Was war sie doch früher für eine Legende, die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt am Main. Neben dem Genfer Automobil Salon, der Detroit Auto Show oder der Tokio Motor Show die Automesse schlechthin – über Jahrzehnte hinweg sogar die wichtigste. Doch auch diese Legende scheint ihr Ende zu finden.
Nach Frankfurt zur IAA, da wollte man nicht nur als Lehrling hin, die neuesten Autos sehen und sich einmal in den Traum-Sportwagen setzen – Auto leben einfach. Doch das ist lange her, nun steht die gute alte IAA wohl am Scheideweg. Zwei Tage waren wir dort. Leider war die Messe nur ein Schatten ihrer selbst, die Stimmung extrem gedämpft. Viele renommierte Aussteller fehlten und die, die da waren, fuhren Großteils auf Sparflamme.
2017 waren noch über 50 Pkw-Marken vertreten, darunter die größten Automobilhersteller aus Europa, Asien und den USA. Doch von den Amerikanern fehlte dieses Jahr jede Spur und bei den Asiaten muss man unterscheiden. Von den Big Playern aus Japan kam lediglich Honda nach Frankfurt. Toyota und Co. suchte man vergebens. Koreaner und Chinesen fanden sich zwar ein, jedoch auch hier war der Auftritt eher sparsam. Italien und Frankreich stellten ebenfalls nicht aus, also weder „grande emmozione“ noch „vive la vie“. Auch die Besucher blieben dem einstigen Publikumsmagneten fern: etwa 30 Prozent weniger als vor zwei Jahren pilgerten an den Main. Von den 810.000 der IAA 2017 war man also weit entfernt.
War es das?
Einige Insider mutmaßten sogar, in zwei Jahren gäbe es keine IAA mehr. Nun, ob das wirklich so eintritt, lässt sich nicht seriös sagen. Aber Fakt ist: Bleiben noch mehr OEMs weg oder sparen weiter an ihren Ständen, macht es für Autofans keinen Sinn mehr, die schon heute überteuerte Veranstaltung zu besuchen. Natürlich war die Mercedes-Halle noch immer beeindruckend, doch wer 2017 da war, stellte schnell fest, dass hier zwei Stockwerke fehlten. BMW hatte die Halle 11 auch nicht mehr für sich alleine. Jaguar, Mini, Hyundai und sogar Opel waren noch mit drin, wobei der Opel-Stand eher wie ein mittelgroßes Autohaus der Neufranzosen daherkam. Das Ganze erinnerte eher an die Vorstellung des neuen Corsa beim örtlichen Vertragshändler – es fehlten nur Hähnchenwagen und Blasmusik.
E-Antrieb für alle
Bei Volkswagen herrschte vor allem ein Thema vor: ID. Elektro so weit das Auge reicht. Was man allerdings vergeblich suchte, war der jüngste Spross des jahrzehntelangen Goldkinds Golf. Der 8er ward nicht gesehen, dafür elektrische und sinnbefreite Buggies, die auch gut 55 Jahre nach ihrer Erfindung auf Käferbasis wenig Sinn zu machen scheinen. Der ID.3, der irgendwie den gesamten Stand dominierte, ist jedoch ein richtig gut gemachtes Elektroauto.
Audi scheint nur noch in S- und RS-Ligen zu schweben. Suchte man einen „normalen“ A4 oder A6, fand man ihn leicht abseits in einer Ecke. Probesitzen konnte man zwar, aber dafür waren einfach zu wenige Fahrzeuge vorhanden.
Für die Publikumstage waren dann jede Menge Demonstrationen verschiedenster Protestgruppen geplant, die der Veranstaltung wohl eine unangenehme Würze geben werden. Schade, denn bei aller Umweltliebe und der Notwendigkeit, sie zu schützen, sollte man doch die Realität im Auge behalten, selbst wenn es gerade in ist, alles was mit Verbrennungsmotoren fährt zu verteufeln.
