Praxisfall zu Fahrerassistenzsystem mit Warncharakter
Versagen Fahrerassistenzsysteme (FAS), führt das teils zu bösen Folgen. Mit Teslas gab es schon tödliche Unfälle. Oder ein ID.3 fährt instehende Autos auf, weil laut Fahrerin die Bremse nicht reagiert habe, obwohl das Fahrzeug zuvor mit einer Beanstandung in der Werkstatt war. Was Werkstätten daraus lernen müssen kommentiert Chefredakteur Torsten Schmidt.
In der Krafthand 15-16/2023 thematisierte ich im Beitrag „Autobauer scheren sich nicht um uns“, welche Bedeutung Fahrerassistenzsysteme (FAS) inzwischen für Autobauer haben und dass sie sich heute darüber so definieren, wie früher über ihre Ingenieurskunst bei Motoren. Entsprechend brüsten sich OEMs mit ihren diesbezüglichen technologischen Fortschritten. Immerhin sind FAS die Basis für das große Technologieding im Autobau: dem autonomen Fahren.
Tatsächlich ist der Weg dahin aber noch weit. Das zeigt sich nicht nur an tödlichen Tesla-Unfällen, sondern auch an kleineren anderen Vorfällen. So schrieb mir eine VW-Fahrerin über einen Unfall mit ihrem ID.3, der ihrer Meinung nach so hätte nicht passieren dürfen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die FAS den Unfall verursacht haben, weil meine Bremse nicht reagiert hat und stattdessen der ID.3 mit 6 km/h in eine Reihe stehender Fahrzeuge gefahren ist und auch nach der Kollision die Autos weitergeschoben hat“, berichtet sie.
Hier kann es nicht sein, dass der Fahrer bei aktivierten FAS wie Spurhalte- und Bremsassistent die alleinige Verantwortung trägt. Gerade beim Bremsassistenten, der je nach Konfiguration Bremsungen in Not-, aber auch in Stausituationen einleiten soll, muss sich der Fahrer darauf verlassen können. Es käme doch auch niemand auf die Idee, er sei für die Reibwirkung zwischen Bremsbelag und -scheibe verantwortlich. Da muss der Hersteller doch auch für sein Produkt einstehen. Warum also nicht bei FAS? Ich finde, hier muss der Gesetzgeber ran. Dazu gehört, dass Unfallgutachter an alle (!) Daten kommen und diese nicht im Geheimen bei den OEMs bleiben.
Das Spannende im Fall der ID.3-Fahrerin: Tage zuvor hatte eine Werkstatt diverse Fehlereinträge ausgelesen – darunter „Ausfall der Kommunikation zum Bremskraftverstärker“. VW selbst untersucht nun den Fall, schreibt sie. Doch egal was die Ursache war und ob VW ein Problem zugibt: Der Fall zeigt beispielhaft, was bei Fahrerassistenzen falsch läuft und welche Lehren Werkstätten daraus ziehen sollten: Fehlerspeichereinträge, die zwar zunächst zu keiner Beanstandung führen (weil der Fahrer keinen Mangel spürt), müssen in Bezug auf die zunehmende Zahl sicherheitsrelevanter Assistentensysteme ernster genommen werden als das bisher und bei anderen Systemen der Fall sein kann. Sonst werden sie womöglich zu einem Bumerang für die Werkstatt. Um das leisten zu können, brauchen sie ebenfalls uneingeschränkten Datenzugang.
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