Probefahrt mit dem Tesla Model X
Tesla-Chef Elon Musk ist ein charismatischer Visionär. Die Marke selbst steht für ein neues Kapitel in der Automobilgeschichte und die technischen Daten des Model X sind beeindruckend. Gerade wegen dieser Superlative und dem Hype um die Marke geht Krafthand der Frage nach, ob der E-Ami nun ein Technikpionier oder eher eine Mogelpackung ist.
Nach dem Model S sollte eigentlich das Model E kommen, das aufgrund von Markenrechtsstreitigkeiten mit Ford in Model 3 umbenannt wurde. Bald darauf kamen das Model X und seit Kurzem das Model Y auf den Markt. Zusammengesetzt kommt dabei das Wort SEXY zustande. Willkommen in der Gedankenwelt von Elon Musk, der bereits eine Rakete aus seinem Raumfahrtunternehmen (SpaceX) mit BFR abkürzte, was für Big Fucking Rocket stehen soll. Wie ernsthaft kann ein Unternehmen sein, dessen Chef sich mit solchen Wortspielen befasst? Um das herauszufinden, hat uns C3 einen Tesla Model X 90D zur Verfügung gestellt. So konnten wir testen, wie gut dem amerikanischen Autobauer sein Elektrofahrzeug gelungen ist.
Manche Funktionen im Tesla lassen sich einfach nur als verrückt bezeichnen.
Fahren und gleiten
Von Weitem schaut der 113.300 Euro teure Wagen gar nicht so spektakulär aus und irgendwie auch nicht wie ein SUV – obwohl er von Tesla als solches vermarktet wird. Wer sich dem Fahrzeug dann nähert, stellt fest, dass seine Maße und Proportionen sehr wohl wie die eines Oberklasse-SUV ausfallen. Mit 5,04 Metern Länge, 2,27 Metern Breite (mit Spiegel) und 1,68 Metern Höhe befinden sich die Abmessungen im Bereich eines Audi Q7. Zusammen mit dem Akku wiegt das Fahrzeug 2.427 Kilogramm. Der Batteriespeicher mit etwa 600 Kilogramm trägt dabei maßgeblich zum Gesamtgewicht bei. Aber nicht nur er allein, sondern auch die Falcon Doors – also die Flügeltüren hinten – sind keine Leichtgewichte. Tesla macht allerdings keine Angaben, was sie wiegen.
Der Einstieg in das Fahrzeug gleicht dem Zustieg in ein Raumschiff. Auf Knopfdruck öffnen sich sowohl die vorderen als auch die hinteren Türen. Nach dem Einsteigen schließt sich die Fahrertür, sobald die Bremse betätigt wird. Neben den üblichen Hebeln am Lenkrad fällt auf, dass sich die meisten Funktionen über ein riesiges Zentraldisplay mit Touchbedienung in der Mittelkonsole steuern lassen – etwa das Schließen der restlichen Türen über Knopfdruck.
Differenziertes Bild bei der Reichweite
Mit dem Hebel am Lenkrad lässt sich in Fahrstufe D schalten und die lautlose Fahrt beginnt. Unser Testwagen zeigte nach dem Vollladen eine Reichweite von rund 375 Kilometern an. Mit einer Leistung von 386 kW beschleunigt das über zwei Tonnen schwere Gefährt in fünf Sekunden von 0 auf 100. Lässt der Fahrer allerdings die Tachonadel dauerhaft jenseits der 140-km/h-Marke oder verändert sich die Fahrgeschwindigkeit durch allzu ruppiges Bremsen und starkes Beschleunigen sehr häufig, sinkt die Reichweite dementsprechend schnell. Fuhren wir beispielsweise eher sportlich 15 bis 20 Kilometer weit über die Landstraße, reichte die vom Bordcomputer errechnete Akkukapazität nur noch für 270 Kilometer. Die Normreichweite lässt sich somit nur bei sanftem Umgang mit dem Gaspedal erreichen. Hinzu kommt, dass im Sommer keiner auf den Komfort der Klimaanlage oder im Winter auf die Heizung verzichten will, was zusätzlich Strom frisst.
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass sich die Batteriekapazität erhöhen lässt. Dazu muss man wissen: Im Alltagsmodus wird der Akku zugunsten seiner Lebensdauer nur zu 80 Prozent geladen. Um auf Reisen aber den Aktionsradius zu verbessern, lassen sich über die Tesla-App entsprechende Konfigurationen einstellen, so dass sich die Normreichweite von 375 auf 468 Kilometer erhöht, was dann 100 Prozent der Akkukapazität entspricht.