Wey: VV7 heißt der neue SUV aus China. Überrascht hat die saubere Verarbeitung. Insgesamt wirkt das Fahrzeug recht erwachsen. Weniger überraschend finden sich einige Designanleihen von europäischen SUVs. Bild: Schleich
Byton: M-Byte heißt das Erstlingswerk der Chinesen, in das viel deutsches und europäisches Wissen geflossen ist. Bis zu 476 PS soll er leisten und die Reichweite dank einem 95-kWh-Akku in der großen Variante bei über 500 Kilometern liegen. Mit einem Netto-Einstiegspreis von 45.000 Euro soll das Fahrzeug ein Herausforderer für den Audi e-tron oder den Mercedes EQ-C sein. Bild: Byton
Honda: Der face-geliftete HR-V bekommt einen neuen Motor und eine neue Optik, aufgepeppt mit Frontspoiler, Schweller, Radlaufleisten, Kühlergrill in Wabenoptik, den Einsätzen rund um die Nebelscheinwerfer in blankem Schwarz sowie dem doppelten Endrohr des Auspuffs und den 18-Zoll-Reifen auf speziell gestalteten, ebenfalls schwarzen 18-Zoll-Alurädern. Bild: Schleich
Jaguar: Designtechnisch etwas anders kommt der neue I-Pace S EV400 Elektro-SUV daher und soll 470 Kilometer weit kommen. DerI-Pace ist dabei der Vorbote einer neuen Ausrichtung der Marke, denn bis zum Jahr 2020 ist geplant, dass alle Modelle der Marke in der einen oder anderen Form elektrifiziert sind. Bild: Schleich
Audi: Unboxing e-tron – die Ingolstädter zeigten ihr Elektro-SUV als Baukasten. Die neueste Leistungsstufe, der e-Tron 50 Quattro soll bei einer Leistung von 313 PS mit seiner 71-kWh-Batterie mehr als 300 Kilometer weit kommen. Das Fahrzeug ist bei 190 km/h abgeregelt und soll unter 70.000 Euro kosten, womit es die Voraussetzungen für den Umweltbonus erfüllt. Ansonsten dominierten die S- und RS-Modelle den Messeauftritt. Bild: Schleich
Opel: In neuem Gewand soll der Corsa an frühere Erfolge anknüpfen. Angeboten wird die Neuauflage ausschließlich als Viertürer mit Heckklappe, gebaut wird sie in Spanien. Der Corsa steht auf der CMP-Plattform von PSA und kann mit verschiedenen Antriebskonfigurationen bestückt werden. Opels Kleinster kommt im nächsten Frühjahr auch als Elektrovariante. Bild: Schleich
Hyundai: Der i10, der Kleinste im Lager der Koreaner, kommt in der dritten Generation. Sie ist vor allem im Frontbereich markanter gestaltet. Die Preisliste beginnt bei 10.990 Euro. Erstmals wird es das Modell auch als dynamische N Line geben. Zur sportlichen Ausstattung gehört neben exklusiven Design- und Dekorelementen vor allem der nur in dieser Version erhältliche 1,0-l-Dreizylinder mit 100 PS. Bild: Schleich
Land Rover: Vor vier Jahren verabschiedete sich der Land Rover Defender, mit dem vor 71 Jahren die Geschichte des Allradspezialisten begann, aus der Modellpalette der Marke. Damals hatte bereits die Entwicklung eines Nachfolgers begonnen, der im kommenden Frühjahr auf den deutschen Markt rollen wird. Die Preisliste für den Defender beginnt bei 49.700 Euro für den 90 und 55.600 Euro für den 110. Dabei wird es kaum bleiben, denn allein 170 Accessoires und vier Ausstattungspakete bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Defender zu gestalten. Bild: Schmidt
Seat: el Born heißt das bereits in Genf vorgestellte e-Mobil der Spanier. Das Konzeptfahrzeug soll voraussichtlich schon im nächsten Jahr auf den Markt kommen und im VW-Werk in Zwickau gebaut werden. Bild: Schleich
Lamborghini: Siàn FKP 37 heißt das neue Geschoss aus dem Hause Lamborghini, das erstmals über einen Hybridantrieb verfügt. Allerdings stammen 800 PS aus einem V12-Saugmotor und 34 vom Hybridantrieb, der jedoch von einem Superkondensator anstatt einer Batterie gespeist wird. Das Kürzel FKP 37 erinnert an den verstorbenen Ferdinand Karl Piëch, geboren 1937. Bild: Schmidt
