Neben dem eigentlichen Reparaturauftrag hat der Kfz-Profi noch weitere Pflichten gegenüber seinem Kunden zu erfüllen – Teil 3. In den ersten beiden Teilen der Beitragsreihe zu den sogenannten vertraglichen Neben- und Fürsorgepflichten einer Werkstatt (KRAFTHAND 6/2011, Seite 52; 9/2011, Seite 90) standen im Einzelnen die Aufklärungs-, Beratungs-, und Hinweispflichten eines Kfz-Profis im Fokus. Im dritten und letzten Teil geht es um die Fürsorge-, Obhuts- und Sicherungspflichten.
Immer wieder ist von kuriosen Urteilen zu hören: etwa, wenn der Kunde auf dem Betriebsgelände des Autohauses nicht die Ausfahrt findet, sich dann in der ‚Prüfstraße‘ verirrt und dort sein Fahrzeug beschädigt (Amtsgericht Gummersbach, Az.: 10 C 31/10) oder wenn ein Autofahrer in der Waschstraße aus seinem Fahrzeug aussteigt, einer alternativen Ausgang sucht und dabei auf Seifenresten ausrutscht und sich verletzt (Landgericht Bielefeld, Az.: 22 S 341/07). Diese Beispiele sind zwar Extreme, geben aber das wieder, was jeder Kfz-Profi zu beachten hat: Seine Pflichten gehen über das hinaus, was im Werkstattauftrag festgelegt ist.
Das Integritätsinteresse
Das mit den Beispielen angeführte Interesse des Kunden ‚an dem Erhalt seiner Rechtsgüter‘, also auch an seiner Gesundheit, wird ´Integritätsinteresse´genannt. Obwohl für dieses Interesse das Deliktsrecht ausreichend Schutz bieten sollte, hat die Rechtssprechung trotzdem die Pflicht des Unternehmers, das Eigentum des Kunden zu schützen, als vertragliche Nebenpflicht dem Wartungsrecht und letztlich dem Vertragsrecht zugeordnet.
Der Bundesgerichtshof (Az.: VII ZR 302/75) dazu wörtlich: ‚Der Werkunternehmer [trifft] die vertragliche Nebenpflicht, mit dem Eigentum des Bestellers [beziehungsweise des Werkstattkunden, Anmerkung der Redaktion], das in seinen Gewahrsam gelangt ist oder seiner Einwirkung unmittelbar ausgesetzt ist, pfleglich umzugehen und es vor Schaden zu bewahren.‘
Zwar kann die Werkstatt nicht für jegliche Schäden haftbar gemacht werden, die während eines Werkstattaufenthalts dem Kunden oder seinem Fahrzeug widerfahren. Als Anknüpfungspunkt für eine eventuelle Haftung dienen allerdings die dem Wartungsvertrag allgemein und stets zu entnehmende Fürsorge-, Obhuts- und Sicherungspflichten.
Fahrzeugschlüssel, Diebstahl und Verwahrung
Noch einleuchtend dafür ist das Beispiel, wenn der Werkstattinhaber Kundenfahrzeuge unversperrt auf dem Betriebsgelände zurücklässt und ‚keinerlei Vorkehrungen‘ zum Schutz gegen Diebstahl trifft‘ (Oberlandesgericht Bremen, Az.: 3 U 158/67a). Das Landgericht Hamburg ging noch einen Schritt weiter: Der Kfz-Profi ließ zwar den Zündschlüssel im Zündschloss stecken, allerdings war das Fahrzeug in einer verschlossenen Betriebshalle abgestellt. Trotzdem musste der Kfz-Betrieb für den Diebstahl des Wagens aufkommen.
Die Begründung der Hamburger Richter (Landgericht Hamburg, Az.: 302 O 82/91): ‚Der Unternehmer ist gehalten, eine Entwendung eines ihm überlassenen Fahrzeugs zumindest wesentlich zu erschweren.‘ In einem älteren Urteil meint das Amtsgericht der Hansestadt, der Kfz-Profi verstoße bereits dann gegen seine Sicherungspflichten, wenn er den ‚Kfz-Schein‘ – zumindest nachts – nicht außerhalb des Kfz aufbewahrt (Amtsgericht Hamburg, Az.: 17 C 234/72).
Grob fahrlässig
Die Kollegen des saarländischen Oberlandesgerichts setzten für einen Betriebsinhaber den Verschuldensmaßstab zumindest herab, sofern er den Schlüssel des Kundenfahrzeugs, das er unversperrt in der Werkstatt geparkt hat, in seinem Büroraum aufbewahrt (Az.: 5 U 610/05-93). Diese Aussage spricht den Kfz-Betrieb zwar nicht von seiner Haftung frei. Bei einer für solche Fälle abgeschlossenen Diebstahlversicherung kann sich die zuständige Versicherungsgesellschaft dann aber nicht auf den Standpunkt stellen, der Inhaber hätte grob fahrlässig gehandelt. Vorraussetzung dafür ist nämlich, ‚dass der Versicherungsnehmer die gefahrbegründenden Umstände gekannt‘ hätte.
Von solchen gefahrbegründenden Umständen geht das Oberlandesgericht Celle jedenfalls dann aus, wenn der Werkstattinhaber die Fahrzeugschlüssel der Kunden auf einem ansonsten frei zugänglichen Betriebsgelände nur in einem Außenbriefkasten sammelt (Az.: 8 U 182/04). Im entschiedenen Fall hatte der Firmeninhaber den Einwurfschlitz des Außenbriefkastens nur durch ein dünnes Blech geschützt und damit nach Ansicht der Richter den Dieben eine optimale Angriffsfläche geliefert.
Doch nicht nur Gefahren von außen, sondern auch Missbräuchen aus dem eigenen Firmenumfeld muss der Unternehmer entgegenwirken. Gerade dieser internen Organisationspflicht kann er sich nicht durch allgemeine Geschäftsbedingungen entziehen. Der Bundesgerichtshof dazu wörtlich (Az.: VIII ZR 12/73) in einem älteren Urteil: ‚Er kann nicht geltend machen, dass in den Geschäftsbedingungen seine Haftung für jegliches Verschulden seines Personals, auch für Vorsatz, abgedungen sei.‘ Der betroffene Unternehmer wollte nämlich mithilfe eines allgemeinen Haftungsauschluss das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter auf seine Kunden abwälzen …
Auszug aus Artikel aus der KRAFTHAND-Ausgabe 10/2011.