Mister Liqui Moly Ernst Prost und sein Co-Geschäftsführer Günter Hiermaier, über das künftige Ölgeschäft, Prosts Anfänge, seinen Abgang sowie eine Frage, die ihm nicht gefällt.
Von dem Geschäftsführerduo wird sich Ernst Prost im Februar 2022 in den Ruhestand verabschieden und Günter Hiermaier dann allein an der Spitze stehen. Anlass genug, die beiden zu den Anfängen, der Zukunft, Lieferengpässen und steigenden Ölpreisen zu befragen. Nach dem Doppelinterview war einmal mehr klar, dass Prost durch seine kernigen Antworten seinem Ruf als kantiger Typ, der Klartext redet, auch zum Karriereende gerecht wird.
Herr Prost, man kann ohne Übertreibung sagen, dass Sie Liqui Moly groß gemacht haben. Nach dem Motto: Vom Kfz-Meister, ihrem ursprünglichen Beruf, zum Chef einer weltweit renommierten Ölfirma. Hätten Sie sich das am Anfang Ihrer Reise träumen lassen?
Prost: Halt, Herr Schmidt, ich bin kein Kfz-Meister, nur Geselle. Zum Meister hat es nicht gereicht, wie zu so vielem in meinem Leben nicht. Im Übrigen hatte ich die Schnauze nach drei Lehrjahren mit Spikes schießen, Winterreifen wechseln, Auspuff montieren, Unterbodenschutzblech schweißen und Öl wechseln gründlich voll. 45 Stundenwoche und 80 DM im Monat.
Wo meine Reise begann, kann ich Ihnen sehr genau sagen. Meine Jugend als Flüchtlingskind hat mich geprägt: aufgewachsen in armen Verhältnissen, von Akne gepeinigt, gehänselt, zurückgesetzt. Da wachsen Ehrgeiz und der Wunsch, dieser ganzen Situation schnellstmöglich zu entkommen. Und dann ging das eben los mit arbeiten und „nach oben klettern“ auf der Leiter zum Erfolg. Am Ende von 50 Berufsjahren kann ich sagen, das hat ziemlich gut geklappt.
„Zum Kfz-Meister hat es nicht gereicht, wie zu so vielem in meinem Leben nicht. Im Übrigen hatte ich die Schnauze nach drei Lehrjahren voll.“ – Ernst Prost
Sie sind das Ölgeschäft zu einer goldenen Zeit angegangen. Öle wurden noch öfter gewechselt beziehungsweise es brauchte immer hochwertigere und somit mehr Umsatz bringende Öle. Ihr Nachfolger wird es schwerer haben als Sie.
Prost: Sie sagen es. Wir sind damals ganz bewusst, gezielt und mit einem unbändigen Willen an das Ölgeschäft rangegangen, weil wir das Volumen sahen, die Ertragskraft und die Möglichkeiten, Motorenöle made in Germany weltweit zu verkaufen. Und Sie haben recht. Günter Hiermaier wird mit der E-Mobilität und dem daraus resultierenden Bedarfsrückgang an Motoröl zu kämpfen haben. Aber andererseits hat er eine optimal aufgestellte Marke mitentwickelt, die nicht nur von Verbrennungsmotoren lebt. Die Notwendigkeit zur Anpassung, die Transformation zum Überleben wird nicht nur er, sondern auch sein Nachfolger irgendwann mal erleben. Das können Sie im Übrigen sehr gut bei Darwin nachlesen.
Herr Hiermaier, die Fußstapfen sind groß und die Herausforderungen besonders in Sachen Ölgeschäft werden nicht kleiner. Wird Liqui Moly versuchen, den Ölsektor durch Geschäfte im industriellen Bereich zu stärken?
Hiermaier: Ernst Prost und ich arbeiten seit 30 Jahren zusammen, in den letzten Jahren war ich zweiter Geschäftsführer. Der Übergang in der Geschäftsführung ist demnach fließend. Auch weil wir, durch Ernst Prosts rechtzeitige Ankündigung, genügend Zeit hatten, uns entsprechend aufzustellen. Unsere Produktpalette ist riesig. Wir setzten auf Diversifikation und Internationalisierung. Dadurch sind wir generell gut aufgestellt. Im Automotivebereich bilden wir das komplette Produktspektrum ab, neben Ölen sind das Wartung, Service und Pflege.
Natürlich erschließen wir weiterhin Zielgruppen und Absatzmärkte neben dem direkten Automotivemarkt. Darunter fällt die Industrie mit ihren Zulieferern, die nach wie vor Schmierstoffe benötigen. Daneben gibt es aufstrebende Länder, die weiter weg sind von der Elektromobilität als zum Beispiel Europa. Dort werden wir als internationaler Akteur wachsen können. Wir haben eine starke Marke, eine starke Mannschaft, eine breite Produkt- und Servicepalette sowie etliche Jahrzehnte Erfahrung auf dem Buckel, die uns auch diese Herausforderung meistern lassen.
Und haben Sie auch innerhalb des Automotivebereichs neue Produktsegmente im Auge, die das Öl- und das durch die E-Autos ebenfalls weniger werdende Additivgeschäft mittelfristig auffangen können?
