Rechtsexpertin über neue Formulare im Kauf- und Gewährleistungsrecht

Wer die Vorabberatung schriftlich dokumentiert, ist auf der sicheren Seite

Dr. Anna Kellner ist Rechtsanwältin in der Kanzlei SKW Schwarz. Bild: Kellner

Neues Gesetz, neue Pflichten für Autohändler, neue Formulare: Das neue Kauf- und Gewährleistungsrecht wirkt sich in der Kfz-Branche insbesondere auf den Neu- und Gebrauchtwagenhandel aus. Und weil dieses neue Gesetz auch neue Formalitäten mitsichbringt, hat auch unser Verlag, Krafthand Medien, die Formulare aktualisiert. Sie stehen wie gewohnt im Krafthand-Shop zur Verfügung. Was sich formell genau ändert und worauf beim Ausfüllen dieser neuen Formulare im Detail zu achten ist, erklärt im Podcast Rechtsanwältin Dr. Anna Kellner.

 

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Auszüge aus dem Gespräch mit Timecodes:

Überblick über die allgemeinen Änderungen, die mit dem neuen Kauf- und Gewährleistungsrecht einhergehen

  • Änderung Beweislastumkehr (von 6 Monate auf 12 Monate)
    Der Gesetzgeber will die sechsmonatige Beweislastumkehr auf ein Jahr (12 Monate) ausweiten. Bei digitalen Elementen soll die Beweislastumkehr sogar für den kompletten Bereitstellungszeitrum gelten, mindestens für zwei Jahre
  • Ab Min. 2:17: weitere Änderungen: eigener Mangelbegriff für Sachen mit digitalen Elementen und digitalen Produkten, eigentliche Update-Pflicht für Händler
  • ab Min. 2:31: vorvertragliche Informationspflicht für Gebraucht- und Neuwagenhändler (ausführliche Erkärung ab Min. 14:53)
  • explizite Vereinbarung über den Zeitpunkt der Verjährung und über Sachmängel notwendig in einem separaten Formular

Neue Formulare

ab Min. 3:30:
  1. NEUWAGEN: „Verkaufsprotokoll für „Verbindliche Bestellung“ eines neuen Kfz/Anhängers durch Verbraucher, Unternehmer, juristische Personen d. öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliches Sondervermögen“

ab Min. 3:30: Ankreuzmöglichkeit 1: „Vereinbarung mit einem Verbraucher über Abweichungen der Kaufsache von einzelnen objektiven Anforderungen.“ (bis 4:46)

Normalerweise haftet der Verkäufer für alle Mängel, die eine Sache zum Zeitpunkt der Übergabe hat. Das kann aber auch anders vereinbart werden, wenn sich Käufer und Verkäufer darauf verständigen. Beispielsweise dann, wenn der Käufer den Mangel akzeptiert und dafür einen Preisnachlass erhält. Wenn das vereinbart werden soll, muss dieses Kästchen angekreuzt werden. Andernfalls gilt die gesetzliche Grundlage. In diesem Fall darf ein Käufer darauf vertrauen, dass die Sache keinerlei Mängel hat und allen Anforderungen entspricht, die vereinbart worden sind oder die ein Käufer objektiv von einer Sache erwarten darf. Wenn das nicht der Fall ist, haftet der Verkäufer.

ab Min. 5:09: Ankreuzmöglichkeit 2: „Vereinbarung mit einem Verbraucher über einen Ausschluss der gesetzlichen Aktualisierungspflicht beim Verkauf von „Sachen mit digitalen Elementen“ oder „digitalen Produkten.“

Damit ist eine Sache gemeint, die nicht mehr funktioniert, wenn die digitale Sache ausfällt.

Diesen Punkt hat der Gesetzgeber ganz neu aufgenommen. Der Begriff „Sache mit digitalen Elementen“ beschreibt etwas, was nicht mehr vollständig funktioniert, wenn die digitale Funktion ausfällt. Bei Pkw könnte das z.B. ein Fahrassistenzsystem sein, das für die Funktion des Fahrzeugs zwingend erforderlich ist, also ohne diese Funktion das gesamte Fahrzeug nicht mehr funktioniert. Digitale Produkte in einem Pkw sind im Gegensatz dazu nicht zwingend für die Funktionalität des Fahrzeugs notwendig (Anwendungssoftware für die Kfz-Bedienung oder ein Navigationsprogramm). Der Gesetzgeber sieht für solche digitalen Elemente und Produkte regelmäßige Aktualisierungen vor, die ein Händler bereitstellen muss. Wenn dieses Kästchen angekreuzt ist, entfällt diese Aktualisierungspflicht.

ab Min. 8:03: Eine weitere Neuerung betrifft den jetzigen Punkt 6, der darauf verweist, dass für Verbraucher bei „Sach- und Rechtsmängeln an Waren mit digitalen Elementen für die digitalen Elemente […] die gesetzlichen Regelungen gelten“. Wie sind hier die gesetzlichen Vorgaben? (Antwort ab 8:18)

ANLAGEN zum Verkaufsformular Neuwagen

ab Min. 9:18:

a. Anlage über die Vereinbarung mit Verbraucher zur Abweichung der Kaufsache von einzelnen objektiven Anforderungen. (Extra-Formular jetzt zwingend erforderlich)

Erklärung: Nach der neuen Rechtsprechung brauchen Verkäufer dieses Extra-Formular jetzt zwingend, um die Absprachen mit dem Käufer über Abweichungen der Kaufsache in einer „gesonderten und ausdrücklichen Regelung“ zu dokumentieren, damit diese Vereinbarung auch wirksam wird. Das soll die bewusste Entscheidung des Käufers über eine mangelhafte Sache dokumentieren und zu dessen Schutz dienen. Der Händler haftet für die Sache mit Mängeln dann nachweislich nicht. Tipp: Alle Abweichungen der Sache sollen möglichst genau dokumentiert werden, so dass es für beide Parteien keinen Zweifel dazu gibt.