Die Betankung mit haushaltsüblichem Starkstrom (380 V) dauert etwa fünf Stunden, am Supercharger ist der Akku nach ungefähr 30 Minuten wieder voll. Über eine App auf dem Smartphone lässt sich der Fahr- und Ladezustand überwachen. Auch die Türen und die Heckklappe können auf diesem Weg öffnen und schließen. Alles in allem fährt sich der Tesla komfortabel und ist in jeder Fahrsituation beherrschbar. Die Bremsen verzögern trotz des hohen Fahrzeuggewichts absolut zuverlässig. Das Niveau des Luftfahrwerks lässt sich je nach Bedarf anheben und senken und von komfortabel bis sportlich abstimmen.
Kritikpunkte
Soweit so gut. Doch bei unserem Test fiel das Fahrzeug das eine oder andere Mal auch negativ auf. Beispielsweise hat sich des Öfteren ein Softwareproblem eingeschlichen – zu bemerken an falsch angezeigten Geschwindigkeiten im Schalttafeleinsatz und nicht vollständig öffnenden Türen. Dann riet uns die Tesla-Servicehotline zu einem Neustart des Bordcomputers. Diese Maßnahme half zwar immer, war jedoch etwas lästig.
Über eine App lässt sich der Fahr- und Ladezustand am Smartphone überwachen.
Aber auch ohne Softwareprobleme sind die Flügeltüren mit Vorsicht zu genießen. So ist der Fahrer eines Model X gezwungen, bei jeder Einfahrt in eine Garage oder in ein Parkhaus auf die Deckenhöhe zu achten. Zwar hilft die automatische Stoppfunktion, durch welche der Öffnungsmechanismus angehalten wird, um Dellen und Kratzer zu vermeiden. Doch geben in so einem Fall die aus dem Fond aussteigenden Passagiere ein recht lächerliches Bild ab. Zudem dauert das Öffnen und Schließen der Türen auch bei korrekter Funktion gefühlt eine halbe Ewigkeit. Der sensible Öffnungs- und Schließmechanismus der Türen hat unter Umständen aber einen Vorteil für Werkstätten. Denn über längere Zeit und unter Einfluss regelmäßiger Abnutzung kann die Technologie nicht auf Dauer fehlerfrei funktionieren. Hier könnten aufwendige Zusatzarbeiten für Kfz-Profis entstehen.
Ebenfalls verwundert hat uns die Verkehrszeichenerkennung. Sie hat nämlich praktisch nichts erkannt. Der Grund: Tesla hat beim Umstieg auf die nächste Autopilot-Stufe (AP2) die Zusammenarbeit mit Mobileeye – einem Spezialisten für Kamerasysteme – beendet und verzichtet deshalb auf deren Schilderscansoftware. Teslas pragmatische Lösung: Verkehrszeichen sind im Navigationssystem hinterlegt und somit nicht immer auf dem neuesten Stand. Das bedeutet, dass beispielsweise im autonomen Fahrmodus das Fahrzeug auf der Autobahn mit Vollgas durch Baustellen brettern möchte. Aber auch offiziell aufgestellte Schilder, welche die Fahrgeschwindigkeiten herabsetzen und vor Monaten installiert wurden, ignoriert das System häufig.
Damit kommen wir zum gefährlichsten Problem des Teslas – dem autonomen Fahren. In Ortschaften regelte das Fahrzeug zwar fast immer zuverlässig auf 50 km/h herunter. Aber es gibt nun einmal Ortsdurchfahrten in Deutschland, um dessen Kurven ein Fahrzeug mit fast zweieinhalb Tonnen bei 50 km/h nicht herumkommt. Und schwächere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Rollerfahrer erkennt das System so gut wie nicht. Hier wurde es bei uns immer wieder mal gefährlich. Deutsche Hersteller wie BMW oder Mercedes-Benz machten in unseren vergangenen Praxistests einen verlässlicheren Eindruck und haben in unklaren Situationen den autonomen Fahrmodus einfach unterbunden.
Die Zukunft
Zum Schluss bleibt zu sagen, dass der Tesla X jeden in der KRAFTHAND-Redaktion zum Nachdenken gebracht hat. Im positiven wie im negativen Sinn. Manche Funktionen im Fahrzeug lassen sich einfach nur als verrückt bezeichnen – wie etwa der einstellbare Furzmodus beim Blinken. Trotzdem ist vieles durchdacht oder zumindest visionär.
Um also die am Anfang gestellte Frage zu beantworten: Eine Mogelpackung ist der Tesla X sicher nicht. Allerdings ist Elon Musk nicht gerade für sein Understatement bekannt. Deshalb übertreibt er gerne bei seinen Angaben, was die Fähigkeiten seiner Automarke betrifft und sorgt damit für eine überzogene Erwartungshaltung. Trotzdem ist jeder, der im Inneren des Fahrzeugs Platz nimmt, von Musks Interpretation des Autos der Zukunft zunächst beeindruckt.
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