Mit den zum Jahreswechsel erstmals veröffentlichten technischen Kriterien zur Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw der Abgasnorm 5, die die geforderten Stickoxid-Grenzwerte überschreiten, geht die Dieseldebatte in die nächste Runde.
Während der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) darin den längst fälligen nächsten Schritt zur Entschädigung von Dieselbesitzern sieht und die Anbieter von Nachrüsttechnik dazu auffordert, schnellstmöglich entsprechende Systeme zu entwickeln, zeigt sich VW skeptisch und rät seinen Kunden davon ab. Das wiederum lässt einen ZDK-Vertreter zu drastischen Worten greifen. Doch eins nach dem anderen.
„Minister Scheuer hat Wort gehalten“, freut sich ZDK-Hauptgeschäftsführer Axel Koblitz angesichts der zum Jahresende 2018 erstmals veröffentlichten technischen Kriterien für die Hardwarenachrüstung von Diesel-Pkw. Die Anbieter von Nachrüsttechnik zur Minderung des Stickoxid-Ausstoßes seien nun angesichts bereits verhängter oder drohender Dieselfahrverbote gefordert, so schnell wie möglich genehmigungsfähige Nachrüstsysteme zu entwickeln.
Das ist erbärmlich
Scharfe Kritik übte Koblitz dagegen an der öffentlichen Warnung vor der Diesel-Nachrüstung durch Volkswagen: „Erst streuen sie die Infektion, und dann warnen sie vor dem Medikament. Das ist erbärmlich!“, sagt Koblitz mit Blick auf den durch VW ausgelösten Abgasskandal. Die Nachrüstung von Kraftfahrzeugen mit Technik zur Minderung des Schadstoffausstoßes sei seit langer Zeit gang und gäbe, wie die Beispiele Katalysator und Rußpartikelfilter zeigten.
Wenn VW jetzt vor angeblichen Problemen warne, werde bewusst verschwiegen, dass gerade Volkswagen schon vor Jahren Euro-5-Diesel-Pkw mit stickoxidreduzierender Technik als Sonderausstattung angeboten und für den US-Export sogar serienmäßig ausgerüstet habe. Koblitz fragt: „Vor genau den Teilen, die damals ab Werk eingebaut wurden, soll der Verbraucher also jetzt Angst haben?“ Auch die Software zur Anpassung des Motormanagements habe man in Wolfsburg selbstverständlich parat.
Vor diesem Hintergrund richtet der ZDK an die Automobilhersteller den eindring- lichen Appell, mit den Anbietern von Nachrüstsystemen zu kooperieren, um eine schnelle und bestmögliche Anpassung dieser Systeme an die jeweiligen Fahrzeugmodelle zu gewährleisten. Das Kraftfahrtbundesamt könne solche Systeme nach Maßgabe der veröffentlichten Kriterien sofort genehmigen und müsse nicht erst auf die förmliche Änderung der StVZO warten. Auch die anerkannten AU-Werkstätten des Kraftfahrzeuggewerbes stünden für den Einbau bereit, so dass nun alle Ampeln für die Dieselnachrüstung auf Grün geschaltet seien.
VW zweifelt an Funktionssicherheit
Im Gegensatz dazu sieht Volkswagen die geplante Umrüstung von Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 5 weiter kritisch und rät seinen Kunden sogar von einer Hardwarenachrüstung durch Drittanbieter ab. „Alle uns bisher bekannten Konzepte weisen Nachteile für unsere Kunden auf, etwa Mehrverbrauch und damit erhöhte CO2-Emission, zum Teil auch Leistungsreduzierung“, warnt Volkswagen-Entwicklungsvorstand Frank Welsch. Zudem ließen sich entgegen einiger Darstellungen in den Medien nicht alle Euro 5-Fahrzeuge nachrüsten und nicht alle werden einen Richtwert von 270 mg/km unterschreiten, um von drohenden Einfahrverboten ausgenommen zu werden. Auch sei die dauerhafte Funktionssicherheit der Technik aus Sicht von Volkswagen nicht zu gewährleisten.
Die Tücke steckt laut dem Autobauer im Detail: „Ein Euro-5- Fahrzeug mit einer elf Jahre alten Motorengeneration auf den Stand eines modernen Euro-6-Fahrzeugs aufzurüsten, ist aus technischer Sicht nicht möglich. Darüber hinaus gibt es bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wie sich nachträgliche Eingriffe in das Steuerungssystem, die Komponenten und die Fahrzeugarchitektur im Dauerbetrieb langfristig auswirken.“ Vor allem bei kompakten Fahrzeugen stehe auch der entsprechend notwendige Bauraum für Hardware-Nachrüstlösungen gar nicht oder nur mit Einschränkungen im Innenraum zur Verfügung. Weiterhin müssten neben dem Wirknachweis dieser Systeme auch Aspekte wie die langfristige Entwicklung des Kraftstoffverbrauchs, der Fahrbarkeit, der Vermeidung anderer Schadstoffe wie auch die Dauerhaltbarkeit der Komponenten berücksichtigt werden.
Werksseitig eingebaute SCR-Systeme für heutige Euro-6- Fahrzeuge müssen laut VW zahlreiche komplexe technische und gesetzliche Anforderungen erfüllen. So müsse das System etwa auch bei Frost funktionsfähig sein, obwohl die zur NOx-Reduktion genutzte Harnstofflösung (AdBlue) bei –11 Grad gefriert. Dem Fahrer müssen der AdBlue-Füllstand, die voraussichtliche Reichweite oder Fehlbetankungen über eine zusätzliche Anzeige im Cockpit dargestellt werden. Auch die Emissionsstabilität für die Lebensdauer des Fahrzeugs muss weiter gewährleistet sein. Stimmt das Verhältnis von eingesetztem Harnstoff zur Stickoxidmenge im Abgas nicht, kann überschüssiges giftiges Ammoniak aus dem Abgastrakt austreten, was über einen zu entwickelnden Sperrkatalysator zu vermeiden ist.
Keinerlei serienreife Systeme
Bisher sind laut Volkswagen keine serienreifen Systeme am Markt verfügbar, die entsprechende Herstelleranforderungen hinsichtlich Entwicklung, Erprobung und Freigabe durchlaufen haben. „Zudem könnten entsprechende Umbauten nach unabhängigen Untersuchungen einen Mehrverbrauch von bis zu sechs Prozent bewirken. Ein dadurch steigender CO2-Ausstoß steht im massiven Widerspruch zu den verschärften Klimaschutzvorgaben“, heißt es weiter. Dazu sagt Entwicklungsvorstand Welsch: „Für uns ist es wichtig, dass unsere Kunden ein zuverlässiges und gebrauchssicheres Fahrzeug nutzen können. Eine technisch nicht ausgereifte Nachrüstlösung kann wichtige Fahrzeugeigenschaften zum Nachteil unserer Kunden verändern.“ Das Fahrzeug werde sehr wahrscheinlich mehr verbrauchen, an Leistung verlieren und auch lauter werden. Eine Umrüstung, die einen enormen technischen und zeitlichen Aufwand bedeutet, könne zu massiven Problemen bei der Zuverlässigkeit und damit bei der Kundenzufriedenheit sorgen. Das können wir als Automobilhersteller im Sinne unserer Kunden weder befürworten noch dafür haften. Deshalb raten wir von Hardwarenachrüstungen ab.“