Mit 16 Zylindern zum Leben erweckt
Vor 90 Jahren war er nur ein Traum für Audi, nun wurde er Realität: der Auto Union Typ 52 – ein „Schnellsportwagen“ mit 16-Zylinder-Motor.
Praktisch gesehen ist der Auto Union Typ 52 kein Oldtimer, theoretisch aufgrund seines Konzepts aus den 1930er-Jahren jedoch schon. Mit Hilfe von Archivdokumenten, Plänen und Konstruktionszeichnungen hat Audi die Sportlimousine nun realisiert. Das in Handarbeit gefertigte, mehr als fünf Meter lange Unikat wurde beim Goodwood Festival of Speed 2024 in England präsentiert.
Ausflug in die Vergangenheit
1932 entstand die Auto Union – ein Zusammenschluss von Audi, DKW, Horch und Wanderer. Die AG engagierte sich schon früh im Motorsport, um ihre vier Ringe international bekanntzumachen. Bereits 1934 begeisterten die gemeinsam mit dem Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche entwickelten „Silberpfeile“ mit mehreren Geschwindigkeitsrekorden und revolutionärer Technik bei Grand-Prix-Wettbewerben. So war der Motor erstmals hinter dem Fahrer platziert – noch immer Standard in der Formel-1.
Auch heute noch sind vielen die „Silberpfeile“ bekannt. Aber kaum jemand weiß, dass auf deren Basis auch eine straßentaugliche Sportlimousine geplant war: der Auto Union Typ 52. In den Konzeptunterlagen war er mit dem Begriff „Schnellsportwagen“ deklariert, unter dem er vermarktet werden sollte.
Ein Sportwagen für die Straße
Ende 1933 entstanden im Porsche-Konstruktionsbüro erste Designskizzen, die 1934 konkrete Formen annahmen. Mit der lang gestreckten Silhouette sollte bestmögliche Performance und Aerodynamik erreicht werden. Auch an Stauraum für doppelte Ersatzbereifung und Gepäck war gedacht. Laut technischem Datenblatt betrug das Leergewicht des Wagens 1.300 Kilogramm. Das Antriebsaggregat und das Getriebe in Verbindung mit der offenen 5-Gang-Schaltung stammten von den Silberpfeilen. Für Federung und Dämpfung wählten die Ingenieure jedoch andere Lösungen: an der Hinterachse längs angeordnete Drehstabfedern in Verbindung mit hydraulischen Dämpfern. Der 110-l-Tank wanderte unter die Sitze. Weiter besaß der Wagen an allen Rädern Trommelbremsen, ebenso waren Drahtspeichenräder vorgesehen.
Das Chassis des Auto Union Typ 52 war als Leiterrahmen mit Mittelmotor ausgeführt. Genutzt wurde die Antriebseinheit aus dem Auto Union Typ 22. Die Verdichtung des potenten 16-Zylinder-Motors wurde jedoch reduziert, damit der Wagen normales Benzin tanken konnte. Gleichzeitig verringerten die Techniker die Übersetzung des Roots-Kompressors. Der Motor sollte aus 4,4 Litern Hubraum bei 3.650 U/min rund 200 PS schöpfen. Sein maximales Drehmoment von 436 Nm lag bei moderaten 2.250 U/min.
Schließlich beschlossen die Verantwortlichen den Bau eines Versuchswagens – doch den hat es nie gegeben. 1935 wurde das Projekt eingestellt.
Zurück ins Jahr 2024
Beim aktuellen Bau des Typ 52 gelang es Audi, nah an den originalen Angaben zu bleiben. Allerdings gab es dabei auch ein paar Tücken. So musste etwa der Radstand länger werden, da er mit den weiteren Komponenten technisch nicht umsetzbar war. Zudem gab es beim Motor eine Abweichung zur ursprünglichen Planung: Audi nutzte das 16-Zylinder-Aggregat des Auto Union Typ C, das zugunsten der Austauschbarkeit mit den Grand-Prix-Rennwagen für den Typ 52 nicht gedrosselt wurde. Betrieben wird der Motor deshalb mit einem speziellen Methanolgemisch. Weil sich in den Unterlagen keine Angaben zur Außenlackierung fanden, hat sich Audi an den Silberpfeilen orientiert.
Obwohl viele Unterlagen bei der Auflösung der Auto Union in der russischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg verlorengegangen sind, steht eines fest: Im Vergleich zu den Silberpfeilen war die Leistung zwar reduziert, dennoch zeigten die berechneten Fahrleistungen von 200 km/h, dass der Sportwagen seinem Namen alle Ehre gemacht hätte. Zu seiner Zeit wäre der Auto Union Typ 52 eines der stärksten Fahrzeuge auf den Straßen und bei möglichen Wettbewerben gewesen.
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