Designschutz, Zugriff auf technische Informationen und personenbezogene Daten, unlautere Aussagen zu Garantie und Gewährleistungen – das sind kontrovers diskutierte Themen, die den fairen Wettbewerb zwischen freiem Ersatzeilhandel und OEM maßgeblich beeinflussen.
Diese Marktsituation wirkt sich im Umkehrschluss auch auf freie Werkstätten und Servicebetrieb aus. Wie genau erklärt GVA-Präsident Hartmut Röhl im KRAFTHAND-Interview.
Herr Röhl, die aktuellen Herausforderungen für den IAM sind Themen wie Designschutz und immer noch mangelnde Datenfreigabe seitens der OEMs. Können Sie erläutern, warum der freie Teilehandel dadurch beeinträchtigt wird?
Zum einen erwarten die Servicebetriebe zu Recht, dass der freie Teilehandel ihnen ein umfassendes Sortiment an Kfz-Ersatzteilen für alle Marken anbieten kann. Zum anderen muss der Teilehandel in der Lage sein, den Werkstätten eine eineindeutige Identifikation des passenden Ersatzteils zu ermöglichen, um damit Fehl- oder Mehrfachbelieferungen weitgehend auszuschließen.
Der Designschutz für sichtbare Kfz-Ersatzteile schränkt aber die Möglichkeiten des freien Markts, den Servicebetrieben Ersatzkomponenten wie Motorhauben, Kotflügel, Außenspiegel, Scheiben, Scheinwerfer und Rückleuchten anzubieten, stark ein. Die Fahrzeughersteller können aufgrund der Gesetzeslage in Deutschland – anders als in vielen anderen Staaten in Europa – Monopole auf diese Ersatzteile schaffen.
Und was ist mit dem Zugang zu technischen Imformationen?
Was den Zugang zu technischen Informationen der Fahrzeughersteller betrifft, etwa zur Ersatzteilidentifikation, gibt es ebenfalls Beeinträchtigungen. Servicebetrieben muss es möglich sein, für die VIN eines Fahrzeugs auf der Hebebühne die benötigten Ersatzteile zu identifizieren. Damit der freie Teilehandel dies mit seinen elektronischen Katalogen leisten kann, muss er wiederum wissen, welches Ersatzteil in das konkrete Fahrzeug verbaut werden kann. Fahrzeughersteller sind verpflichtet, die Informationen darüber, welche spezifische Fahrzeugkonfiguration sich hinter einer bestimmten VIN verbirgt, in elektronisch verwertbarer Form den unabhängigen Marktteilnehmern zur Verfügung zu stellen. Allerdings weigern sie sich, ihren diesbezüglichen Pflichten, beispielsweise aus der Euro-5-/6-Verordnung, vollumfänglich nachzukommen. Daraus ergeben sich gerade in Zeiten einer wachsenden Teile- und Modellvielfalt Probleme.
Und wie wirken sich die Probleme, die der Teilehandel dadurch hat, auf die Werkstätten aus?
Die Folgen erlebt die Werkstatt und damit letztlich auch der Autofahrer in Form von teuren Monopolen. Ohne den Designschutz im Ersatzteilmarkt gäbe es für viele dieser Teile wohl mehr Anbieter und damit stärkeren Wettbewerb. Auch könnte die freie Werkstatt dann aus einem breiteren Sortiment des Händlers ihres Vertrauens wählen und müsste diese Teile nicht bei ihrem Wettbewerber im gebundenen Markt kaufen. Gemäß derzeitiger Rechtslage gehen freie Teilehändler Risiken ein, wenn sie karosserie- und karosserieintegrierte Ersatzteile des freien Markts in Deutschland vertreiben.
Negative Auswirkungen der Verweigerungshaltung von Fahrzeugherstellern beim Zugang zu technischen Informationen ergeben sich für die Servicebetriebe bei der Identifikation von benötigten Ersatzteilen. Denn die damit verbundenen Schwierigkeiten erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass der Werkstatt ein nicht passendes Teil oder mehrere Teile zur Auswahl geliefert werden.
Unter dem Strich werden also nicht nur der freie Teilehandel beeinträchtigt, sondern auch die Servicebetriebe und damit der Wettbewerb im Kfz-Aftermarket insgesamt. Es kann auch nicht im Interesse der Servicebetriebe sein, dass ihnen auf Anbieterseite eines Tages vielleicht ein Monopol der Fahrzeughersteller gegenübersteht. Ich denke, die vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Großhandel und Werkstatt wird von beiden Seiten geschätzt.
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