Hiermaier: Die Realität derzeit ist doch, dass den weltweit knapp 11 Millionen Fahrzeugen mit E-Motor mehr als eine Milliarde Pkw mit reinem Verbrennungsmotor gegenüberstehen. Da sind Nutzfahrzeuge, Motorräder oder auch der maritime Sektor noch gar nicht eingerechnet, bei denen wir seit Jahren ordentliche Zuwächse hinlegen. Betrachtet man ausschließlich den Pkw-Bereich, so bieten wir neben Motoröl, welches natürlich auch Hybridfahrzeuge benötigen, sämtliche Betriebsstoffe, Pflegemittel und Services an. Diese sind antriebsunabhängig.
Das heißt, wir bieten für Hybride und E-Fahrzeuge heute schon alles, was sie benötigen. Für uns ist da weiterhin Potenzial. Zudem sind wir in der Entwicklung spezifischer E-Fahrzeugprodukte aktiv, die wir bald auf den Markt bringen werden. Die Zeit des Wandels in der Mobilität vor allem in den Industrieländern werden wir intensiv nutzen, um uns auch im reinen E-Segment als bedeutender Player aufzustellen.
„Das heißt, wir bieten für Hybride und E-Fahrzeuge heute schon alles, was sie benötigen.“ – Günter Hiermaier
Aktuell ist viel von Lieferengpässen, steigenden Rohstoffpreisen sowie höheren Transportkosten die Rede. Trifft das auch Ihr Geschäft und werden deshalb Motoröle sowie Additive teurer?
Hiermaier: Lieferengpässe machen auch uns seit dieser Coronakrise zu schaffen. Lieferketten sind teilweise komplett abgerissen. Rohstoffe werden deutlich teurer oder sind gar nicht mehr erhältlich. Der Rückgang der Raffineriemengen, durch den gesunkenen Kerosinbedarf im Flugverkehr, macht alle erdölbasierten Produkte deutlich teurer und knapper. Dadurch steigen auch Transportkosten.
Auf der einen Seite versuchen wir immer effizienter zu werden, stellen Kosten auf den Prüfstand. Auf der anderen Seite müssen wir solide und nachhaltig wirtschaften. Dazu gehört, dass wir mehr einnehmen müssen als wir ausgeben. Zeitgleich müssen wir in Forschung und Entwicklung investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn alle Einsparungen nicht genügen, müssen wir Preiserhöhungen in moderatem Umfang leider an unsere Kunden weitergeben. Alleine in diesem Jahr hatten wir durch die Preisexplosionen am Markt Mehraufwendungen in einem hohen zweistelligen Millionenbetrag.
Wann könnte sich die Situation entspannen?
Hiermaier: Ich hoffe, dass sich der Markt 2022 stabilisiert. Das hängt auch davon ab, wie sich die aktuelle Situation entwickelt. Bisher sind wir trotz aller Herausforderungen gut durch die Zeit gekommen, konnten unsere vollen Auftragsbücher abarbeiten und unsere Kunden beliefern.
Nochmal zu Ihnen Herr Prost: Werden Sie, nachdem Sie Ende Februar 2022 in den Ruhestand gegangen sind, Liqui Moly und der Branche in irgendeiner Form, zum Beispiel als Berater, erhalten bleiben?
Prost: Also, wenn ich etwas ganz sicher nicht machen werde, dann ist es, irgendjemandem mit meinen Weisheiten auf den Sack zu gehen. Alles im Leben hat seine Zeit. Meine Zeit in unserer Branche ist jetzt zu Ende. Ich werde meine Restlauflebenszeit sicher nicht als Dinners Speaker, Berater oder in einem Beirat/Aufsichtsrat verbringen. Dafür habe ich nun wirklich nicht fünf Jahrzehnte gebuckelt, um nicht mehr aufhören zu können.
Dabei könnten Ihre häufig polarisierenden Aussagen dem Unternehmen doch helfen, im Gespräch zu bleiben. Oder?
Prost: Diese Frage gefällt mir nicht, weil Sie mir damit unterstellen, dass ich meine Aussagen gemacht habe, um mit der Firma im Gespräch zu bleiben. Ich hatte und habe zu vielen Dingen eine Meinung. Und wenn ich gefragt wurde, dann habe ich ehrlich, geraderaus, schnörkellos und ungeschminkt gesagt, was ich denke. Da gab es nie diese weichgespülten und wohlfeilen Sätze, um nur ja niemandem auf den Schlips zu treten. Diese Freiheit und Unabhängigkeit der Meinungsäußerung habe ich mir immer bewahrt – auch wenn es mich manchmal Kopf und Kragen gekostet hat. Ich denke auch, dass ich zweimal in meinem Leben deswegen entlassen wurde.
Gibt es dennoch ein Statement oder auch mehrere Aussagen, die Sie heute so nicht mehr treffen würden?
Prost: Sie hätten mich mal als Schülersprecher in der Realschule erleben sollen oder als Lehrlingssprecher in meinem Ausbildungsbetrieb. Ich denke nicht, dass ich irgendeine Aussage, die ich irgendwann mal getroffen habe, zurücknehmen müsste.
Ganz im Gegenteil. Wenn ich etwas bereue, dann ist es, dass ich nicht viel öfter und lauter und deutlicher zu Missständen, Fehlentwicklungen, Ungerechtigkeiten und was man sonst noch alles in unserer Welt bekämpfen muss Stellung bezogen habe. Aber kann ja alles noch kommen …“.
Herr Prost, Herr Hiermaier, vielen Dank.
Die Fragen stellte Torsten Schmidt.