicher nicht für alle. Grundsätzlich ist es aber so, dass Prüfmethoden dem Stand der Automobiltechnik folgen. Hier sitzen der Verordnungsgeber und alle Prüforganisationen im selben Boot und alle arbeiten an Prüfmethoden, -systemen und -vorgaben, die eine effiziente und vor allem effektive Prüfung von Sensorik und FAS-Funktionen ermöglichen sollen. Wenn man so will, teilen sich die Prüforganisationen die Entwicklungsarbeit, um herauszufinden, welche Prüfmethoden und -systeme die Anforderungen am besten erfüllen können.

Wie könnte eine echte Funktionsprüfung für eine HU aussehen?

Fehlauer: Es gibt verschiedene Ansätze, wobei die Herausforderungen groß sind, ein praxisgerechtes bezahlbares System zu entwickeln, das in Prüfstützpunkten zum Einsatz kommen kann und das ohne große Umrüstzeiten für die ganze Modellpalette geeignet ist. Unter anderem arbeitet Dekra mit AVL Ditest an einem Projekt, bei dem die Prüfung von Radarsensoren stationär erfolgen kann. Dabei werden verschiedene Fahrsituationen simuliert, um Rückschlüsse auf die Funktion der Sensoren und der darauf basierenden Systeme zu bekommen. Andere forschen an einem Test mit kurzer Probefahrt oder an einem Mix aus beidem.

Wie auch immer der Test aussehen wird. Essenziell dafür ist der Zugang zu relevanten Daten im Fahrzeug.

Noeske: Ja, natürlich. Das ist ein wichtiger Baustein. Wesentlich sind etwa der Softwarestand des zu prüfenden Fahrzeugs, seine Sensordaten und auch seine Fehlerhistorie. Denn ein Auto ist nur mangelfrei, wenn die Software dem genehmigten Stand entspricht und etwa sicherheitsrelevante Updates aufgespielt wurden. Und die Historie ist wichtig, zum Beispiel weil der Fehlerspeicher vor der HU gelöscht worden sein kann. Sind dort aber viele Einträge vorhanden, kann das helfen, ein Problem zu erkennen.

„Inzwischen ist auch den Fahrzeugherstellern klar, dass wir nur auf diejenigen Fahrzeugdaten zugreifen wollen, die relevant sind zur Beurteilung des vorschriftsmäßigen Zustands.“ Jann Fehlauer

Und bei den OEMs ist die Bereitschaft vorhanden, solche Daten herauszugeben?

Fehlauer: Sie ist auf jeden Fall größer als noch vor Jahren. Inzwischen ist auch den Fahrzeugherstellern klar, dass wir nur auf diejenigen Fahrzeugdaten zugreifen wollen, die relevant sind zur Beurteilung des vorschriftsmäßigen Zustands.

Noeske: Dabei hilft auch ein neuer ISO-Standard, über den definiert wird, was für die HU auslesbar sein muss. Da geht es etwa um Informationen zu den Sensoren. Allerdings fehlt zu den erwähnten Softwareständen bisher eine ausreichende Regelung. Hier braucht es aus unserer Sicht zwingend noch gesetzliche Vorgaben. Hilfreich für den Zugang sind aber auf jeden Fall schon mal die Entscheidungen des EuGH und des Landgerichts Köln, die Zugangsbeschränkungen über die OBD-Schnittstelle durch die OEMs für unrechtmäßig erklären (Anmerk. d. Red.: Hintergründe dazu auf www.khme.de/Urteil-Datenzugang).

Herr Fehlauer, Herr Noeske, vielen Dank.

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