OBD bald ade?
Je mehr die Einführung der vernetzten Fahrzeuge bis ins Kleinwagensegment näherrückt – oder besser: je mehr vernetzte Fahrzeuge auf die Straßen kommen, desto heftiger wird der Streit um die Datenhoheit. Die europäischen Automobilhersteller beanspruchen diese für sich, wie sie jüngst auf EU-Ebene klarmachten. Sie arbeiten mit Hochdruck am Extended Vehicle und daran, dass sämtliche (Diagnose-)Daten über ihre Server gehen.
Die folgende Frage wird schon lange heiß diskutiert. Im Grunde schon, seitdem die Automobilhersteller die Entwicklung von vernetzten Fahrzeugen forcieren: Wem gehören wartungs- sowie reparaturrelevante und eventuelle andere Daten, die sich aus der Bordelektronik via Telemetriesystem abrufen lassen? Die im europäischen Verband der Automobilhersteller ACEA organisierten Autobauer haben dazu eine klare Meinung und gemeinsam mit dem europäischen Zuliefererverband CLEPA in einem entsprechenden Positionspapier deutlich Stellung bezogen.
Darin heißt es: Die von einem Fahrzeug während der Fahrt erzeugten sogenannten Betriebsdaten – also beispielsweise Daten über Verschleiß oder Fehler in Fahrzeugsystemen und bald anstehende Wartungsarbeiten – müssen sicher sein. Deshalb dürfe es nicht sein, dass Drittanbieter Zugang erhalten. Mit anderen Worten: Informationen dieser Art sollten zunächst nur an einen Server bei den jeweiligen Fahrzeugherstellern gehen. Gegen diese Bestrebungen wehren sich der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) und andere europäische und nationale Verbände vehement. Auch, weil die Sicherheitsbedenken der Hersteller vorgeschoben seien und sich Schnittstellen zum Fahrzeug durchaus technisch sicher gestalten ließen, betont etwa Hartmut Röhl.
Doch das ist längst nicht das einzige, was den GVA-Präsident umtreibt, wenn er an die Aktivitäten der Automobilhersteller denkt.
Herr Röhl, können Sie uns erklären, warum sie die Entwicklung des sogenannten Extended Vehicle und den Daten anspruch der Automobilhersteller so kritisch sehen?
Die Fahrzeughersteller würden mit dem Konzept des Extended Vehicle die vollständige Kontrolle über die Daten aus dem Fahrzeug erhalten. Allein sie könnten dann entscheiden, welche Daten die Unternehmen des freien Markts in welcher Form und wann zur Verfügung gestellt bekommen. Der IAM (Anmerk. d. Red.: independent Aftermarket bzw. freier Reparatur- und Ersatzteilmarkt) und seine Geschäftsmodelle würden damit übermäßig abhängig von den Fahrzeugherstellern – und das bei so einem wettbewerbsentscheidenden Thema. Denn in Zeiten der Fahrzeugvernetzung kann nur derjenige Dienstleistungen und Produkte anbieten, der Zugang zu den relevanten Informationen unmittelbar aus dem Fahrzeug hat.
Der Datenzugang ist ein wettbewerbs entscheidendes Thema.
Im Positionspapier der ACEA und CLEPA ist aber auch die Rede davon, dass Dritt anbieter die Daten bekommen können.
Entscheidend ist nicht die Frage, ob“ Drittanbieter die Daten bekommen können oder nicht (diese ist bereits grundsätzlich entschieden), die Frage ist eher das Wie“ und das Wann“. Der EU-Gesetzgeber hat mit der eCall-Verordnung der EU-Kommission das Mandat erteilt, die technischen und rechtlichen Grundlagen einer interoperablen, standardisierten, gesicherten und zugangsoffenen Telematikplattform im Fahrzeug zu prüfen. Diese soll dazu beitragen, die Wahl freiheit der Kunden und faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, Innovationen zu fördern und die Wett bewerbsfähigkeit der europäischen IT- Branche zu stärken.
Diese Ziele sind aber nur erreichbar, wenn die Unternehmen des freien Markts Zugang zur Telematikschnittstelle im Fahrzeug bekommen. Ein Zugriff des IAM auf Daten erst über einen zwischengeschalteten Server der Fahrzeughersteller gewährleistet dies aber gerade nicht, denn die Fahrzeughersteller behielten dennoch die alleinige Oberhand, mit den Folgen wie in der Antwort zu Ihrer ersten Frage beschrieben.
Es ist möglich, die Daten aus den Fahrzeugen auf neutrale Server zu routen, aber dass sich Autobauer dafür erwärmen, ist unwahrscheinlich.
Wie sollte der Datentransfer geregelt sein? Was muss der Gesetzgeber fest legen?
Die Unternehmen des freien Markts benötigen im Interesse der Chancengleichheit einen direkten Zugang zu den fahrzeuggenerierten Daten. Beim Konzept des Extended Vehicle wird diese essenzielle Anforderung nicht erfüllt, es stellt daher keine langfristig gangbare Lösung dar. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die unabhängigen Marktteilnehmer die gleichen Möglichkeiten wie die Fahrzeughersteller haben, ihre Anwendungen dem Kunden etwa im Display des Armaturenbretts zu präsentieren. Der Gesetzgeber muss die Grundlagen für funktionierenden Wettbewerb schaffen, die Fahrzeughersteller tun dies von sich aus sicher nicht.
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