Volkswagen: Auf dem VW-Stand standen die Zeichen auf E-Mobilität und damit der ID.3 im Mittelpunkt. Mitte nächsten Jahres kommt zunächst die Sonderedition „First – mit drei Ausstattungsvarianten und elektrischen Reichweiten von bis zu 420 Kilometern. Die Batterie verfügt über einen Energiegehalt von 58 kWh. In der Serienversion werden später auch eine kleinere 45-kWh- und eine größere 77-kWh-Batterie mit Reichweiten bis 330 beziehungsweise 550 Kilometern angeboten. Der Basispreis soll unter 30.000 Euro liegen. Bild: Schmidt
Ford: Ab 2020 schickt der Autobauer den kleinen Crossover Puma für einen Einstiegspreis von 23.150 Euro an den Start. Ansonsten herrschte auf dem Ford-Stand das aktuelle Angebot vor, das nun fast durch die Bank auch mit Elektroantrieb zu haben ist. Im ersten Leben war der Puma übrigens ein kleines Sportcoupé. Bild: Schleich
BMW: Der große Eyecatcher bei den Bayern war die Studie des neuen 4ers. Das Fahrzeug hat eine aggressive Linienführung und wirkt sehr dynamisch, auch im Stand. Lediglich die scheunentorgroße Niere stört das Gesamtbild. Bild: Schleich
Skoda: Der Autobauer erweitert die Angebotspalette des Scala um die Ausstattungslinie Monte Carlo. Diese ist eine Hommage an die Rallye-Historie des Herstellers und mit allen Motoren der Baureihe erhältlich. Im vierten Quartal 2019 werden die ersten Einheiten an Kunden ausgeliefert. Bild: Schleich
Porsche: Da ist er nun endlich, der langerwartete Elektro-Sportler Taycan. Der Serien-Taycan ist erstaunlich nah an der Studie Mission E, optisch sind die Unterschiede marginal. Die Kraft des Elektromotors an der Hinterachse wird per Zweiganggetriebe abgegeben. Bild: Schleich
Einen Aufreger für die Branche selbst produzierte Jack Wey. Den kennen Sie nicht? So ging es wohl einem Großteil der anwesenden schreibenden Zunft. Jack Wey ist der Gründer von Wey. Das sagt Ihnen immer noch nichts? Wey ist ein chinesischer SUV-Hersteller. Eigenen Angaben zufolge Chinas größter SUV-Hersteller. In dieser Funktion gab Jack Wey zur Präsentation seines neuesten Concept Cars eine vielbeachtete Pressekonferenz. Auf Mandarin! Komplett ohne Übersetzung, weder ins Englische noch ins Deutsche. Viele Kollegen meinten, das zeige, wohin der Weg der Branche gehe. Man kann das als eine Kampfansage verstehen. Dass das vorgestellte Fahrzeug nicht nur ganz ansehnlich gebaut und designt war, sondern tatsächlich eines der Highlights der ansonsten recht faden Messe war, ging dabei beinahe unter. Auch von den neuen Serienfahrzeugen der Chinesen, dem VV7 und dem VV7 GT-Pro konnte man recht angetan sein.
Nur ein Hersteller zeigte Mut zur Tradition. Lamborghini. Der enthüllte Siàn FKP 37 wird von einem Zwölfzylinder mit 800 PS befeuert und bekommt – sozusagen als kleine grüne Draufgabe – einen 34 PS starken Elektroantrieb dazu, der seinen Strom aus einem Superkondensator bezieht. Das FKP 37 steht für den kürzlich verstorbenen ehemaligen Konzernchef Ferdinand Karl Piëch. Auf einer IAA, auf der zum Beispiel Mercedes salopp ausgedrückt von der A-Klasse bis zum Maybach alles elektrifiziert und zwanghaft auf umweltschonend trimmte, ein schöner und wohltuender Farbklecks.
Abschließend kann man nur hoffen, die gute alte Dame IAA erholt sich und schafft den Neuanfang, die OEMs kommen zurück und es wird dem Besucher für sein Geld etwas geboten. Denn sonst ist es bald vorbei, sowohl mit der glorreichen Vergangenheit als auch mit einer eventuell rosigen Zukunft, denn fällt die IAA einmal aus, wird sie wohl nie wieder stattfinden. Und ob das Branche und Publikum wirklich so wollen?