Achtung: In diesem Formular wiederum gibt es ein Kästchen für „Teile und Zubehör“. (ab Min. 10:34)

Erklärung: Wenn beide Parteien objektive Abweichungen (konkrete Mängel) auch für einzelne Teile ausdrücklich vereinbaren möchten, muss dieses Kästchen angekreuzt werden.

b. Anlage zur Vereinbarung mit Verbraucher über den Ausschluss der gesetzlichen Aktualisierungspflicht beim Verkauf von Sachen mit digitalen Elementen oder digitalen Produkten. (ab Min. 11:24: Nachfrage/Wiederholung: wieso ein separates Anlagenformular)

Aktualisierungspflicht beim Verkauf von Sachen mit digitalen Elementen oder digitalen Produkten. Erklärung: (siehe oben: Ankreuzmöglichkeit 2): Der Händler ist von der Aktualisierungspflicht (nur dann) befreit, wenn beide Parteien das auch auf diesem Anlagenformular nochmals schriftlich verabreden. Hinweis: Nur ein Kreuz auf dem Neuwagenverkaufsformular genügt nicht.

2. GEBRAUCHTAGEN: „Verbindliche Bestellung eines gebrauchten Kfz/Anhängers“

ab Min. 13:15: Bedeutung der neuen dritten Ankreuzmöglichkeit auf dem Bestellformular ( „Vereinbarung mit einem Verbraucher über eine Verkürzung der Verjährungsfrist beim Verkauf gebrauchter Kfz“)

Erklärung zu Kästchen Nr. 2 (Mitte): Bei der Verjährungsfrist muss man zwischen neuen und gebrauchten Sachen unterscheiden. Bei neuen Sachen liegt die Verjährungsfrist für Verkäufer an Verbraucher bei zwei Jahren. Nur bei einer Vereinbarung mit einem Unternehmer kann die Verjährungsfrist auf ein Jahr verkürzt werden. Bei gebrauchten Sachen können Verkäufer mit dem Käufer ebenfalls eine Verkürzung auf ein Jahr vereinbaren, bei Unternehmern kann sie sogar ganz ausgeschlossen werden. Die jeweilige Verkürzung der Verjährungsfrist bei einer gebrauchten Sache mit einem Käufer wird aber nur dann wirksam, wenn eine „gesonderte und ausdrückliche“ Vereinbarung getroffen wird. Durch das Kreuz auf diesem Formular und auf der zusätzlichen Anlage machen die Parteien deutlich, dass sie die Verjährungsfrist in beiderseitigem Einvernehmen auf ein Jahr verkürzen.

ANLAGE

c. ab Min. 15:14: Sinn und Zweck des Formulars „Dokumentation der Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten beim Verkauf von Fahrzeugen/Anhängern oder Teilen/Zubehör an Verbraucher nach § 13 BGB“

Erklärung: Der Verkäufer ist nach der neuen Gesetzgebung verpflichtet, den Verbraucher/Käufer über die angesprochenen Details schon vorab, also vor dem Vertragsabschluss, zu informieren. Dieses Dokument sollte sich der Verkäufer dementsprechend als erstes vom Käufer unterzeichnen lassen und die jeweils zu den einzelnen Punkten getroffenen Vereinbarung ankreuzen bzw. schriftlich dokumentieren, damit die getroffenen Verabredungen tatsächlich wirksam werden und um rechtlich nachweislich auf der sicheren Seite zu sein.

Ab Min. 17:09: Das hat es mit Kästchen Nr. 4 auf sich – „Beweislastumkehr bei digitalen Produkten“. (Antwort ab Min. 17:23)

Erklärung: Die neue Rechtslage vermutet: Wenn ein Mangel an einem digitalen Produkt auftritt, ein Jahr lang, dass dieser Mangel auch schon zum Zeitpunkt der Übergabe/des Verkaufs bestand. Der Verkäufer wäre dann entsprechend in der Haftung und müsste Gegenteiliges immer beweisen. Das gilt allerdings nicht, wenn die digitale Umgebung des Verbrauchers (Hardware, Software, Netzverbindung) mit den technischen Anforderungen des Produkts nicht kompatibel war. Der Verkäufer also nichts dafür konnte, dass der Mangel entstanden ist. Außerdem gilt die Beweislastumkehr auch nicht für die Fälle, in denen der Verkäufer nicht feststellen kann, ob es an einer sogenannten Mitwirkungshandlung gefehlt hat. In diesen Fällen müsste dann der Verbraucher beweisen, dass der Mangel schon zum Zeitpunkt der Übergabe bestand und nicht erst später. Diese beiden Ausnahmen, die günstig für den Verkäufer sind, die gelten nur dann, wenn der Verkäufer den Verbraucher wiederum schon vor dem Vertragsschluss dazu informiert hat. Dementsprechend ist es für Händler essenziell dieses Kreuz zu setzen und darüber zu informieren, um Rechtssicherheit zu haben.